Methoden und Instrumente zum Auffinden von Kostensenkungspotenzialen.
Kostensenkungspotenziale lokalisieren
Die Kostenposition zu verbessern erfordert kreative, innovative Ideen. Diese zu realisieren bedeutet anstrengende operative Arbeit.
Stehen zur Messung realisierter Kostensenkungen Istdaten zur Verfügung, ist es zu spät! Denn die Konkurrenz könnte schon gehandelt haben und dadurch Marktanteilsgewinne realisiert haben. Schneller und stärker wachsende Unternehmen haben grössere Kostensenkungsenkungspotenziale und dadurch die Chance, günstiger zu produzieren. Folglich gilt es, die eigenen Kostensenkungspotenziale aktiv zu suchen, planen und umzusetzen.
Effektivität vor Effizienz
Dabei kommt Effektivität (Tragweite und Wirksamkeit) vor Effizienz (weniger Input für mehr Output). Eine Auswertung mit einem Programm effizienter erstellen zu lassen, ist Verschwendung, wenn sie niemand nutzt. Den eigenen Mitarbeitenden regelmässig Feedback zu den erzielten Leistungen und Qualitäten zu geben, erhöht die Effektivität, weil die geführten Personen ihren Einsatz so selbst steuern und verbessern können (vgl. den Beitrag „Masterplan für integrierte Planung und Steuerung“).
Um Kostensenkungspotenziale lokalisieren und realisieren zu können, wurden schon viele Methoden und Verfahren entwickelt und empfohlen. Die Absicht ist, Kosten abzubauen oder langsamer anwachsen zu lassen als die realisierten Nettoerlöse und so Gewinne entstehen zu lassen, welche für den Ausbau der Organisation eingesetzt werden können. Einige nachweislich erfolgreiche Methoden und Instrumente werden nachstehend mit den durch ihre Anwendung erhofften Verbesserungen gelistet.
Erläuterungen zur Tabelle Kostensenkungspotenziale lokalisieren
Strategie und Investitionsplanung sh. Excel-Tools.
Target Costing (Zielkostenmanagement): Target Costing soll den zukünftig erwarteten Markt in die Produktentwicklung und in die Produktion hineintragen und dadurch schon beim Produktdesign eine starke Kostenposition vorsteuern. Durch eine Zielkostenkalkulation wird ausgehend vom am Markt erzielbaren Nettoerlös gefragt, welche Kosten für die Herstellung des Produkts maximal entstehen dürfen. Vom Nettoerlös werden die aktuellen Prozentsätze für den Anteil der Verwaltungs- und Vertriebskosten sowie für den Zielgewinn in Abzug gebracht (Schätzung eines Ziel-Deckungsbeitrags für diese Funktionen). Als Restgrösse bleibt der für die Herstellung der geplanten Mengen verfügbare Betrag. Für die Quantifizierung der verschiedenen Positionen ist wieder die dynamische Investitionsrechnung einzusetzen. Denn bei Target Costing-Entscheidungen sind meistens auch Investitionen zu berücksichtigen und die Umsetzung erfordert oft mehrere Jahre.
Interne Aufgaben planen und erfassen, sh. Beitrag „Interne Aufgaben„
Service Level Agreements vereinbaren (SLA), sh. Glossar. Ein SLA ist eine Dienstleistungsvereinbarung zwischen Auftraggebern (interne Bereiche, Funktionen und Kostenstellen) und leistenden Kostenstellen für die Regelung wiederkehrender Dienstleistungen. Oft wird ein SLA auch mit externen Dienstleistern (z.B. IT-Outsourcing) fixiert. Zweck eines SLA ist es, die vom Dienstleister zu erbringenden Leistungen für die Vertragspartner möglichst vollständig zu umschreiben. Dabei ist darauf zu achten, dass die Leistungen so festgehalten werden, dass sie mess- oder mindestens überprüfbar werden. Auftragnehmer sind im SLA eine oder mehrere Kostenstellen, Auftraggeber ist die Gemeinschaft der leistungsempfangenden Kostenstellen.
