Wo und wie nach Schwachen Signalen suchen?

Schwache Signale finden sind und sie den Planenden präsentieren.

Wo und wie nach Schwachen Signalen suchen?

Im Beitrag «Vermutete Marktentwicklungen einbinden» werden den eigenen Bestellungseingang mitbestimmende Einflussfaktoren der Marktakteure beschrieben. Die Erkenntnisse beziehen sich auf das bestehende Angebot und auf die aktuelle Konkurrenz. Ob als Folge neuer technologischer Entwicklungen neue Produkte ins Angebot kommen oder ob sich die Nachfrage der bestehenden und der potenziellen Kundschaft zu anderen Angeboten verschieben könnte, kann die Analyse der Bestelleingänge jedoch nicht beantworten.

Schwache Signale entstehen vor allem in den vier Unternehmensumwelten (technologische, ökonomische, soziale und natürliche Umwelt; vgl. den Beitrag „Management Control erfordert Umweltbezug“). Ein Schwaches Signal informiert über eine Entwicklung, welche Indikator für eine mögliche größere Veränderung sein könnte. Das Schwache Signal  wirkt sich auf die Gegenwart noch nicht messbar aus, könnte in Zukunft jedoch zu grösseren Verschiebungen im eigenen Unternehmen führen.

Weak Signals können aus verschiedenen Quellen stammen:

    • Forschungsinstitutionen (neue Technologien, Materialien, Halbfabrikate)
    • Beschaffungsmärkte mit ihren eigenen Engpässen
    • Veränderungen des Kundenverhaltens
    • Wissenschaftler, Influencer, Absatzmittler (z.B. Architekten, Ingenieure, Mediziner)
    • Anforderungen aus dem Arbeitsmarkt
    • Neue gesetzliche Vorgaben, politische Entwicklungen
    • Neue Umweltschutzvorschriften
    • Entwicklung der Konkurrenten.

Weil der potenzielle Suchbereich ist sehr umfassend ist, tut die Einschränkung der zu verfolgenden Bereiche not. Werden nur die potenziellen Auswirkungen Schwacher Signale auf die erwähnten 10 Schlüsselgrössen der Mc Kinsey-Analyse ermittelt, lässt sich der Beobachtungs- und Beurteilungsbereich stark einschränken.

Frühwarnung einrichten

Schwache Signale aus den Unternehmensumwelten zu erkennen, zu verfolgen und mit Bezug zum eigenen Unternehmen zu beurteilen erfordert

    • Arbeitszeit,
    • eine passende Aus- oder Weiterbildung,
    • den Zugang zu Informationen und Einschätzungen von Fachspezialisten,
    • Gelegenheiten, die Erkenntnisse zu (möglichen) bevorstehenden Änderungen sowohl in den strategischen als auch in den operativen Planungsprozess einzubringen.

Die Möglichkeit, sich mit Wissenschaftern, Forschenden und Fachspezialisten aus anderen Organisationen auszutauschen, ist dabei von besonderer Bedeutung. Denn die Entwicklungen finden in den unterschiedlichsten Bereichen statt und lassen sich kaum von einer einzelnen Person umfassend verfolgen.

Schwache Signale in Hinsicht auf die eigene Unternehmenszukunft zu beurteilen, ist in erster Linie eine Vorbereitung der strategischen Planung. Dort entscheiden die Unternehmensverantwortlichen mit welchen Produkten in welchen Märkten welche Positionen zu erreichen sind und welche Erfolgspotenziale dazu im Unternehmen auf- oder auszubauen sind. Organisatorisch macht es deshalb Sinn, Mitarbeitende, welche Daten zu schwachen Signalen sammeln, aufbereiten und sich dazu mit externen Spezialisten austauschen, dem Strategieplanungsbereich oder dem Controller-Service zuzuordnen.

Auch in der operativen Umsetzung können Schwache Signale dazu führen, dass Einsatzmaterialien, Herstellprozesse und Anlagen angepasst werden. Beispiele sind: Prozesse, welche durch Künstliche Intelligenz geführt werden, Ersatz bisheriger Einsatzstoffe durch umweltverträglichere, Verwendung von kollaborativen Robotern (COBOTS) in Geisterschichten.

Einige unserer Kunden haben geeignete Personen im Controllerbereich oder Strategieplaner als Zuständige für die Bearbeitung Schwacher Signale bestimmt und damit gute Erfahrungen gemacht.  Diese Personen haben den Auftrag,

    • Übersichten zu den potenziellen Auswirkungen Schwacher Signale auf das eigene Unternehmen zu erstellen,
    • zusammen mit externen Fachpersonen und mit internen Spezialisten die Schwachen Signale festzuhalten, nach ihrer Bedeutung zu qualifizieren und bezüglich ihrer potenziellen Auswirkungen zu beurteilen,
    • die für die Strategiefestlegung zuständigen Führungskräfte regelmässig zu informieren.

Die Strategien werden zunehmend «Vom Markt ins Unternehmen» entwickelt, anstatt die Vorjahresplanung fortzuschreiben .

Zu den Besten gehören

Welche Faktoren führen dazu, dass Unternehmen oder Konzerne weltweit zu den bestrentierenden gehören?

Zu den Besten gehören

Welche Faktoren führen dazu, dass Unternehmen oder Konzerne weltweit zu den bestrentierenden gehören?

Zu dieser Fragestellung haben die Mc Kinsey-Berater Bradley, Hirt und Smit von rund 2‘400 weltweit tätigen Unternehmen erhoben, wieviel Economic Profit sie über einen Zeitraum von 15 Jahren generiert haben. Diese Kennzahl sagt, etwas vereinfacht, ob das Unternehmen eine marktgerechte Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals nach Abzug der Fremdzinsen und nach Steuern generierte und damit den Unternehmenswert aus Eigentümer-/Aktionärssicht steigern konnte (vgl. auch den Beitrag „Marktgerechter Gewinn“).

Nachstehende Grafik ist so umfassend, dass wir sie unverändert aus dem Buch „Strategy Beyond the Hockey Stick“ übernommen haben (Chris Bradley, Martin Hirt, Sven Smit, 2018, S. 43).

Zu den Besten gehören
Zu den Besten gehören

Diese internationale Analyse ergab, dass 20%, also rund 480 der betrachteten Unternehmen eine höhere als marktgerechte Verzinsung realisierten, 20 % eine niedrigere und 60% (1‘440 der Unternehmen) keine nennenswerte Unternehmenswertsteigerung erzielten).

Zudem werteten die Autoren aus, dass innert 10 Jahren von den 1‘440 betrachteten Unternehmen in den Quintilen 2 – 4, 210 Unternehmen in Quintil 5 „abrutschten“ und 120 den Sprung in die Topklasse schafften

Somit gelang  es nur 8% der „Mittelklasse-Performer“ in die Topklasse zu wechseln, während 14% in Quintil V abstiegen, in welchem Unternehmenswert „vernichtet“, also aus Aktionärssicht nur eine ungenügende Verzinsung des Risikokapitals erzielt wird (Grafik ebenda, S. 78).

Marktgerechte Verzinsung
Marktgerechte Verzinsung

Da diese Erkenntnisse aus einer weltumspannenden Analyse der realen wirtschaftlichen Entwicklung Tausender Unternehmen hervorgingen, bezeichnen die 3 Autoren die diese Auswertung als Power Curve of Economic Profit (Leistungskurve des wirtschaftlichen Gewinns). Man kann auch von einem «Machtgesetz» sprechen.

Basierend auf diesem immensen Datenbestand über die Entwicklung von Unternehmen aus 127 Branchen und 62 Ländern über jeweils 15 Jahre, haben die Mac Kinsey-Autoren 40 Variablen für den Unternehmenserfolg analysiert. Sie stellten fest, dass 10 dieser Variablen oder Stellhebel die Schlüsselgrössen sind, die Unternehmensentwicklung über 10 Jahre vorauszusagen (S. 99 ff.). Diese Schlüsselgrössen sind:

Umsatz, Verschuldung, Forschung, Branchentrends, geographische Trends, Unternehmenskäufe, Ressourcenzuweisungen, Investitionen, Produktivität, Differenzierung (Übersetzung und Erläuterungen durch den Autor dieses Beitrags).

10 Stellhebel der Wertgenerierung
10 Stellhebel der Wertgenerierung

Die Schlüsselgrössen 4 und 5 sind extern bestimmte Faktoren, die Schlüsselgrössen 2,3 und 6-9 sind die Folge von Managemententscheidungen auf Ebene der Konzernleitung sowie ihrer praktischen Umsetzung. Umsatzentwicklung (1) und Wachstumsraten im Vergleich zur Konkurrenz (10) sind die Folgen der Umsetzung.

