Fixkostenreduktion durch Lean Management

Nachhaltige Fixkostensenkung durch Effizienzsteigerung (Praxisbeispiel)

Fixkostenreduktion durch Lean Management

Die kurz- und langfristige Rentabilität einer Organisation wird zunehmend  durch die fixen Kosten der unterstützenden Funktionsbereiche bestimmt (Beschaffung, Personaladministration und -entwicklung, Information Technology, Anlagen, Investition und Finanzen, Verkauf und Marketing, Geschäftsleitung). Durch die zunehmende Komplexität nehmen die für diese Funktionen entstehenden Kosten kontinuierlich zu und betragen heute in vielen Unternehmen ein Vielfaches der proportionalen Produktkosten. Soll eine Organisation profitabler werden, gilt es deshalb vor allem in diesen Bereichen Fixkostenreduktion durch Lean Management zu betreiben.

Das ist das Feld von Lean Administration, Lean Logistics und Lean Sales. Es geht darum, die gesamten fixen Kosten der Organisation langsamer ansteigen zu lassen als den Nettoerlös. Erster und wichtigster Ansatzpunkt dazu ist die Verminderung oder Verhinderung von Arbeitszeiten, die zum Gewinnen und Halten von Kunden einzusetzen sind sowie für die Administration und das Management der Organisation. Zweitens ist zu erreichen, dass die Investitionen für die erfolgreiche Weiterentwicklung in allen Bereichen (vor allem IT und Gebäude) langsamer wachsen als die Nettoerlöse, weil sie zu fixen Betriebs- und Abschreibungskosten führen.

Lean Administration

Die Anstrengungen sollen den Arbeits- und Kosteneinsatz verringern für die:

    • Erfüllung staatlicher/behördlicher Vorschriften (vor allem Personaladministration und Einhaltung arbeitsrechtlicher Vorschriften)
    • Aufrechterhaltung der Betriebsbewilligungen (Dokumentation der Rechtskonformität)
    • Dokumentation des rechtskonformen Funktionierens der Anlagen und Einrichtungen
    • Dokumentation und Nachvollziehbarkeit der Produktentstehung
    • Die Erfassung von Daten und die Sicherstellung der Datenqualität
    • Planung und Erfassung von Kosten und Erlösen plus Auswertung
    • Erfassung und Auswertung aller Buchhaltungsdaten
    • Wahrnehmung der Managementaufgaben in allen zu führenden Bereichen.

Lean Sales

soll dafür sorgen, dass der Arbeitseinsatz für nachstehende Aufgaben langsamer wächst als die erzielten Nettoerlöse.

    • den gesamten Verkaufs- und Vertriebsprozess (von der Adressgewinnung (Lead) bis zur Nachbetreuung der Kunden),
    • das Produktmanagement und die Verkaufsförderung,
    • die Werbung und andere Marketingmassnahmen,

Lean Logistics

soll bewirken, dass:

    • Rohstoffe, Hilfsmittel und weitere Güter und Services günstiger eingekauft werden können (Vertragsgestaltung, Lieferkonditionen, andere Materialien, welche die Anforderungen auch erfüllen),
    • alle Spezifikationen für zu beschaffende Güter und Dienstleistungen elektronisch verfügbar sind, bevor der Bestellprozess ausgelöst wird,
    • Transportkosten für Zu- und Auslieferung pro Einheit günstiger werden,
    • der Arbeitsaufwand für die Bestell- und Auslieferungsabwicklung geringer wird,
    • alle relevanten Daten direkt und ohne Zugriff auf Papierablagen zur Verfügung stehen,
    • Beschaffungsprozesse in einem Durchgang und ohne Wartezeiten bearbeitet werden können.