Der Lieferant (Kostenstellenleiter) ist für die Leistungserbringung und für die Sollkosteneinhaltung verantwortlich. Deshalb hat er auch die Pflicht, Nein zu sagen, wenn (im Plan oder im Ist) mehr als das Vereinbarte verlangt wird. Im Gegenzug sind die Auftraggeber dafür zuständig, das Budget für die festgelegten Leistungen zu bewilligen. Wollen sie mehr Leistung oder weniger bezahlen, können die Leistungserbringer die vorgeschlagenen Konditionen ausschlagen. Diese Vereinbarungsarbeit ist im Rahmen des Budgetierungsprozesses zu leisten. Denn sind die Bewilligungen da, wird das Personal eingestellt und das Geld wird ausgegeben.
Von internen Funktionen erbrachte Leistungen sind oft sehr vielfältig und nur ungenau voraussagbar. Das erschwert die Vereinbarung eines SLA. Trotzdem lohnt es sich für beide Vertragsparteien, die zu erbringenden Arbeiten möglichst vollständig und nachvollziehbar zu umschreiben. Denn diese Niederschriften sind ein wichtiges Element für die Budgetierung und den Plan-Ist-Vergleich. Pro Position sind festzulegen:
Quantität: z.B. Erstellung eines monatlichen Abschlusses oder Gewährleistung einer 99%-Verfügbarkeit der Applikationen. Qualität: z.B. Nach den Grundsätzen ordentlicher Buchführung oder einzuhaltende Antwortzeiten der Systeme. Termine: z.B. Jeweils am 5. Werktag des Folgemonats oder Reaktionszeit bis zur Behebung von Störungen (Service Level). Kosten: Budgeteinhaltung.
Wird ein SLA freigegeben, können die Auftragnehmer ihr Personal und ihre Mittel einsetzen. Die Auftragnehmer müssen periodisch die Gelegenheit erhalten, zum Ausmass und zur Qualität der Leistungserbringung Stellung nehmen zu können.
SLA-Kosten sind Fixkosten. Sie entstehen für die nutzenden Kostenstellen, nicht direkt für die Produkte. Mangels direktem Ursache-/ Wirkungszusammenhang können sie nicht verursachungsgerecht and die Produkte verrechnet/umgelegt werden.
Viele strategische Glanzentscheide haben den Grundstein für exponentielle Entwicklungen von Unternehmen gelegt. Wiederum viele davon fanden als „success stories“ Eingang in die Wirtschaftsgeschichte und sind in Büchern nachzulesen oder werden in Seminaren zitiert.
Dass es so weit kam, war jedoch in den uns bekannten Fällen auch immer auf „Operational Excellence“ zurückzuführen. Das Feilen am Detail, die Prozesse zu beherrschen, Nötiges von „gut zu haben“ zu unterscheiden und die Umsetzung kontinuierlich zu verbessern, sind nach unserer Erkenntnis sowohl im Bereich des Verkaufs und Vertriebs als auch bei der hartnäckigen Verbesserung der eigenen Kostenposition Grundelemente erfolgreicher Unternehmensführung.
Die Kostenlücke lässt sich durch Vergleich der bisherigen Mittelfristplanung mit der Erfahrungskurve quantifizieren.
Erfahrungskurve und Mittelfristplanung
Die für das eigene Unternehmen angepasste Erfahrungskurve bildet den Orientierungsrahmen für die mittelfristige operative Planung. Gelingt es, die realen Kosten im empirisch festgestellten „Entwicklungskorridor“ von minus 20% bis minus 30% zu halten?
Die aus dem vorangehenden Beitrag schon bekannte Entwicklung der Ergebnisrechnungen des mittelfristigen Planungshorizonts repräsentiert den aktuellen Bearbeitungsstand der mittelfristigen Planung. In den Zeilen 10 und 11 ist zu erkennen, dass die durchschnittlichen Wertschöpfungskosten pro Stück absolut und prozentual sinken, obwohl auch die Nettoerlöse pro Stück abnehmen. Die Planer erwarten also, dass die Konkurrenz im Planungszeitraum ebenfalls die Preise senken wird.