Erläuterungen:

Erzielt ein Unternehmen eine marktgerechte Verzinsung, ist also rentabel, schafft aber für seine Eigentümer kaum eine Steigerung des Aktienkurses und damit des Unternehmenswerts, wird es für die Aktionäre und potenzielle Investoren «langweilig». Das Unternehmen bewegt sich in den Quintilen II – IV und läuft das Risiko, wenn die Umsätze einbrechen, in Quintil V abzurutschen.

Solche Entwicklungen halten potenzielle Investoren davon ab, dem Unternehmen zusätzliches Eigenkapital zur Verfügung zu stellen. Dadurch hat das Unternehmen weniger Chancen, die Umsätze zu steigern und höhere Marktanteile zu erzielen. Entwickeln sich eine oder mehrere dieser zehn Schlüsselgrössen negativ, sind das Warnsignale.

Solche Warnsignale sind bedeutungsvoll, kommen aber etwas spät. Die gewichtigen Frühwarnsignale entstehen in den vier Unternehmensumwelten. Es sind technologische, marktbezogene, soziale oder ökonomische Entwicklungen, welche auf bevorstehende Veränderungen hinweisen sowie Entwicklungen in der natürlichen Umwelt (vgl. den Beitrag «Management Control erfordert Umweltbezug»).

Basierend auf den Schlüsselgrössen-Erkenntnissen der Mc Kinsey-Analyse und der daraus abgeleiteten Powerkurve (Machtgesetz) wird es möglich, den Suchprozess für schwache Signale treffsicherer zu gestalten. 10 Fragestellungen dazu (betroffene Schlüsselgrössen von oben kursiv in Klammern):

A         Welche Unternehmen erzielen in unseren bedienten Märkten schnelleres Umsatzwachstum als wir und wieso? (extern, 1,4)

B            Welche Produktgruppenumsätze wachsen in der Branche schneller als bei uns? (extern,1, 10)

C            Wie entwickeln sich die Nettoerlöse unserer Produktgruppen in verschiedenen Wirtschaftsgebieten oder Ländern? (intern,1,10)

D           Unsere bisherigen Konkurrenten haben andere Unternehmen gekauft. Was könnte das für die Entwicklung unserer bedienten Märkte bedeuten? (extern, 4,5)

E            Verschieben sich die die Anteile der Verbraucherausgaben (Endkonsumenten) in andere Produkt- oder Dienstleistungsbereiche und wenn ja, in welchen Abnehmermärkten?  (extern, 4,5)

F            Ermöglichen neue Rohstoffe oder Bearbeitungsprozesse eine kostengünstigere Herstellung? (extern, 3,4,6,9)

G           Welche technologischen Entwicklungen könnten dazu führen, unsere strategischen Absichten oder gar unseren Unternehmenszweck anzupassen? (extern, 6,7,8)

H           Ist es angebracht, unsere bisherige Ressourcenzuteilung aufgrund der erwarteten Umweltentwicklungen anzupassen? (intern, extern, 7)

I             Welche sozialen Entwicklungen haben das Potenzial, die Gewichtung der Verbraucherausgaben zu verändern? (extern, 4,5,7)

J             Wachsen die proportionalen Kosten unterproportional zu unseren Nettoerlösen und wachsen die Fixkosten langsamer als die fakturierten Umsätze? (intern, 7,8,9)

Nachhaltig erfolgreiche Unternehmen (Quintil 1) beobachten kontinuierlich die Entwicklung in den verschiedenen Umweltsphären ihrer Organisation und passen sich den Entwicklungen soweit nötig an. Das ist keine neue, aber eine überlebenswichtige Erkenntnis (vgl. das Beispiel IBM im Beitrag «Schwache Signale»). Das Verbinden der erfolgsbestimmenden Faktoren aus der Mc Kinsey-Analyse mit den Entwicklungen in den weltweiten Märkten hat den Zweck, den Fortbestand des Unternehmens zu sichern. Aus den beispielhaften Fragestellungen A – J ergibt sich die Anforderung, unternehmensextern zu erwartende Entwicklungen zu erkennen und in die eigene Planung einzubeziehen. Wer diese Analysen wann erarbeiten und kommentieren soll und wer die notwendigen Planungsentscheidungen treffen soll, ist das Thema des nächsten Beitrags.

 

 

 

Schwache Signale (Weak signals)

Schwache Signale zu erkennen und zu beurteilen, ist eine bedeutende Grundlage der strategischen Planung.

Schwache Signale (Weak signals)

Die Medien berichten täglich über neue Entwicklungen in den verschiedenen Teilumwelten eines Unternehmens. Nachrichten über neue technologische Erkenntnisse, neu angebotene Produkte oder Dienstleistungen, Nachfrageverschiebungen in den Märkten, neue Konkurrenten, neue technische und gesetzliche Vorschriften sowie sich änderndes Konsumentenverhalten könnten Einfluss auf das zukünftige eigene Geschäft und die Arbeitsplätze haben. Die Vielfalt solcher Nachrichten ist unüberblickbar.

Führungskräfte fragen sich, wie sie parallel die Ziele des operativen Geschäfts erreichen sollen und dabei keine Entwicklungen in den Unternehmensumwelten verpassen, welche sich in Zukunft auf das eigenen Geschäftsmodell auswirken könnten.

Grundmotor
Grundmotor

Der Grundmotor der Daten-, Mengen- und Wertflüsse“ zeigt, dass die Zielerreichung innerhalb des Unternehmenssystems zu erreichen ist, Informationen zur zukünftigen Positionierung des Unternehmens jedoch nur in den Teilumwelten des Unternehmens zu suchen sind. Die richtige Aussenorientierung ist für das Unternehmen überlebenswichtig. Doch keine Organisation hat die Kapazität, alle externen Nachrichten mit einem vermuteten Bezug zur eigenen Zukunft auszuwerten. Helfen kann die Idee, in den Unternehmensumwelten nach Schwachen Signalen (Weak signals) zu suchen.

Schwache Signale werden allgemein als die „…frühsten, kleinsten Signale bezeichnet, welche auf mögliche Änderungen hinweisen deren Auswirkungen jedoch noch nicht richtig erkennbar sind“ (freie Übersetzung aus P. Gomez, M. Lambertz, Leading by Weak Signals, S. 9). Ein Schwaches Signal ist zu verfolgen, wenn sein Inhalt für die Umsetzung der eigenen Strategien oder für den Fortbestand des eigenen Unternehmens wichtig werden könnte.

Mitarbeitende, Führungskräfte und Unternehmenseigner haben kaum Zeit, diese Datenflut zu bewältigen, da sie schon mit der operativen Führung vollauf beschäftigt sind. Deshalb ist zu überlegen:

    1. Was macht aus einer Nachricht ein Schwaches Signal?
    2. Wie lassen sich Schwache Signale für die eigene Organisation herausfiltern?
    3. Wer übernimmt die Datenauswertung und -aufbereitung und folgert, was intern zu beurteilen ist (Triage)?
    4. Wie werden die eigenen Spezialisten und Führungskräfte in die Beurteilung der Schwachen Signale mit Bezug zum Unternehmen eingebunden?
    5. Wer beschliesst, ob aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse strategische und operative Pläne oder gar unternehmenspolitische Grundsätze anzupassen sind?

Ad 1 und 2: Das Signal soll sich auf die Bedürfnisse der eigenen Kunden oder Interessenten, auf das Dienstleistungs- oder Produktsortiment des Unternehmens oder gar auf die grundsätzliche Überlebensfähigkeit des Unternehmens beziehen. Neu angebotene Dienstleistungen oder Produkte könnten das eigene Angebot obsolet werden lassen oder mindestens konkurrenzieren. Das Knowhow der eigenen Mitarbeitenden könnte nicht mehr genügen, die sich ändernde Nachfrage zu befriedigen. Die Möglichkeiten, Rohstoffe und Dienstleistungen für die Herstellung der eigenen Produkte und Dienstleistungen zu beschaffen, könnten eingeschränkt werden oder die Einstandspreise steigen massiv. Gesetzliche Regelungen oder politische Entwicklungen könnten den Absatz der eigenen Produkte be- oder verhindern. Schliesslich können auch Verhaltensänderungen in der sozialen Umwelt schwache Signale sein, beispielsweise dann wenn Freizeit höher gewichtet wird als das verfügbare Einkommen.

Ad 3 und 4: Wer hauptsächlich mit Herstellung, Vertrieb und Kundenbetreuung beschäftigt ist, hat kaum Zeit, sich um potenzielle Veränderungen in der Unternehmensumwelt zu kümmern. Für die Beobachtung von Umweltveränderungen und die Klassifizierung ihrer potenziellen Auswirkungen sind personelle Kapazitäten aufzubauen (eigene und/oder extern Beauftragte). Sie sollen, vorzugsweise vor der Überarbeitung der strategischen Planung, die festgestellten schwachen Signale den Planenden erläutern, damit diese sie in ihre Planungsüberlegungen einfliessen lassen können.