Effizienzsteigerung durch höhere Stammdatenqualität und Leistungserfassung

Die Stammdatenqualität der Kunden-, Mitarbeiter- und Lieferantendaten steht im Vordergrund, sollen Suchprozesse und Nachfragen nach aktuellen Daten weniger Arbeitszeit beanspruchen. Die jederzeitige Verfügbarkeit aktueller Daten ist eine zentrale Voraussetzung für die Realisierung möglichst verschwendungsfreier administrativer Prozesse. Offen ist, ob die Stammdaten eines Unternehmens zentral oder bereichsweise gepflegt werden sollen und wer für welche Inhalte verantwortlich sein soll.

In allen erwähnten Bereichen geht es darum, Effizienzsteigerungen zu erzielen und dadurch konkurrenzfähig zu bleiben. Dies erfordert die Planung und Messung des Arbeitseinsatzes für die verschiedenen (Teil-)Prozesse. Dazu sind diese inhaltlich zu strukturieren, damit die für ihre Umsetzung notwendigen Zeitverbräuche für Interne Aufgaben gemessen werden können. Die im Fertigungsbereich übliche Betriebsdatenerfassung gilt es auch für die Messung der Arbeitszeiten für interne Aufgaben anzuwenden. Gegen diese Erfassung wehren sich viele Kopfarbeiter, doch erst sie ermöglicht es, erzielte Effektivitäts- (tun wir das Richtige?) und Effizienzverbesserungen (tun wir es richtig?) zu messen.

Die Erfassung des Zeitverbrauchs für Interne Aufgaben muss tagfertig erfolgen. Denn schon morgen weiss man nicht mehr genau, wofür gestern wie viel Arbeitszeit eingesetzt wurde. Steht jederzeit ein mitarbeitergerechtes elektronisches Erfassungsinstrument zu Verfügung, ist diese Erfassung einfach auszuführen. Im Beitrag «Kapazitätsbedarf für interne Aufgaben» wird gezeigt, wie die internen Aufgaben gegliedert werden können, damit ihre Erfassung und Klassifizierung In der praktischen Anwendung einfach wird.

In Lean Administration-Projekten soll vor allem der Zeitverbrauch für repetitive Arbeiten reduziert werden. Dazu sind direkte Beobachtungen und Verbrauchserfassungen pro Arbeitsschritt erforderlich, da kleine Zeitersparnisse zu finden sind, welche sich durch tausendfache Repetition zu ganzen Vollzeitstellen summieren können.

Praxisbeispiel zur Auftragsabwicklung

Im diesem Beispiel aus einem produzierenden Unternehmen wurde der gesamte Ablauf von der Kundenbestellung bis zur Auslieferung und Fakturierung an den Kunden untersucht. Das Unternehmen wollte den Zeitbedarf für die Abwicklung verringern und zugleich die Durchlaufzeit eines Auftrags verkürzen. So sollte freie Kapazität für mehr Kundenaufträge geschaffen werden. Bei der Aufnahme des Istzustands wurde festgestellt, dass die Durchlaufzeit 2-8 Tage dauerte, nach der Umsetzung waren es noch 1-3 Tage. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit pro Auftrag sank von 40 Minuten auf durchschnittlich 20 Minuten, also auf rund 50%. Bei rund 13’000 Aufträgen pro Jahr entspricht dies einer Zeiteinsparung von jährlich circa 4’300 Arbeitsstunden oder 2,5 Vollzeitstellen. Würde das Personal abgebaut, könnten im nächsten Planjahr in den Kostenstellen Verkaufsabwicklung und Produktionsplanung insgesamt 2,5 Vollzeitstellen weniger geplant werden. Wird die freiwerdende Personalkapazität in andere Kostenstellen verschoben, müssten diese ihre Plan-Personalkosten im nächsten Planjahr entsprechend erhöhen.

Fixkostenreduktion durch Lean Management
Fixkostenreduktion durch Lean Management

Entscheidungsrelevante Kostenbegriffe

Direkte Beeinflussbarkeit sowie eindeutige und verursachungsgerechte Zuordnung der Kosten sind zentrale Voraussetzungen für richtige Entscheide.

