Inflation intern bewältigen

Mit mehr Effektivität und Effizienzsteigerung vor die Inflationswelle kommen.

Inflation intern bewältigen

Preissteigerungen der Lieferanten kann ein Unternehmen nur selten vollumfänglich an seine Kunden weitergeben. Denn die bisherigen Kunden dieses Unternehmens werden aus eigenem Interesse versuchen, bei anderen Lieferanten günstiger einzukaufen, weniger zu verbrauchen, andere Inputmaterialien zu verwenden oder gar ihre eigenen Angebote vom Markt  nehmen, weil diese nicht mehr genügend rentabel sind. Potenzielle neue Kunden werden ebenfalls Angebotspreise und Leistungen vergleichen und dort bestellen, wo sie das Gefühl haben, am meisten fürs Geld zu kriegen. Jedes Unternehmen muss deshalb die Inflation intern bewältigen, will es seine eigene Rentabilität erhalten und weiterhin in seine eigene Zukunft investieren können.

Professor Simon spricht von Gewinnverteidigung (S. 56 im Buch Die Inflation schlagen). Schon in der Planung sollte der Gewinn «wie eine zu deckende Kostengrösse von vornherein in die Kalkulation eingehen (ebenda, S. 52)». Das erfordert die kontinuierliche Steigerung der Effektivität und Effizienz des eigenen Handelns. Vgl. auch den Beitrag Kostensenkungspotenziale lokalisieren):

Effektivität = die richtigen Dinge tun,

Effizienz = die richtigen Dinge richtig tun.

In allen Unternehmensbereichen sind Massnahmen zu finden, zu beschliessen und umzusetzen, welche geeignet sind, eine marktgerechte Rentabilität zu erzielen.

Kostensenkungsmassnahmen für Funktionsbereiche

Der ROI-Baum aus dem Beitrag «ROI und Inflation» hilft, Ideen zur Gewinnerhöhung zu generieren, diese Ideen aus finanzieller Sicht zu bewerten und schliesslich ihren Umsetzungserfolg zu messen. Ansatzpunkte werden nachstehend nach Funktionsbereichen gegliedert:

Inflation intern bewältigen
Inflation intern bewältigen

Umsatz, Preise, Konditionen:

    • Preiserhöhungen schnell ankündigen und begründen, auch wenn die Kunden zeitweise zur Konkurrenz wechseln. Es geht darum, mit Preisanpassungen vor die «Kostenwelle» kommen.
    • Die Erhöhungen in mehreren Schritten vorsehen, um Kunden vom Wechsel abzuhalten.
    • Rabatte nicht bei Bestellung gewähren, sondern Rückvergütungen bei Erreichung eines vorbestimmtes Einkaufsvolumens auszahlen (Vertriebsmodell).
    • Zahlungsziele ohne Skontoabzüge fixieren und parallel das Mahnwesen beschleunigen (Skonti wirken direkt gewinnschmälernd).
    • Neue Pricing-Modelle entwickeln, z.B. pay per use oder pay per period (gilt vor allem bei Produkten oder Services mit niedrigen proportionalen Herstellkosten, z.B. Software).
    • Sind das Produkt oder die Dienstleistung den Konkurrenzangeboten überlegen, kaufen die Kunden auch bei höheren Preisen.

Marketing, Verkauf, Vertrieb:

    • Bestehende Kunden nach ABC-Analyse betreuen (A- und B-Kunden generieren höhere absolute Deckungsbeiträge und sollten folglich intensiver betreut werden).
    • Kontinuierliche Beschaffung neuer Leads (Adressen potenzieller Neukunden) und zeitnahe Kontaktaufnahme.
    • Weitgehend digitale Kundeninformation, um Kundenbesuche zu reduzieren (weniger Reisen).
    • Analyse der Deckungsbeitragsentwicklung nach der Durchführung von Messen, Ausstellungen, schriftlichen oder elektronischen Werbemassnahmen.
    • Werbebeiträge an wiederverkaufende Kunden als Deckungsbeitragsanteile fixieren und erst nach Umsatzerzielung gewähren.
    • Gratislieferung eines Teils der Bestellmenge mindert den Kunden-Deckungsbeitrag oft weniger als direkte Rabattprozente vom Verkaufspreis, weil nur die proportionalen Kosten den Deckungsbeitrag schmälern.
    • Kontinuierliche Beobachtung von Preisen, Sortiment und Umsatzentwicklung der Konkurrenten, um Chancen für neue Angebote zu lokalisieren.
    • Komplett automatisiertes Mahnwesen, um Aussenstandstage zu senken.