Ad. 5: Die Beurteilung Schwacher Signale führt zu Handlungsbedarf und damit zu Arbeitseinsatz und zu zusätzlichen Ausgaben. Die dafür notwendigen Ressourcen (vor allem Personal und Geld) müssen die Unternehmensleitung und die Eigentümer bewilligen, da die nachgelagerten Bereiche dafür nicht die Verantwortung übernehmen wollen und können.

Zur Sicherung des erfolgreichen Fortbestands eines Unternehmens ist durch die Führung zu entscheiden, ob die strategischen und operativen Pläne aufgrund von „Schwachen Signalen“ anzupassen sind oder ob gar der Unternehmenszweck zu ändern ist.

Nachhaltiger Erfolg, Frühwarnung und Schwache Signale

Unternehmen mit Zukunft sollen resilient sein. Sie müssen fähig sein, Belastungen und Krisen sowie neue Herausforderungen zu meistern, um sich gesund fortentwickeln zu können. Das gelingt dann, wenn das Unternehmen sein Angebot den zukünftigen Anforderungen des Marktes rechtzeitig anpasst. Denn die Märkte und damit die Nachfrage ändern sich ständig. Die heute erfolgreich verkauften Produkte und Dienstleistungen verlieren ihre Marktposition, weil andere Unternehmen neue, für die potenziellen Kunden erfolgversprechendere Angebote auf den Markt bringen. Als Folge sinken die eigenen Umsätze und die Deckungsbeiträge, die Gewinne schmelzen ab und das bisher für den Erfolg relevante Personal sucht bessere Arbeitsplätze.

Schwache Signale in den Unternehmensumwelten sollen dazu führen, bevorstehende Änderungen festzustellen, bevor sie eintreten.  Denn die Organisation braucht Zeit, sich an bevorstehende Änderungen anzupassen.

Schwache Signale, vor allem aus Technologie, Absatz- und Beschaffungsmärkten sowie aus der sozialen Umwelt, geben Hinweise, welche Entwicklungen zeitnah zu beobachten sind. Um die Erfassung und Analyse schwacher Signale nicht ausufern zu lassen und zu einer Paralyse durch Analyse zu führen, ist der Suchbereich einzugrenzen.

Die IBM Corporation beobachtet seit ihrer Gründung 1911 kontinuierlich Schwache Signale, entwickelt dafür neue Produte und Applikationen und hat die Marktbearbeitung mehrfach umgekrempelt. Details können in Wikipedia unter https://de.wikipedia.org/wiki/IBM#Geschichte nachvollzogen werden.

Zu Beginn der 80er-Jahre hat der Verfasser dieses Beitrags dort noch gelernt, Lochkarten zu stanzen, Vorläufer von Tabellenkalkulationen zu programmieren und die verfügbaren Systeme auch zu verkaufen. Seither hat sich das Unternehmen IBM mindestens viermal komplett neu erfunden. Midrange Computer, Personal Computer, Drucker und andere Peripheriegeräte sind Geschäftsbereiche, die IBM vor Jahren verkauft hat, als sie noch erkleckliche Gewinne generierten. Aktuell ist IBM ganz vorne im Cloud Computing, in Blockchain-Technologie und Datensicherheit, in künstlicher Intelligenz und in der Beratung dabei. Der Aktienkurs stand 1994 bei rund 14$, Ende 2023 bei 170 $.

Aus der Hubschrauber-Perspektive erscheint es so, dass IBM kontinuierlich eine Produkt- oder Markt-Lebenskurve an die nächste gereiht hat. Wenn die Wachstumskurve immer noch nach oben zeigte, die Wachstumsraten aber zu sinken begannen, begannen sie jeweils neue Märkte mit neuen Technologien zu erobern. Um das Bargeld für den Aufbau der neuen Geschäftsfelder zu beschaffen, haben sie finanziell (noch) erfolgreiche Unternehmensteile verkauft, um die Liquidität in neue Geschäftsfelder investieren zu können.

Empirische Untersuchungen der Mc Kinsey-Berater Bradley, Hirt und Smit belegen, dass die geschilderte Vorgehensweise, Lebenskurven aneinander zu reihen, eine probate Idee für die Erzielung nachhaltigen Wachstums ist. Peter Gomez und Mark Lambertz zeigen, wie durch Analyse vorauseilender Kenngrössen (Leading Indicators) die Suche nach geeigneten Schwachen Signalen für das eigene Unternehmen fokussiert werden kann.

 

 

Viable System Model oder Integriertes Managementsystem?

Lebensfähigkeit und ganzheitliches Management

Viable System Model oder Integriertes Managementsystem?

Zwischen dem lebensfähigen System VSM und dem integrierten Managementsystem IMS bestehen viele Gemeinsamkeiten. Das ist nicht erstaunlich, haben doch St. Beer, H. Ulrich, F. Malik und M. Pfiffner zusammengearbeitet (vgl. Literaturnachweise).

    • Das VSM zeigt, wie Prozesse und Strukturen zu gestalten sind, damit die Organisation trotz ständiger Änderungen in der Um- und in der Inwelt lebensfähig wird und bleibt.
    • Das IMS zeigt die notwendigen und hinreichenden Teilaufgaben einer lebensfähigen Unternehmensführung und mit den Pfeilen die Abhängigkeiten zwischen den Führungsaufgaben. Die persönlichen Jahresziele der Führungskräfte und der einzelnen Mitarbeitenden bilden das Zentrum der Darstellung, weil sie aus der Planung hervorgehen und unterjährig zu erreichen sind. Der schräge Pfeil von der Unternehmenspolitik zu den individuellen Ergebnissen verdeutlicht den Gesamtzusammenhang (vgl. die gleiche Abbildung im Beitrag „Masterplan für Integrierte Planung und Steuerung“).

Werden das VSM und die linke Hälfte des IMS einander gegenübergestellt, ist zu erkennen, dass die Systeme 1 – 5 jeweils ihre korrespondierenden Arbeits- und Führungsbereiche im IMS haben (die Teilsystemnummern des VSM sind in den Kästchen des IMS aufgeführt).

Viable System Model oder Integriertes Managementsystem?
Viable System Model oder Integriertes Managementsystem?

Das VSM operiert auf einem höheren Abstraktionsgrad als das IMS, weil in ihm die für die Lebensfähigkeit notwendigen Systeme zusammen mit ihren Rekursivitäten im Vordergrund stehen. Das IMS konzentriert sich auf die wahrzunehmenden (Aus-)Führungsaufgaben und auf die Dateninhalte, welche zwecks ganzheitlicher Führung zwischen den Teilfunktionen auszutauschen sind.

Beide Systeme zeigen keine Köpfe und keine Abteilungen, sondern Aufgabengruppen und die inhaltlichen Beziehungen zwischen ihnen. Ziele, als zu erreichende Resultate vereinbart, sind im VSM implizit enthalten. Im IMS bilden sie das Zentrum der gesamten Führungssystematik. Mit Funktionendiagrammen lässt sich die Verbindung zwischen Aufgaben, Zielen und den für die Umsetzung verantwortlichen Einzelpersonen schaffen.

Sind mehrere Personen und mehrere Abteilungen an der Umsetzung einer Aufgabe beteiligt, erfordert die gegenseitige Abstimmung von Zielen, Inhalten und Terminen eine umfassende Ablaufplanung. Das gilt auch für Projekte.

Steht z.B. die Einführung oder Erneuerung einer umfassenden ERP-Software an, sind fast alle Abteilungen eines Unternehmens oder gar eines Konzerns beteiligt. Die Orientierung am IMS und am VSM hilft, möglichst alle Aspekte der Systemeinrichtung und der vorgesehenen Anwendungen im Auge zu behalten. Die detaillierte Planung und Steuerung des Projekts ist jedoch unumgänglich.

Fazit

Ganzheitliche Unternehmensführung muss sich an den bestimmenden Merkmalen lebensfähiger Systeme orientieren. Dabei hilft das Integrierte Management System, die Aufgaben und die gegenseitigen Abhängigkeiten zielorientiert zu planen und zu steuern und die Verantwortlichkeit zu personalisieren.

Rekursivität und Hüte

Jede Führungskraft muss ihrem Kopf den zur aktuellen Entscheidungssituation passenden Hut aufsetzen.

Rekursivität und Hüte

Im Samen jedes Weizenkorns ist der gesamte Bauplan für die Entstehung einer neuen Weizenpflanze enthalten. Der Same „weiss“, wie er sich entwickeln muss, damit aus ihm eine gesunde neue Pflanze wird. Auch bei Tieren und Menschen ist dieser Entwicklungspfad schon im Erbgut angelegt. Kybernetisch ausgedrückt bedeutet dies: „Jedes lebensfähige System ist eingebettet in ein lebensfähiges System und besteht selbst aus lebensfähigen Systemen (Pfiffner, S.345). Mit anderen Worten repetiert sich die gleiche Steuerungsstruktur im verschachtelten System immer wieder (ebenda, S. 113).