Erfahrungskurve und Mittelfristplanung
Wird die bisher geplante Entwicklung in die unternehmensbezogene Erfahrungskurve aus dem vorangehenden Beitrag integriert, entsteht folgende Grafik:Bisherige Mittelfristplanung und der Erfahrungskurven-„Funnel“
Es zeigt sich, dass sich die bisherigen Planwerte ausser im Planjahr 3 im „Funnel“ bewegen, die 20% Erfahrungskurve aber noch nicht erreichen. Die punktierte Trendlinie lässt für den Planungshorizont auf eine Erfahrungskurve von durchschnittlich 15% schliessen.
Was ist zu tun?
Da in der Planungsphase noch nicht bekannt ist, ob die Konkurrenz durch Preissenkungen schneller wachsen und dadurch eine bessere Erfahrungskurve erreichen könnte, sind die Personal- und Sachkosten sowie die kalkulatorischen Abschreibungen in den Kostenstellenplänen nochmals zu überarbeiten.
Gemäss den bisjerigen Plan-Ergebnisrechnungen werden die Personal- und Sachkosten sowie die kalkulatorischen Abschreibungen im Planjahr 2 stark ansteigen. Insbesondere steigen die fixen Wertschöpfungskosten um 0,5 Mio. Das erklärt den Sprung aus dem „Funnel“ in Planjahr 3 und die sich ergebende Steigerung des Anteils der Wertschöpfungskosten von 42% auf 46% des Nettoerlöses. In den Planjahren 4 – 6 steigen dann die Wertschöpfungskosten wieder langsamer als der Nettoerlös, was sich in der Verbesserung der eigenen Erfahrungskurve und natürlich auch in höheren EBIT’s zeigt.
Die Planüberarbeitung muss sich folglich vor allem auf die Planwerte für Personal- und Sachkosten in den Kostenstellen konzentrieren und nach Wegen suchen, wie die Investitionen auf mehr Jahre verteilt werden können, da sie die Höhe der kalkulatorischen Abschreibungen bestimmen.
Der Aufwand für die Erstellung der eigenen Erfahrungskurve ist überschaubar. Der Vergleich der Kurve mit den eigenen mittelfristigen Plänen lässt erkennen, in welchen Kostenstellen zuerst nach Kostensenkungsmöglichkeiten zu suchen ist.
Mit der Gegenüberstellung des aktuellen Planungsstands zur eigenen Erfahrungskurve wird die Kostenlücke quantifiziert, die es in den kommenden Jahren zu schliessen gilt, soll die konkurrenzfähige Kostenposition erhalten werden. Die Fähigkeit im Konkurrenzkampf zu bestehen, wird weitgehend in der mittelfristigen Planung aufgebaut.
Mit Ergebnisdaten (GuV), Absatzmengen und etwas Mathematik lässt sich die eigene Erfahrungskurve erstellen.
Erfahrungskurve für das eigene Unternehmen
Für den empirischen Nachweis der Erfahrungskurve wurden Istzahlenreihen aus verschiedenen Branchen verwendet. Diese zeigten, dass die Wertschöpfungskosten pro Stück bei jeder Verdoppelung der kumulierten ausgebrachten Menge um 20 – 30% sanken. Diese Erkenntnis ist auch als Richtschnur für die Erarbeitung der Erfahrungskurve für das eigene Unternehmen verwendbar.
Ausgehend von Istdaten (teilweise geschätzt) kann eine unternehmensspezifische Erfahrungskurve erstellt werden. Anhand dieser lässt sich analysieren, ob die mittelfristigen Planzahlen geeignet sein werden, die Erfahrungskurve im eigenen Unternehmen umzusetzen.
Folgende Ausgangsdaten sind erforderlich:
Kumulierte bisherige Absatzmenge
Wertschöpfungskosten des aktuellsten Istjahres
Planabsatzmengen für den zu betrachtenden Planungshorizont¨
Aus diesen Daten kann ein „Funnel“, also ein Korridor für die Entwicklung der zulässigen Wertschöpfungskosten berechnet werden.