Fertigungsprozesse / Produktionsplanung und -steuerung:

    • Durch grössere Fertigungslose sinken die proportionalen Herstellkosten pro Stück, da Rüst- und Einrichtarbeiten nur einmal pro Los entstehen. Es lohnt sich, den Bestellungseingang regelmässig mit dem Lagerbestand und der Grösse der Fertigungsaufträge abzustimmen.
    • Mitarbeitende so ausbilden, dass sie mehrere Prozesse beherrschen und so weniger Leerzeiten haben.
    • Prozessschritte automatisieren. In der Inflation ist es oft einfacher an Investitionsmittel zu kommen, wenn auch zu höheren Zinsen.
    • Kontinuierlich prüfen, ob Lieferanten bestimmte Halbfabrikate günstiger anbieten als man sie selber herstellen kann (In – oder Outsourcing basierend auf proportionalen Herstellkosten plus direkten Fixkosten des eigenen Prozesses).
    • Computergesteuerte Bearbeitungsschritte einführen und so Personaleinsatz verringern.
    • Digitalisierung der Planung und Steuerung der Fertigungsaufträge sowie der Betriebsdatenerfassung.
    • Ausschuss vermindern.

Einkauf und Lager:

    • Bedarfsplanung pro Einkaufsartikel auf Basis von Planverbräuchen der Produktion und des Absatzes, um günstigere Rahmenvereinbarungen mit den Lieferanten zu erzielen.
    • Regelmässige Vergleiche der Einstandspreise potenzieller Lieferanten, für jedes Beschaffungsgut einen Ersatzlieferanten bereithalten.
    • Sofortige Information des Verkaufs und anderer betroffener Kostenstellen, wenn Preisänderungen gewichtiger zu beschaffender Artikel oder Dienstleistungen bevorstehen.
    • Einkaufspreisabweichungen gegenüber Plan-Einstandspreisen monatlich ausweisen, um in den Folgestufen die Auswirkungen auf zu verkaufende Produkt- und Dienstleistungen schätzen zu können.

Forschung und Entwicklung:

    • Günstigere oder besser geeignete Einsatzmaterialien finden.
    • Prozessabwicklungszeit für kundenspezifische Entwicklungen reduzieren, da schnelle Antworten bei Kunden vertrauensbildend wirken.
    • Regelmässige Projektfortschrittsbeurteilung mit go-/no go-Entscheid beendet dümpelnde Projekte früher und legt Forschungskapazität frei.

Interne Servicebereiche:

    • Out- oder Insourcing kontinuierlich re-evaluieren (was unterhalten und reparieren wir selbst, was geben wir auswärts?)
    • Pflege und Reinigung auswärts vergeben und Kadenz senken, sofern sie nicht Voraussetzung für die Betriebsbereitschaft sind (Fixkosten schneller beeinflussbar machen).
    • In der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung keine Fixkosten an Bezüger verrechnen. Für seine Fixkosten ist der Leistungsersteller selbst verantwortlich.

Controller:

    • Schneller Ablauf des Planungsprozesses und zeitnahe interne Berichterstattung werden zunehmend wichtiger, weil die Inflation auf der Beschaffungsseite schneller wirkt als beim Zahlungseingang.
    • Bei niedriger Wertschöpfung konzentriert sich das Kostenmanagement auf die Einkaufsseite, weil sich die Einstandspreise schnell und stark ändern. Bei hoher Wertschöpfung liegt das Schwergewicht vor allem bei den Personalkosten. Tendenziell führt Inflation zum Abbau von Arbeitsplätzen.
    • Kostenspaltung in proportionale und fixe Kosten sowohl in der Planung als auch im Soll-Ist-Vergleich einführen.
    • Simulation von Kosten- und Erlösentwicklungen computergestützt ermöglichen, damit Mengen-, Preis- und Kostenänderungen im Voraus abschätzbar werden.
    • Dynamische Investitionsrechnung anwenden, damit die Wirkung der Inflation auf Barwerte offensichtlich wird.