Das Kind lernt, dass es seine Operationen (System 1), z.B. Lernen und Spielen, erfüllen und koordinieren muss (System 2) und gleichzeitig die Anforderungen des Familiensystems Eltern und Geschwister, ev. Verwandte, berücksichtigen muss (System 3). In der Adoleszenz beginnt es, weitere Aspekte des Lebens zu erkunden und zu beurteilen (System 4). Das führt dazu, dass es seine eigene Identität (System 5) zu definieren beginnt und eigene Werte als massgeblich erkennt, was wiederum zur Folge hat, dass sich die Zwecke seiner Operationen (1) ändern. Sein System 5 wird eigenständig, ist jedoch immer noch mit demjenigen des übergreifenden Systems 5 (Familie) verbunden (Rekursivität).

Auf Unternehmensführung angewandt bedeutet dies, dass Organisationsteile sehr wohl ihre eigenen Interessen in ihren Systemen 1 – 3 verfolgen können und müssen, ihre Zweckerfüllung jedoch immer von Ihrem Beitrag zur Erfüllung des Gesamtzwecks der übergeordneten Einheit abhängig ist. Zudem kann ihr Zweck als Folge neuer Erkenntnisse im System 4 angepasst werden.

Es ergibt sich, dass sich die Systeme 1 – 5 in jedem Teilunternehmen wieder finden, das Gesamtsystem also rekursiv ist. Die Systemkomplexität wird so ausführungsnah wie möglich beherrscht, was die Systeme 3 – 5 der Gesamtorganisation entlastet (vgl. Pfiffner, S. 117).

Rekursivität und Hüte
Rekursive Informationsfüsse im System 1a

Denken in verschiedenen Dimensionen

Jede verantwortliche Person in einem Unternehmen hat nur einen Kopf. Diesen kann sie jedoch zum Denken in verschiedenen Dimensionen einsetzen:

    • Im Vordergrund steht der Erfolg der von mir geleiteten Organisationseinheit
    • Das Interesse des Gesamtunternehmens steht im Vordergrund
    • Die Anforderungen anderer Unternehmensbereiche stehen im Vordergrund.

Wir empfehlen Führungskräften aller hierarchischen Positionen beim Entscheiden immer zu überlegen, welchen „Hut“ sie aktuell auf ihrem Kopf tragen.

Denn die gleiche Person kann sowohl Leiterin ihres Systems 1 (operative Umsetzung) als auch gleichzeitig Mitglied des operativen Managements (System 3) sein. Abhängig von der aktuell zu treffenden Entscheidung trägt sie den Hut als Mitglied des operativen Managements ihrer übergreifenden Organisation oder denjenigen des Organisationsteils, den sie direkt verantwortet. Ist eine Entscheidung für das Gesamtsystem zu treffen, sind sowohl intern als auch extern andere Informationen zu beachten, als wenn die Entscheidung ihren eigenen Bereich betrifft.

Die Fähigkeit der Führungskräfte, die Bedürfnisse ihres eigenen Bereichs mit denjenigen des gesamten Unternehmens in Übereinstimmung zu bringen, ist unseres Erachten die wichtigste Voraussetzung für nachhaltigen Erfolg.

„Lebensfähigkeit enthält Adaption und Fortschritt, aber auch Robustheit gegenüber Schocks von aussen oder von innen. Das Viable System Model geht über das modern gewordene Gewinnmaximierungsdenken hinaus und ist deshalb gleichermassen interessant für Wirtschaftsunternehmen, wie auch für Verwaltungsunternehmen, Non-Governmental Organizations oder für jede andere Art von Institution, die eine Organisationsstruktur braucht (Pfiffner, S. 31).“

Lebensfähige Systeme

Elemente, Steuerungsachsen und das Prinzip für die Gestaltung eines Viable Systems.

Lebensfähige Systeme

Lebensfähige Systeme (Viable Systems) sind Menschen, Tiere oder Pflanzen. Sie entwickeln sich und pflanzen sich fort oder sie verschwinden, wenn sie ihren Zweck nicht mehr erfüllen. Veränderungen in ihrer Umwelt können dazu führen, dass sich ihr Bestehenszweck ebenso ändert. Folglich müssen sich Lebewesen an neue Gegebenheiten anpassen, soll ihre Art nicht verschwinden.

Auch Unternehmen oder öffentlich-rechtliche Organisationen sind als lebensfähige Systeme zu betrachten. Denn sie werden alle dazu betrieben, einen oder mehrere Zwecke zu erfüllen. Jede Führungsperson muss in ihrem Verantwortungsbereich dafür sorgen, dass die geleistete Arbeit auf Zweckerfüllung ausgerichtet ist.

Mit seinem Modell des lebensfähigen Systems (Viable System Model VSM, Beer, Brain of the Firm, S. 130 ff.) zeigt Stafford Beer, wie Prozesse und Strukturen zu gestalten sind, damit die Komplexität der Unternehmensführung gemeistert werden kann (vgl. Pfiffner, S. 9). „Der gemeinsame Nenner aller Organisationen liegt weder in ihrer Grösse, ihrem Charakter, nicht in ihrer Branche, und schon gar nicht in ideologischen Fragen, sondern in ihrer Komplexität. Von dieser Frage sind alle Unternehmen gleichermassen betroffen, denn Komplexität und Information sind das Kernthema und die Substanz modernen Managements “ (Pfiffner, S. 11).

Weil Management Control für die Gesamtheit der Führungsaufgaben zur Umsetzung und Verfolgung von Entscheidungen steht, sollte das VSM auch Grundlage für den Aufbau von Management-Control-Systemen sein.

Beer belegt, dass zur Erreichung der Lebensfähigkeit im Nervensystem eines Lebewesens (inklusive Hirn) fünf Elemente, zwei Steuerungsachsen und das Prinzip der Zellteilung notwendig und hinreichend sind (vgl. Pfiffner, S. 79-81). Diese Struktur kann auch auf Unternehmen, öffentliche Organisationen oder ganze Länder übertragen werden. Sie ist, wie zu zeigen sein wird, invariant und rekursiv.

Im Viable System Model wird das Gesamtunternehmen in seiner Umwelt (Amöbenform) dargestellt. Die beiden operativen Einheiten A und B, z.B. Tochtergesellschaften oder Werke, erfüllen selbstgesteuert ihren Zweck. Sie werden von ihrem lokalen Management geführt und kommunizieren mit den für sie relevanten Teilen der Umwelt, welche sich ihrerseits ständig verändern. Auf Lebewesen bezogen könnten das die Leber und die Nieren sein.

Lebensfähige Systeme
Lebensfähige Systeme

Damit sich die operativen Teilsysteme A und B koordinieren können, z.B. weil sie gemeinsam eine Maschine nutzen oder einen Fuhrpark, bedarf es des Selbst-Koordinationssystems 2.

Das System 3 sorgt für die Optimierung des bestehenden Geschäfts. Wie können wir als Gesamtheit Synergien nutzen und dadurch erfolgreicher werden? Wie lassen sich Differenzen zwischen den Operationen A und B regeln, wenn die Managements von A und B sich nicht einigen können? Das ist die operative Führung des Gesamtsystems. Oft steht sie unter der Leitung eines COO (Chief Operating Officer).

Die senkrechten doppelseitigen Pfeile repräsentieren die Kommunikation zwischen den Systemen 1 und 3. Hier geht es einerseits um die Rechenschaftspflicht der Führungspersonen der Systeme 1 (nicht nur finanziell), um die Festlegung von operativen Zielen, Budgets und Verantwortlichkeiten für die verfügbaren Ressourcen, sowie um Spielregeln (Resource Bargain and Accountability).  Andererseits können Umweltentwicklungen dazu führen, dass in der gesamten Organisation dringende Änderungen umzusetzen sind, die in den bisherigen Vereinbarungen nicht vorgesehen waren, jedoch für die Überlebensfähigkeit unumgänglich erscheinen. Solche „Corporate Interventions“ dürfen nur im Notfall erfolgen, da sonst die komplette Planung und Steuerung von den Verantwortlichen für die Systeme 1 an das System 3 „zurückdelegiert“ wird.

In den folgenden Darstellungen werden aus diesem Grund der direkte Interventionskanal und der Ressourcen- und Verhandlungskanal getrennt dargestellt (senkrechte Pfeile).

Das System 3* dient der unabhängigen und ungefilterten Information. Diese Aufgabe übernimmt zum Teil die Interne Revision, indem sie Buchhaltungen prüft und dokumentiert, ob gesetzliche (Compliance) oder interne Vorschriften eingehalten werden. Mindestens ebenso wichtig sind Direktinformationen, welche sich Führungskräfte der Systeme 3 und 5 durch Gespräche mit Mitarbeitenden aller Bereiche und Stufen einholen oder Informationen, die durch „Mistery Shopping“ sowie durch Umfragen bei Kunden entstehen. Sollen solche Informationen zu Umsetzungshandlungen führen, müssen diese durch Vertreter der Systeme 1 und 3 angeordnet werden, weil sie die Realisierungsverantwortung tragen.