Entscheidungsrelevante Kostenbegriffe

Management Control zu ermöglichen erfordert entscheidungsrelevante Kosten- und Erlösbegriffe. Jede Führungskraft ist darauf angewiesen, dass sie für ihren Bereich erkennen kann, welche Grössen sie direkt beeinflussen und damit auch verantworten kann. Es muss erkennbar sein, in welchem Zeitraum welche Kosten- und Erlösgrössen veränderbar sind. Schliesslich will die Führungsperson sicher sein, dass ihrem Bereich nur Kostenpositionen belastet werden, die ihm eindeutig zuweisbar sind.

Deshalb sind die Kosten im Management-Accounting-System in drei Dimensionen  abzubilden:

Beeinflussbarkeit

Welche Kostenelemente (und Beträge) kann ich in meinem Verantwortungsbereich direkt verändern und in welchen Zeiträumen?

Erfassbarkeit

Welchem Betrachtungsobjekt (Produkt, Auftrag, Projekt, Kostenstelle, Kunde) kann ein Kostenbetrag in Plan und Ist eindeutig zugeordnet werden? Dabei ist darauf zu achten, dass die eindeutige Zuordnung immer auf der hierarchisch unterst möglichen Ebene erfolgt. Dort sollen nach dem Delegationsprinzip die Entscheidungen getroffen und als Folge auch die Kosten verantwortet werden.

Kostenstruktur

Welche Kosten werden direkt durch das hergestellte oder verkaufte Produkt (oder die Dienstleistung) verursacht und welche Kosten sind die Folge von Führungsentscheiden bezüglich Grösse der Organisation, bereitgestellten Kapazitäten und Personalbeständen?

Kostenwürfel

Die drei Dimensionen der Kostenstruktur durchdringen sich gegenseitig, weshalb sie in einem Würfel abgebildet werden (vgl. den Kostenwürfel im Controller-Wörterbuch, S. 146. Dieser wurde in seiner Urform von Albrecht Deyhle entwickelt):

Entscheidungsrelevante Kostenbegriffe
Entscheidungsrelevante Kostenbegriffe, dargestellt im Kostenwürfel

Was bedeuten die entscheidungsrelevanten Kostenbegriffe für die Gestaltung des Management Accountings?

Kosten sind für diejenige Einheit zu planen, welche die Kosten auch direkt verantwortet. Personal- und die meisten Sachkosten entstehen in den Kostenstellen. Das Gleiche gilt für Abschreibungen.

Materialkosten und produktbezogene Fremdleistungen entstehen hingegen für die Produkte. Sie sind in Stücklistenpositionen abgebildet und dadurch in die Kalkulation der Artikel einzubeziehen. Dafür sind die Produktverantwortlichen zuständig. Die Kosten sind somit von Kostenstellenleitern und von Produktverantwortlichen zu planen und zu verantworten.

Für diese Führungspersonen ist es wichtig zu wissen, in welchem Zeitraum die Kosten (und die dahinterstehenden Beschaffungspreise) verändert werden können. Bei den Personalkosten (sie entstehen immer in Kostenstellen) bestimmen Anstellungen, Kündigungsfristen, ausgehandelte Löhne und Sätze für die Sozialleistungskosten, in welchem Zeitraum die Kosten veränderbar sind. Im Bereich der Material- und externen Fremdleistungskosten bestimmen Bestellmengen und die vereinbarten Vertrags- und Lieferungskonditionen.