Führungsprozesse:

    • Verantwortlichkeiten einzelner Führungspositionen bestimmen, damit die Einhaltung von Qualitäten, Quantitäten, Terminen und Ergebnissen (QQTE) feststellbar ist.
    • Unternehmensweit Führung durch Zielvereinbarung einführen und die Zielerreichung der einzelnen Mitarbeitenden regelmässig messen und beurteilen.
    • Betriebsdatenerfassung auch in den administrativen Bereichen einführen, um den Zeitverbrauch in diesen Bereichen kontinuierlich zu reduzieren.

Die interne Inflationsbekämpfung ist vor allem die Aufgabe der Führungskräfte aller Hierarchiestufen. Schaffen sie es nicht, die gesamten Wertschöpfungskosten langsamer wachsen zu lassen als die Nettoerlöse, fehlen im Unternehmen die Gewinne für die Investition in die Zukunft und es wird mit der Zeit vom Markt verschwinden.

Fixkostenreduktion durch Lean Management

Nachhaltige Fixkostensenkung durch Effizienzsteigerung (Praxisbeispiel)

Fixkostenreduktion durch Lean Management

Die kurz- und langfristige Rentabilität einer Organisation wird zunehmend  durch die fixen Kosten der unterstützenden Funktionsbereiche bestimmt (Beschaffung, Personaladministration und -entwicklung, Information Technology, Anlagen, Investition und Finanzen, Verkauf und Marketing, Geschäftsleitung). Durch die zunehmende Komplexität nehmen die für diese Funktionen entstehenden Kosten kontinuierlich zu und betragen heute in vielen Unternehmen ein Vielfaches der proportionalen Produktkosten. Soll eine Organisation profitabler werden, gilt es deshalb vor allem in diesen Bereichen Fixkostenreduktion durch Lean Management zu betreiben.

Das ist das Feld von Lean Administration, Lean Logistics und Lean Sales. Es geht darum, die gesamten fixen Kosten der Organisation langsamer ansteigen zu lassen als den Nettoerlös. Erster und wichtigster Ansatzpunkt dazu ist die Verminderung oder Verhinderung von Arbeitszeiten, die zum Gewinnen und Halten von Kunden einzusetzen sind sowie für die Administration und das Management der Organisation. Zweitens ist zu erreichen, dass die Investitionen für die erfolgreiche Weiterentwicklung in allen Bereichen (vor allem IT und Gebäude) langsamer wachsen als die Nettoerlöse, weil sie zu fixen Betriebs- und Abschreibungskosten führen.

Lean Administration

Die Anstrengungen sollen den Arbeits- und Kosteneinsatz verringern für die:

    • Erfüllung staatlicher/behördlicher Vorschriften (vor allem Personaladministration und Einhaltung arbeitsrechtlicher Vorschriften)
    • Aufrechterhaltung der Betriebsbewilligungen (Dokumentation der Rechtskonformität)
    • Dokumentation des rechtskonformen Funktionierens der Anlagen und Einrichtungen
    • Dokumentation und Nachvollziehbarkeit der Produktentstehung
    • Die Erfassung von Daten und die Sicherstellung der Datenqualität
    • Planung und Erfassung von Kosten und Erlösen plus Auswertung
    • Erfassung und Auswertung aller Buchhaltungsdaten
    • Wahrnehmung der Managementaufgaben in allen zu führenden Bereichen.

Lean Sales

soll dafür sorgen, dass der Arbeitseinsatz für nachstehende Aufgaben langsamer wächst als die erzielten Nettoerlöse.

    • den gesamten Verkaufs- und Vertriebsprozess (von der Adressgewinnung (Lead) bis zur Nachbetreuung der Kunden),
    • das Produktmanagement und die Verkaufsförderung,
    • die Werbung und andere Marketingmassnahmen,

Lean Logistics

soll bewirken, dass:

    • Rohstoffe, Hilfsmittel und weitere Güter und Services günstiger eingekauft werden können (Vertragsgestaltung, Lieferkonditionen, andere Materialien, welche die Anforderungen auch erfüllen),
    • alle Spezifikationen für zu beschaffende Güter und Dienstleistungen elektronisch verfügbar sind, bevor der Bestellprozess ausgelöst wird,
    • Transportkosten für Zu- und Auslieferung pro Einheit günstiger werden,
    • der Arbeitsaufwand für die Bestell- und Auslieferungsabwicklung geringer wird,
    • alle relevanten Daten direkt und ohne Zugriff auf Papierablagen zur Verfügung stehen,
    • Beschaffungsprozesse in einem Durchgang und ohne Wartezeiten bearbeitet werden können.