Die Systeme 1 – 3 und 3* kümmern sich, um mit Stafford Beer zu sprechen, um das „Inside and now“ (vgl. Beer, Diagnosing the System, S. 111), also um den insgesamt erfolgreichen Betrieb der bestehenden Geschäfte in ihrer aktuellen Umwelt.

Veränderungen in den Unternehmensumwelten (vgl. den Beitrag  Management Control erfordert Umweltbezug) führen jedoch oft dazu, dass andere als die bisherigen externen Einflussfaktoren für den zukünftigen Erfolg des Unternehmens bestimmend werden:

    • Bestehende Märkte verschwinden, neue entstehen
    • Konsumenten fragen neue Produkte nach oder wollen andere Dienstleistungen
    • Andere Fähigkeiten und Kenntnisse der Mitarbeitenden werden wichtig
    • Neue Kommunikationsprozesse entstehen und die Arbeitszeit „vor Ort“ nimmt ab
    • Rohstoffe oder Produktionsverfahren werden „geächtet“
    • Neue Materialien oder Prozesse werden massgeblich
    • Neue Technologien beginnen sich durzusetzen
    • Gesetzliche Änderungen erfordern in den Systemen 1 – 3 Anpassungen.

Das Unternehmen muss folglich Frühwarnung (Aufklärung) betreiben, damit es feststellen kann, ob es in den Systemen 1 neue Angebote entwickeln oder gar den Unternehmenszweck (System 5) anpassen muss.

Das ist, wiederum nach Stafford Beer (ebenda, S.111), das Thema des „Outside and then“. Es folgt der Frage, wie das bestehende Unternehmen anzupassen ist, damit es auch in Zukunft lebensfähig bleibt. Frühwarnung ist die Aufgabe des Systems 4.

Das System 5 schliesslich stiftet die Identität des Unternehmens. Der Unternehmenszweck wird festgehalten und in der Unternehmenspolitik werden die Leitplanken für die Strategiefindung und das operative Management definiert. Dazu muss System 5 die Informationen und Absichten der Systeme 3 und 4 ausbalancieren und, wenn keine argumentative Einigung erzielt wird, abschliessende Entscheide treffen. Denn das System 5 trägt auch die Verantwortung für die Zielerreichung des Gesamtunternehmens gegenüber seinen Eigentümern.

Zur vertieften Beschreibung der in den Pfeilen auszutauschenden Informationen werden in der nächsten Abbildung die Umwelt und die Inwelt der Organisation getrennt dargestellt und noch fehlende Beziehungen dazu gefügt:

    • Vom System 5 (Identität) ziehen sich die Informationskanäle bis zu den umsetzenden 1-er-Systemen durch. Der Resource Bargain and Accountability-Kanal bezieht sich wie erwähnt auf Ziele, Budgets und Ressourcenverfügbarkeit sowie auf die Rechenschafspflicht der Beauftragten. Der Corporate Intervention-Kanal wird nur verwendet, wenn zwischen den nachgelagerten Systemen keine Einigung erreicht wird oder wenn dringliche Umweltveränderungen sofortige Handlungen erfordern.
    • Die beiden halbrunden schwarzen Pfeile stehen für die Balance zwischen Investitionen (inhaltlich und finanziell) in die Unternehmenszukunft und Erhaltung der Lebensfähigkeit der bestehenden Systeme 1.
    • Die Doppel-Wellenlinien kennzeichnen Abhängigkeiten zwischen operativen Teilsystemen. Das sind z.B. gemeinsam benutzte Anlagen und Einrichtungen oder Mitarbeitende, die in mehreren Operationen im Einsatz sind. Die Koordination dieser Einsätze erfolgt im System 2.
Systeme 1-5 und ihre Umwelten
Systeme 1-5 und ihre Umwelten

Die beiden operativen Systeme beobachten jeweils denjenigen Teil der Gesamtumwelt, der aus ihrer operativen Sicht massgeblich ist. Überschneidungen der Teilumwelten kommen oft vor, z.B. wenn Kunden bei beiden Operationen kaufen, gleiche Lieferanten zum Zuge kommen oder sich potenzielle Mitarbeitende bei beiden Operationen bewerben.

Auch die Teilumwelt für die Beobachtung des „Outside and then“  kann sich mit den aktuellen Teilumwelten der Operationen überschneiden. Der Fokus im System 4 muss jedoch in erster Linie auf das Erkennen potenziell relevanter neuer Entwicklungen liegen (vgl. den Beitrag „Schwache Signale“).

Ein lebensfähiges System besteht aus 5 Elementen, 2 Steuerungsachsen und einem Prinzip. Die fünf Elemente und die beiden Steuerungsachsen sind in den Darstellungen oben enthalten. Das Prinzip heisst Rekursivität und ist Thema des nächsten Beitrags.

Der Barwert der Strategie

Welche Daten sind zur Barwertberechnung erforderlich und welche Erkenntnisse lassen sich gewinnen?

Der Barwert der Strategie

Zur Beurteilung der finanziellen Auswirkungen des Strategie-Umsetzungsprojekts ist die dynamische Investitionsrechnung das geeignete Instrument. Denn sie bezieht den gesamten Zeithorizont der Strategie ein und berücksichtigt nicht nur die erwarteten Nettoerlöse, Kosten und Investitionen im jeweiligen Entstehungsjahr, sondern auch die Entwicklung der Bilanzpositionen.

Aus der Deckungsbeitragsrechnung im Beitrag «Strategisches Umsetzungsprojekt quantifizieren» werden die stückabhängigen DB I für jedes Jahr in die Investitionsrechnung übernommen. Sie repräsentieren die jährlich erwarteten Geldzuflüsse vom Markt (Zeilen 1 – 8).

Davon sind die erwarteten Geldabflüsse für zusätzliche Fixkosten gemäss den Angaben im Beitrag «Umsetzungsprojekt quantifizieren» abzuziehen (Zeilen 10 bis 12). Es verbleibt für jedes Planjahr der Cash Flow before Interest and Taxes (CFBIT, Zeile 13). Dieser Geldrückfluss dient zuerst der Bezahlung der Nettoinvestitionen in die Bilanz des Unternehmens. Der verbleibende Rest gehört zum Gewinn vor Abzug von Steuern und Zinsen (EBIT).

Dynamische Investitionsrechnung Buchstützen

Veränderung der Bilanzpositionen

Eine Strategie wirkt sich auf das investierte Vermögen und damit auch auf die Bilanzpositionen aus:

    • Umsatzwachstum führt automatisch zur Zunahme der Forderungsbestände (Debitoren). Bezahlen die Kunden ihre Rechnungen durchschnittlich nach 30 Tagen, ist 1/12 des Umsatzes noch nicht auf dem Bankkonto und steht noch nicht für die Bezahlung von Löhnen und Einkäufen zur Verfügung (Berechnung in Zeile 14).
    • Zur termingerechten Kundenbelieferung ist immer ein genügender Lagerbestand an fertigen Buchstützen BS erforderlich. Im Unternehmen soll jederzeit der geschätzte Buchstützenbedarf für 30 Tage am Lager verfügbar sein. Steigt der Absatz, muss deshalb auch das im Fertigwarenlager gebundene Vermögen zunehmen (Zeilen 15 und 16). Die Frontlaschen-Buchstützen  werden erst nach Bestellung hergestellt. Sie haben folglich keinen Lagerbestand.
    • Die Halb- und Fertigfabrikatebestände werden nur zu proportionalen Herstellkosten bewertet. Denn die Kostenstellen-Fixkosten sind in den Zeilen 10 + 11 enthalten, vgl. den Beitrag „Kostenspaltung„.
    • Um termingerecht produzieren zu können, steigen auch die notwendigen Rohmaterial- und Halbfabrikatebestände. Auch diese binden Vermögen, werden jedoch in diesem Beispiel vernachlässigt.
    • Sinngemäss führen zunehmende Einkäufe zu höheren Kreditorenbeständen. Werden die Lieferanten jeweils innert 30 Tagen bezahlt, belastet ein Einkauf das Bankkonto ebenfalls erst 30 Tage später (Zeile 17, im Beispiel jedoch nicht ausgefüllt).
    • Erfordert eine Strategie Investitionen ins Anlagevermögen, vermindert deren Bezahlung den Bankkontobestand oder erhöht die Bankschulden. Die für die Strategierealisierung notwendigen Investitionen wurden im Beitrag «Umsetzungsprojekt quantifizieren» gelistet und werden in Zeile 18 im Planjahr der Investition ausgewiesen.