Aus Sicht der Erfassbarkeit sind im Management Accounting sowohl im Plan als auch im Ist die Kosten (oder die Ausgabe) auf denjenigen Bereich zu kontieren, der sie direkt verantwortet. Kosten der eigenen Mitarbeiter sind für eine Fertigungskostenstelle Einzelkosten, da der jeweilige Mitarbeiter fest dort zugeteilt ist. Für die von der Kostenstelle abgewickelten Aufträge sind es Gemeinkosten, weil ein Mitarbeiter üblicherweise an verschiedenen Aufträgen arbeitet. Gleich verhält es sich mit dem Verbrauch von Hilfs- und Betriebsstoffen, externen Wartungsarbeiten oder Abschreibungen. Einzelkosten der Produkte sind die Verbräuche von Rohmaterial und Halbfabrikaten (ab Lager) sowie von extern bezogenen Fremdleistungen. Diese Positionen können eindeutig dem Auftrag zugeordnet werden.  Der Schlüssel für die managementgerechte Erfassung von Einkäufen und Verbräuchen liegt somit in der Kontierung der Belege (Lieferantenrechnungen, Lohnabrechnungen, Materialbezüge ab Lager).

Proportionale und fixe Kosten

In der dritten Dimension wird unterschieden, ob Kosten direkt durch die hergestellten und verkauften Produkt- oder Dienstleistungseinheiten verursacht werden oder durch Entscheidungen, welche die Leistungsbereitschaft einer Organisation bestimmen (Kapazitäten aller Art, Grösse der Organisation, Aus- und Weiterbildung  oder Leistungen des Managements). Erstere werden als proportionale Kosten bezeichnet, die Leistungsbereitschaftskosten heissen auch Fixkosten oder Strukturkosten.

Die proportionalen Kosten werden durch die Verkäufe und durch die Produktion bestimmt, die fixen ausnahmslos durch Managemententscheide. Ob das Vorzimmer eines Vorstandsmitglieds personell aufgestockt wird, ist genauso eine Managemententscheidung wie die Freigabe einer Verkaufsförderungsaktion, der Entscheid für einen Umbau bestehender Fabrikationseinrichtungen, die Anschaffung von Fahrzeugen für die Auslieferung oder die Einführung eines ERP-Systems. Bestimmend für die Höhe der proportionalen Kosten sind Herstellmengen, Stücklisten (dort werden die geplanten Verbrauchsmengen festgehalten), Arbeitspläne (enthalten die Planzeiten für die einzelnen Fertigungsschritte in den Kostenstellen) sowie Plan-Einstandspreise für Rohstoffe und auftragsbezogene Fremdleistungen. Im reinen Handelsbetrieb entspricht der Einstandspreis für das verkaufte Produkt den proportionalen Kosten, da ja am Produkt nichts verändert wird. Alle weiteren Kosten des Handelsbetriebs sind Strukturkosten (Fixkosten).

Um Verwirrungen vorzubeugen: Den Begriff variable Kosten haben wir durch proportionale Kosten ersetzt (vgl. Controller-Wörterbuch, S. 200), weil in Praxis und Wissenschaft oft Proportionalität mit Beeinflussbarkeit verwechselt wird. Ist die Leistung eines Mitarbeiters in einer Fertigungskostenstelle für die Produktentstehung ursächlich nötig (ist im Arbeitsplan zu erkennen), handelt es sich um proportionale Kosten. Sie kommen mit jeder gefertigten Einheit dazu. Hat derselbe Mitarbeiter mangels Aufträgen nichts zu tun, wird sein Lohn trotzdem bezahlt, wird aber zu Fixkosten (vorgehaltene, nicht genutzte Kapazität). Wie lange der Lohn trotz Unterbeschäftigung weiterbezahlt wird (Beeinflussbarkeit), ist eine Frage der Kündigungsfristen und des Managemententscheids, was mit diesem Mitarbeiter geschehen soll. Daraus ist auch zu schliessen, dass alles was nicht proportional ist, zu Fixkosten wird.

Trennscharf zwischen proportional und fix zu unterscheiden ist für die Gestaltung des Management-Control-Systems eminent wichtig. Sowohl für das Treffen operativer wie strategischer Entscheide muss bekannt sein, welche Kosten direkt durch die Produkte und deren Verkäufe verursacht werden und welche die Folge von Entscheiden zu Kapazitäten und Strukturen der Organisation sein werden.