Effizienzsteigerung durch höhere Stammdatenqualität und Leistungserfassung

Die Stammdatenqualität der Kunden-, Mitarbeiter- und Lieferantendaten steht im Vordergrund, sollen Suchprozesse und Nachfragen nach aktuellen Daten weniger Arbeitszeit beanspruchen. Die jederzeitige Verfügbarkeit aktueller Daten ist eine zentrale Voraussetzung für die Realisierung möglichst verschwendungsfreier administrativer Prozesse. Offen ist, ob die Stammdaten eines Unternehmens zentral oder bereichsweise gepflegt werden sollen und wer für welche Inhalte verantwortlich sein soll.

In allen erwähnten Bereichen geht es darum, Effizienzsteigerungen zu erzielen und dadurch konkurrenzfähig zu bleiben. Dies erfordert die Planung und Messung des Arbeitseinsatzes für die verschiedenen (Teil-)Prozesse. Dazu sind diese inhaltlich zu strukturieren, damit die für ihre Umsetzung notwendigen Zeitverbräuche für Interne Aufgaben gemessen werden können. Die im Fertigungsbereich übliche Betriebsdatenerfassung gilt es auch für die Messung der Arbeitszeiten für interne Aufgaben anzuwenden. Gegen diese Erfassung wehren sich viele Kopfarbeiter, doch erst sie ermöglicht es, erzielte Effektivitäts- (tun wir das Richtige?) und Effizienzverbesserungen (tun wir es richtig?) zu messen.

Die Erfassung des Zeitverbrauchs für Interne Aufgaben muss tagfertig erfolgen. Denn schon morgen weiss man nicht mehr genau, wofür gestern wie viel Arbeitszeit eingesetzt wurde. Steht jederzeit ein mitarbeitergerechtes elektronisches Erfassungsinstrument zu Verfügung, ist diese Erfassung einfach auszuführen. Im Beitrag «Kapazitätsbedarf für interne Aufgaben» wird gezeigt, wie die internen Aufgaben gegliedert werden können, damit ihre Erfassung und Klassifizierung In der praktischen Anwendung einfach wird.

In Lean Administration-Projekten soll vor allem der Zeitverbrauch für repetitive Arbeiten reduziert werden. Dazu sind direkte Beobachtungen und Verbrauchserfassungen pro Arbeitsschritt erforderlich, da kleine Zeitersparnisse zu finden sind, welche sich durch tausendfache Repetition zu ganzen Vollzeitstellen summieren können.

Praxisbeispiel zur Auftragsabwicklung

Im diesem Beispiel aus einem produzierenden Unternehmen wurde der gesamte Ablauf von der Kundenbestellung bis zur Auslieferung und Fakturierung an den Kunden untersucht. Das Unternehmen wollte den Zeitbedarf für die Abwicklung verringern und zugleich die Durchlaufzeit eines Auftrags verkürzen. So sollte freie Kapazität für mehr Kundenaufträge geschaffen werden. Bei der Aufnahme des Istzustands wurde festgestellt, dass die Durchlaufzeit 2-8 Tage dauerte, nach der Umsetzung waren es noch 1-3 Tage. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit pro Auftrag sank von 40 Minuten auf durchschnittlich 20 Minuten, also auf rund 50%. Bei rund 13’000 Aufträgen pro Jahr entspricht dies einer Zeiteinsparung von jährlich circa 4’300 Arbeitsstunden oder 2,5 Vollzeitstellen. Würde das Personal abgebaut, könnten im nächsten Planjahr in den Kostenstellen Verkaufsabwicklung und Produktionsplanung insgesamt 2,5 Vollzeitstellen weniger geplant werden. Wird die freiwerdende Personalkapazität in andere Kostenstellen verschoben, müssten diese ihre Plan-Personalkosten im nächsten Planjahr entsprechend erhöhen.

Fixkostenreduktion durch Lean Management
Fixkostenreduktion durch Lean Management