In Zeile 21 werden alle Geldflüsse aus der Operation (Zeilen 1 – 13) sowie aus Investitionen und Devestitionen (Zeilen 14 – 20) zusammengefasst. So wird ersichtlich, welche absoluten Geldzu- und -abflüsse die Strategie während ihrer Lebenszeit hervorbringen sollte. In den Jahren 0 (Beginn der Strategieumsetzung), 6 und 7 sind Geldabflüsse zu erwarten. In den anderen Jahren sollten positive Geldrückflüsse entstehen.

Ist die Rendite marktgerecht?

Leihen Privatpersonen oder Unternehmen Anderen einen Geldbetrag, erwarten sie üblicherweise, dass sie diesen Betrag wieder zurückerhalten werden und dass sie für das ausgeliehene Geld zusätzlich einen Zins erhalten. Damit stellt sich automatisch die Frage, welcher Zinssatz das Risiko der Ausleihung richtig abdeckt.

Weil die Quantifizierung der Risiken der Geldausleihe die ganze Welt beschäftigt, werden jährlich statistische Analysen zur Bestimmung des risikogewichteten Kapitalkostensatzes (Weighted Average Cost of Capital WACC) für verschiedene Branchen in vielen Ländern durchgeführt. Diese Analysen mit Daten aus dem Jahr 2013 haben wir im Buch 360°-Management ab Seite 243 zusammengefasst und sowohl länder- als auch branchenspezifisch ausgewertet. Für ein «Durchschnittsunternehmen» in Deutschland ergab sich ein Ziel-ROCE (Return on Capital Employed) von 10%, für Österreich von 9.5% und für die Schweiz ein Ziel-ROCE von 6.5%. Im Jahr 2023 ergaben sich in etwa die gleichen Prozentsätze. Die Differenz zwischen Deutschland/Österreich und der Schweiz ist zur Hauptsache darauf zurückzuführen, dass in der Schweiz die Marktrisikoprämie und der aktuelle Gewinnsteuersatz markant tiefer sind.

Wird für die Hingucker-Buchstützen GmbH ein WACC von 10% angenommen, bedeutet das, dass die erwarteten Geldrückflüsse aus dem Strategieprojekt auf den Entscheidungszeitpunkt (Ende Jahr 0) abzuzinsen sind:

Barwert der Strategie

Anmerkungen:

    • Der Geldabfluss für die Investitionen des Jahres 0 ist schon barwertig, weil er zu Beginn der Strategieumsetzung zu bezahlen ist (Barwertfaktor = 1).
    • Der Geldrückfluss von 81’120 am Ende des Jahres 1 hat zum Entscheidungszeitpunkt einen Barwert von 73’827 (Barwertfaktor = 0.909), weil das Geld erst ein Jahr später eintrifft. Wird dieser Barwert von den 150’000 Initialinvestition subtrahiert, resultiert der Barwertsaldo der Strategie am Ende des Jahres 1 von -76’173.
    • Die Geldflüsse der folgenden Jahre werden ebenso mit dem Zinssatz von 10% abgezinst und in Zeile 23 kumuliert.
    • Zu Beginn des Jahres 4 wird der kumulierte Barwertsaldo > 0 (Zeile 22). Das bedeutet, dass die bisherigen Investitionsbeträge zurückbezahlt und verzinst sind.
    • Die Nettoerlöse und die Deckungsbeiträge werden ab Jahr 5 geringer. Die Lebenskurve der Frontlaschen-Buchstützen kommt langsam an ihr Ende. Trotzdem werden bis Jahr 5 noch positive Geldrückflüsse realisiert. Das stimmt mit der Erfahrung vieler Unternehmen überein, dass mit den Geldrückflüssen der Produkte in der Cash Cow- und in der Poor-Dog-Phase das Geld zur Finanzierung der Question-Marks verdient wird (Vgl. den Beitrag «Produkt-Lebenszyklus bewerten»).
    • In den Jahren 6 und 7 nimmt der kumulierte Barwert wieder ab und entwickelt sich negativ. Wie Zeile 9 in der kompletten Investitionsrechnung zeigt, können zwar noch erkleckliche DB I generiert werden. Es wird folglich im Jahr 5 zu überlegen sein, wie die Fixkosten der Strategie (Zeilen 10 und 11) rechtzeitig abgebaut werden können, z.B. durch Beschäftigung  des Buchstützen-Personals in Kostenstellen, welche dannzumal ungedeckten Personalbedarf haben werden.

Mit der Excel-Funktion «IKV» kann der Interne Zinsfuss der Jahresgeldflüsse der Strategie berechnet werden (17.7%). Dieser ist zu beachten, wenn mehrere strategische Ideen um verfügbare Investitionsmittel kämpfen.

Fazit zur Strategiequantifzierung:

Es lohnt sich, strategische Projekte schon im Planungsstadium und damit vor der definitiven Entscheidungsfindung zu quantifizieren. Dazu sind erzielbare zusätzliche Nettoerlöse, zu erwartende proportionale Herstellkosten und Veränderungen im Fixkostenbereich zu berücksichtigen.  Die stufenweise Deckungsbeitragsrechnung in Kombination mit der dynamischen Investitionsrechnung ermöglicht diese Erkenntnisse, bevor die Budgets freigegeben werden.

Laden Sie das komplette Investitionsrechenmodell als Excel-Modell hier herunter und passen Sie es Ihren eigenen Bedürfnissen an.

Strategieumsetzungsprojekt kalkulieren

Ein Strategieumsetzungsprojekt kalkulieren bedeutet, Mengen, Leistungen, Werte und Geldflüsse zu schätzen, um den erwarteten Gewinn einer mehrjährigen Strategie zu berechnen.

Strategieumsetzungsprojekt kalkulieren

Eine Produkt-Markt-Strategie soll helfen, den Unternehmenswert zu steigern. Die Berechnungen im Beitrag «Strategieentwurf quantifizieren» sind für den Strategieentscheid nicht ausreichend, weil

    • die Mengen- und Nettoerlösschätzung pro Verkaufsgebiet und Artikel für den beabsichtigten Strategiezeitraum noch fehlt,
    • Angaben zu proportionalen Material- und Fremdleistungskosten der neu anzubietenden Produkte oder Dienstleistungen fehlen (Stücklisten der zu beurteilenden Artikel),
    • für die neuen Produkte noch nicht festgelegt ist, in welchen Kostenstellen welche stückbezogenen Bearbeitungsschritte auszuführen sein werden (Arbeitsplan pro neue Dienstleistung oder neues Produkt),
    • noch offen ist, welche zusätzlichen fixen Kosten für die Leistungsbereitschaft der Verkaufs-, Fertigungs- und Supportbereiche erforderlich sein werden (Kostenstellenpläne),
    • welche Investitionen in Gebäude, Anlagen, Fuhrpark oder Rechte und Lizenzen notwendig sein werden.

Die dazu notwendigen Datengrundlagen werden vorzugsweise im ERP-System und in der Kosten-, Leistungs-, Erlös- und Ergebnisrechnung (KLEER) erstellt, weil die Datenstrukturen und die Vergangenheitswerte dort schon vorhanden sind:

    • Sind Kunden, Artikel, Absatzmengen, Preise und Erlösschmälerungen sowie Stücklisten und Arbeitspläne im ERP-System hinterlegt, können in diesen Datenstrukturen auch die neuen Produkte angelegt werden.
    • Die KLEER führt die Kostenstellenpläne mit den personellen und maschinellen Kapazitäten, den proportionalen Kostensätzen und den Fixkostenblöcken. Damit können die proportionalen Fertigungskosten der neuen Produkte oder Dienstleistungen kalkuliert werden.

Die entscheidenden Führungskräfte müssen auf diese Datenbasis bauen können, weil sie für den Strategieerfolg die Verantwortung tragen werden.

Die Vorgehensschritte zur Quantifizierung des Umsetzungsprojekts einer Strategie werden im nachstehenden Beispiel erarbeitet. Es ist zu zeigen, ob die Herstellung und der Verkauf individualisierter Buchstützen für private oder öffentliche Bibliotheken den Unternehmenswert steigern kann.

Buchstützen mit individualisierter Frontlasche

Frontlaschen-Buchstütze
Frontlaschen-Buchstütze
Vorgesehener Herstellungsprozess

Ausgangsmaterial für die Standard-Buchstützen sind 1mm-dicke und 12 cm breite Stahlrollen (Coils). Aus den Rollen werden 24 cm lange Bleche gewalzt und gestanzt und zu einer 12 cm breiten und 12 cm hohen Buchstütze gebogen.  Die Buchstützen werden anschliessend schwarz, weiss oder rot lackiert und einzeln in eine durchsichtige Schutzfolie verpackt.

Für die vorgesehene Frontlaschen-Buchstütze sind 18 cm breite Stahlcoils erforderlich, weil die Frontlasche 6 cm hoch und 12 cm breit sein soll. Beim Stanzen einer Frontlaschen-Buchstütze wird pro Stück Blechabfall von 6 mal 12 cm entstehen. Der Coil-Lieferant kann diese recyclen.

Die zu lackierende Fläche steigt gegenüber der Standardversion pro Stück um 12 x 6 cm, also um 25%. Die Frontlaschen-Buchstütze kann auf den bestehenden Anlagen gestanzt, lackiert und verpackt werden.

Die Frontlasche wird mittels einer vom Kunden elektronisch eingereichten Bildvorlage seiner Wahl individualisiert. Zu diesem Zweck ist die Kostenstelle «Bildbearbeitung» einzurichten. Sie soll folgende Aufgaben übernehmen:

    • Prüfung der per Mail eingereichten Bilder für die Frontlasche und Übermittlung der Bestellung an den externen Drucker der Selbstklebebilder
    • Kleben der zurückgelieferten Folien auf die Buchstützen.

Es empfiehlt sich, die Stückliste und den Arbeitsplan für die vorgesehene Frontlaschen-Buchstütze gleich im ERP-System anzulegen, weil fast alle zu verwendenden Materialien und die bearbeitenden Kostenstellen dort schon vorhanden sind. Auf diesen Daten basierend, kann folgende Plankalkulation erstellt werden:Strategisches Umsetzungsprojekt quantifizierenPlankalkulation

Werden die proportionalen Plankosten pro Einheit kalkuliert, erkennen die Strategie-Entscheider, welche Kosten direkt durch die Herstellung der Buchstützen verursacht werden. Die Kenntnis der proportionalen Plan-Herstellkosten ist eine zentrale Voraussetzung für die Beurteilung, ob die Einführung des Neuprodukts zu höheren Unternehmensgewinnen führen wird.

Die jährlichen fixen Leistungsbereitschaftskosten der Produktions- und der Bildbearbeitungskostenstelle wurden (ohne Abschreibungen und Zinsen) geschätzt und als Planungsgrundlagen in der Kosten-/Leistungsrechnung erfasst:

BuchstützenFixkosten

Diese Fixkosten sind in der Strategiebeurteilung ebenfalls zu berücksichtigen.

Nettoerlösplanung

Die Verkaufsorganisation überlegte zusammen mit dem Produktmanagement, wie viele Einheiten pro Produkt in den Absatzkanälen (Direktverkauf, Verkauf via Händler im Inland und im Export) jährlich verkauft werden könnten. Dabei orientierten sie sich nicht an den Herstellkosten, sondern versuchten, mittels Konkurrenzvergleichen zu schätzen, welche Verkaufspreise die potenziellen Abnehmer für die individualisierte Frontlaschen-Buchstütze zu zahlen bereit sein werden.

Weiter wurde geschätzt, wie die Lebenskurve der Produkte verlaufen könnte. Die Erfahrungskurve zeigt, dass sowohl die Absatzmengen als auch die Nettoerlöse pro Stück wegen Marktsättigung und Markteintritt von Nachahmern gegen Ende der Lebenskurve abnehmen.

Die erwarteten Absatzmengen pro Absatzkanal (Spalten a-c, gelbe Felder) und die erwarteten Nettoerlöse (Spalten e-g) wurden für eine erwartete Lebensdauer der Produkte von 7 Jahren geschätzt und in die Tabelle eingetragen. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Händler im Inland und im Export einen Margenanteil der Bruttoumsätze zur Deckung ihrer eigenen Anstrengungen verlangen werden (Spalten f und g). Rechts in der Tabelle ergaben sich die erwarteten Nettoerlöse der Buchstützen-GmbH.

Planabsatz und Nettoerlös
Planabsatz und Nettoerlöse

Deckungsbeitragsentwicklung

Von den geplanten Nettoerlösen (Spalte k oben) wurden die proportionalen Herstellkosten der beiden Buchstützentypen abgezogen (sh. Plankalkulation). Vereinfachend wurde angenommen, dass sich die proportionalen Herstellkosten pro Stück im Strategiehorizont nicht verändern werden. Es ergaben sich die jährlich zu erwartenden absoluten Deckungsbeiträge I pro Artikel.

Buchstützen-Deckungsbeiträge
Buchstützen-Deckungsbeiträge

Die jährlich erwarteten absoluten DB I aus Buchstützen BS und Frontlaschen-Buchstützen BSF sind in der grafischen Darstellung gelb markiert. Diese müssen die zusätzlichen Fixkosten, die Investitionen und den Zielgewinn der Strategie decken.

Buchstützen-Deckungsbeiträge
Buchstützen-Deckungsbeiträge

Folgende zusätzlichen Fixkosten und Investitionen sind vorgesehen:

    • Ab Jahr 3 sind jährlich zusätzliche fixe Personalkosten von EUR 100’000 in der Buchstützenfertigung zu erwarten, weil mehr Produktionsaufträge abzuwickeln sein werden und mehr operatives Personal zu betreuen sein wird.

Die zunehmenden Herstellmengen werden Investitionen in die Fertigungsanlagen erfordern:

    • Jahr 0 (vor dem Produktionsstart der Frontlaschen-Buchstützen): Anpassung der Stanz- und Biegeanlage, ca. EUR 90’000.
    • Jahr 0: Beschaffung der Anlage für die Positionierung und das Aufkleben der Frontlaschenbilder, ca. EUR 60’000.
    • Jahr 2: Ergänzung der Lackieranlage um einen Heiztunnel für ca. EUR 80’000. Der Heiztunnel reduziert die Trocknungszeit und erhöht dadurch die Kapazität der Lackieranlage um 40%. Die Bearbeitungszeiten pro Stück werden gleichbleiben wie bisher.

Weil die Zusatzausgaben für Fixkosten und Investitionen in verschiedenen Planjahren anfallen werden, werden sie erst im Beitrag «Der Barwert der Strategie» abgebildet.

Lohnt sich der Planungsaufwand?

Definitiv! Würde die geschilderte Konkretisierung des strategischen Projekts 100’000 EUR Personalkosten (3-6 Arbeitsmonate) kosten, aber zu einer Ablehnungsempfehlung führen, wäre dieser Betrag viel kleiner als die Geldabflüsse, welche durch eine nicht erfolgreiche Strategieumsetzung erfolgen würden.

Strategieentwurf quantifizieren

Lohnt es sich, den Strategieentwurf in ein Umsetzungsprojekt zu überführen?

Strategieentwurf quantifizieren

Einen strategischen Plan zur Entscheidungsreife zu bringen, erfordert die Mitarbeit vieler Personen, die oft schon mit der Ausführung ihrer üblichen Aufgaben stark belastet sind.  Es empfiehlt sich deshalb, die erwarteten finanziellen Auswirkungen des Strategieentwurfs grob zu schätzen. Erst wenn diese Grobbeurteilung positiv ausfällt, lohnt es sich, ein Umsetzungsprojekt zu starten.

Dafür ist eine Schätzrechnung zu folgenden Positionen zu erstellen:

    • Welche zusätzlichen Nettoerlöse (Menge x erwarteter Netto-Verkaufspreis) könnte die vorgesehene Strategie jährlich generieren?
    • Wie hoch sind die zu erwartenden stückbezogenen Material- und Fremdleistungskosten pro zu verkaufende Einheit?
    • Wie viele Fertigungsstunden werden zur Herstellung der vorgesehenen Produkte oder Dienstleistungen in etwa erforderlich sein? Wird diese Stundenschätzung mit dem Personalkostensatz der jeweiligen Leistungskostenstelle multipliziert, resultieren die proportionalen Personalkosten pro Einheit.
    • Mit diesen Angaben kann der erwartete Deckungsbeitrag I pro Stück berechnet werden.
    • Neue Produkt-/Marktkombinationen führen meistens zu zusätzlichen (Personal-) Fixkosten in Vertrieb, Produktion, Einkauf und Administration. Diese sind ebenfalls einzubeziehen.
    • Schliesslich führen strategische Pläne oft zu Investitionen ins Anlagevermögen (Kapazitätserweiterungen) sowie zu Fremdleistungsausgaben, welche für die Verwirklichung der Strategie erforderlich sind und folglich durch die Erlöse der Strategie zu decken sind.
Strategieentwurf quantifizieren
Strategieentwurf quantifizieren

In den Zeilen 1 – 3 wird der Netto-Geldrückfluss vom Markt geschätzt. Die Absatzmenge ist für ein Durchschnittsprodukt der strategischen Idee anzunehmen. Sie bildet auch die Voraussetzung für die Kalkulation der mengen- und stundenabhängigen Kosten. Nur die netto zu fakturierenden Beträge werden zu Geldrückfluss führen. Deshalb sind zu erwartende Rabatte und erwartete Margen für Zwischenhändler abzuziehen.

Lagerbestandsänderungen werden in dieser Schätzung nicht berücksichtigt. Deshalb können in den Zeilen 4-6 die Material- und die Fremdleistungskosten pro Einheit mit der Absatzmenge multipliziert werden.

Die Schätzung der proportionalen Fertigungskosten erfolgt in den Zeilen 7 – 11. Die angenommene Stückbearbeitungszeit umfasst alle direkt an der Herstellung beteiligten Kostenstellen. Die Personalkosten pro Stunde und die Sachkosten pro Stunde werden mit der Bearbeitungszeit multipliziert. Das ergibt die geschätzten proportionalen Fertigungskosten pro Stück (Zeile 10) und für die Plan-Absatzmenge (Zeile 11).

Damit lässt sich in Zeile 14 der durch das Projekt zu erwartende Deckungsbeitrag I berechnen.

Insoweit durch die Strategie ein Ausbau der Managementkapazitäten für Fertigung, Beschaffung und Vertrieb notwendig sein wird, sind dafür geschätzte zusätzliche fixe Personal- und Sachkosten in Zeile 15 einzusetzen.

Wird die beabsichtigte Strategie zu Investitionsausgaben für neue Anlagen (Maschinen, Gebäude, Fuhrpark, Informatik) sowie für extern vergebene Machbarkeitsstudien führen, sind die entsprechenden geschätzten Beträge in Zeile 17 einzutragen.

Diese grobe Schätzung der durchschnittlich erwarteten jährlichen Absatzmengen, der Nettoerlöse und der proportionalen Herstellkosten pro Einheit genügt, um den Beitrag zur Fixkostendeckung und zur Gewinnerzielung zu berechnen (DB I = 330’000 pro Jahr). Nach Abzug der durch die Strategie jährlich dazu kommenden Fixkosten ergibt sich der zu erwartende jährliche Geldrückfluss.

In Zeile 18 wird die Paybackdauer dieses Strategieentwurfs berechnet. Im Beispiel wird es rund 4.5 Jahre dauern, bis die Investitionen durch die jährlichen Geldrückflüsse bezahlt sein werden.

Diese grobe Quantifizierung des Strategieentwurfs lohnt sich, da nur wenige Mengen, Verbräuche und Werte zu schätzen sind. Mit wenig Zahlen lässt sich beurteilen, ob eine weitere Ausarbeitung des Projekts erfolgversprechend ist. Ergibt sich eine höhere Paybackdauer als 4 Jahre, ist die Chance gering, mit dem Projekt einen höheren Unternehmensgewinn zu erzielen. Denn die Investitionen sind zu verzinsen und die Netto-Geldrückflüsse werden zusätzliche Gewinnsteuern zur Folge haben.

Schafft der Strategieentwurf die Payback-Hürde, kann ein Umsetzungsprojekt beantragt werden.

Strategieentwicklung

Vom Strategieentwurf zum Umsetzungsprojekt

Strategieentwicklung

In der Unternehmensführung wird der Begriff Strategie für Vieles verwendet. Als Folge werden auch unterschiedliche Vorgehensweisen zur Entwicklung einer Strategie empfohlen.

Hier geht es darum, den Prozess der Strategieentwicklung so zu gliedern und auszuführen, dass Pläne für die mittelfristige Entwicklung einer Produkt-/Marktkombination entstehen und die erzielten Umsetzungsresultate qualitativ und quantitativ beurteilbar werden. Dazu wird von den Definitionen im Beitrag «Strategie und Funktionale Konzepte» ausgegangen, insbesondere der dort zitierten Definition eines Alleinstellungsmerkmals (USP) nach M. Porter.

Diskussionen mit unseren Kunden zeigen regelmässig, dass sie mit einer Strategie Marktanteile vergrössern wollen, um für das Unternehmen höhere Gewinne vor Steuern und Zinsen (EBIT) zu erzielen.

Dieser Such- und Festlegungsprozess kann nicht gradlinig von der Zielfindung bis zur Resultatbeurteilung ablaufen, weil zu Beginn die zu erreichenden Resultate noch nicht fixiert sind, externe und interne Informationen zuerst beschafft werden müssen, oft nur eine ungenügende Datenbasis abrufbar ist und verschiedene interne Prozessbeteiligte mit unterschiedlichen Kenntnisständen und Absichten mitreden. Das erfordert einen mehrphasigen Durchlauf der Fragebearbeitung und viele Rückkopplungsschleifen. Oft ändert sich auch die Zusammensetzung des Bearbeitungsteams während des Findungsprozesses

Im Prozess der Entwicklung und Anpassung von Strategien sind meistens folgende Fragen zu beantworten:

    1. Welche Produkt-/Marktkombination wollen wir stärken? (Strategische Idee)
    2. Wie heben wir uns (aus Kundensicht) von der Konkurrenz ab (USP)?
    3. Wer sind unsere Konkurrenten, welche Umsätze/Marktanteile erzielen sie?
    4. Welche Dienstleistungen / Produkte fehlen uns zur Zielerreichung?
    5. Welche internen Entwicklungen bilden die Voraussetzung für den Erfolg, bzw. welche Kenntnisse und Fertigkeiten sind zu erarbeiten?
    6. Welche Investitionen werden erforderlich sein?
    7. Welche Mitarbeitenden fehlen uns dazu?
    8. Welche kritischen Prämissen sind in obigen Punkten enthalten, die eine erfolgreiche Strategierealisierung in den Zielmärkten verhindern könnten? Beispiele: Neue gesetzliche Vorschriften, politische Verschiebungen, Änderungen im Konsumverhalten, Erfolge von Konkurrenten.

Die Punkte 1 -3 sind extern orientiert, d.h. es sind Änderungen in den Unternehmensumwelten zu beobachten und einzuschätzen. Sie können zur Anpassung strategischer Ziele und Pläne führen

Der Stand der Punkte 4 – 7 ist unternehmensintern festzustellen. Daraus sind die notwendigen Entwicklungen abzuleiten.

Treten im Umsetzungsprozess Ereignisse ein, welche die kritischen Prämissen betreffen (Punkt 8), ist zu analysieren, ob der geltende strategische Plan (Punkte 1 – 3) anzupassen ist oder ob in den Punkten 4 – 7 Anpassungen erforderlich werden.

Im gesamten Strategieentwicklungsprozess sowie nach der Feststellung erreichter Zwischenresultate sind deshalb regelmässig Rückkopplungen erforderlich. Sie müssen zur Entscheidung führen, ob die Strategieumsetzung weiterverfolgt (go) oder abgebrochen (no go) wird.

Vom Strategieentwurf zum Umsetzungsprojekt

Das Ablaufschema unten zeigt den Weg vom Strategieentwurf (kreativer Akt) bis zur Freigabe eines strategischen Plans.

Am Anfang steht eine Idee, mit welchen Produkten das Unternehmen in welchen (Teil-)märkten Marktanteile gewinnen soll, um dadurch die eigene Marktposition und die Gewinnsituation zu verbessern. Der Zeithorizont ist meistens mehrjährig und das Verhalten der Konkurrenz kann den Erfolg verhindern. Es gilt, möglichst verlässlich die finanziellen Auswirkungen der strategischen Idee zu schätzen, bevor Arbeitszeit und Geld in die weitere Bearbeitung der Idee investiert werden.

Um überhaupt ein chancenreiches Umsetzungsprojekt für eine Strategie anzugehen, empfiehlt es sich, für den angedachten Strategiehorizont eine Schätzung der erzielbaren Nettoerlöse und der Folgekosten der strategischen Idee zu erstellen. Diese Annahmen sollte der Strategieentwurf enthalten, weil sie die Grundlage für den ersten go/no go-Entscheid bilden, nämlich ob das strategische Projekt überhaupt zur Entwicklung freigegeben werden soll. Nur bei einem «go» macht es Sinn, die Projektarbeit fortzusetzen. Dafür ist auch die Beschreibung des Alleinstellungsmerkmals wesentlich. Denn die die Entscheider wollen erkennen können, ob durch die Strategie eine Unique Selling Proposition entstehen kann, bevor sie den Auftrag für die Erstellung des eigentlichen Umsetzungsprojekts erteilen.

Strategieentwicklung
Vom Strategieentwurf zum Umsetzugsprojekt

Im Umsetzungsprojekt ist zu planen, welche Personal- und Sachkosten sowie welche Investitionen für die Strategierealisierung anfallen werden und ob die aus der Strategie erwarteten Nettoerlöse diese Kosten werden decken können. Dazu bedarf es auch der Schätzung der zur Strategieumsetzung erforderlichen Arbeiten in den verschiedenen Bereichen des Unternehmens sowie der Kapazitäten der Anlagen (Gebäude, Maschinen, Hard- und Software).

Die dynamische Investitionsrechnung ist das geeignete Instrument, ein Umsetzungsprojekt finanziell zu bewerten. Denn sie kann die mit den vorgesehenen Produkten oder Dienstleistungen zu erzielenden Deckungsbeiträge den Fixkosten der Strategie und den Nettoinvestitionen gegenüberstellen und so den Barwert der Strategie zum Entscheidungszeitpunkt berechnen.

Der nächste Beitrag zeigt an einem Beispiel die Quantifizierung eines Strategieentwurfs