Zuerst gilt es den Jahreskontext zu schaffen:
In Zeile 1 werden die Istabsatzmengen des Jahres 1 und die Planabsatzmengen der Planjahre 2-7 eingetragen.
Die vor dem Jahr 1 verkaufte Absatzmenge des Sortiments wird in Zeile 2 eingetragen (500’000 Stück). Da es sich nur um eine Grobabschätzung handelt, werden zur Vereinfachung alle Produkteinheiten als gleichwertig betrachtet. Ebenfalls in Zeile 2 werden die kumulierten Absatzmengen bis Ende Planungshorizont berechnet.
Daraus lassen sich die Verdoppelungen pro Jahr in Zeile 3 berechnen. Die Formel dazu lautet:Verdoppelung pro Jahr berechnen
Dass diese Werte kontinuierlich sinken, drückt aus, dass trotz Absatzmengensteigerungen immer mehr Jahre zur Erzielung einer weiteren Verdoppelung erforderlich sind.
In Zeile 4 ergeben sich die kumulierten Verdoppelungen der Planjahre in Bezug auf die Ausgangslage. Sie bilden die Grundlage für die Berechnung der theoretischen Erfahrungskurvenwerte.
In Zeile 5 werden die Wertschöpfungskosten pro Stück des Istjahres berechnet (1’800’000 : 200’000 Absatzmenge = 9.00)
Da in Jahr 2 gegenüber Istjahr 1 im Planabsatz eine kumulierte Verdoppelung von 0.4253 erreicht werden soll, werden die Wertschöpfungskosten des Vorjahres mit dem kumulierten Verdoppelungsfaktor (0.4253 in Planjahr 1) potenziert. Das ergibt je nach dem gewählten Erfahrungskurvenziel die zu erreichenden Wertschöpfungskosten im jeweiligen Planjahr (z.B. 8.19 bei der 20%-Erfahrungskurve für Planjahr 1, Zeile 7).
Rein rechnerisch können in den Zeilen 6-8 die Erfahrungskurven von 10%, 20% und 30% für die zu erreichenden Wertschöpfungskosten pro Verkaufseinheit ermittelt werden.
Grafisch entsteht der „Funnel“ (sich öffnender Tunnel), in welchem sich die geplanten und effektiven Wertschöpfungskosten im dargestellten mittelfristigen Planungshorizont (Plan 1 – Plan 6) bewegen sollten.
Erfahrurngskurven-„Funnel“
Im nächsten Beitrag wird zu fragen sein, ob die mittelfristigen Kostenstellenpläne für die Wertschöpfungskostenbereiche diese Anforderungen werden erfüllen können. Wenn nicht, sind Ideen zu generieren, wie die Plankosten der betroffenen Kostenstellen gesenkt werden können. Kann diese Anforderung nicht erfüllt werden, wird das Unternehmen wegen zu hoher Wertschöpfungskosten an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.
Bedeutung der kumulierten bisherigen Absatzmenge:
Oft ist es in Unternehmen schwierig, die bisherige kumulierte Absatzmenge zu ermitteln, sei es, weil die Daten fehlen oder wegen Änderungen im Portfolio Schätzungen vorzunehmen waren.
Wird im oben präsentierten Modell die kumulierte bisherige Absatzmenge mit 0 Stück eingegeben, sinken die zu erreichenden Wertschöpfungskosten pro verkaufte Einheit im Planjahr 1 und bei angenommener 20%-Erfahrungskurve von 8.19 auf 6.49 pro Stück. Im umgekehrten Fall, die kumulierte bisherige Absatzmenge betrage 1‘000‘000 anstatt 500‘000 Stück, steigen die zulässigen Wertschöpfungskosten auf 8.49 pro Stück.
Werden diese Extremvarianten in Betracht gezogen, ist zu erkennen, dass eine falsch geschätzte oder berechnete kumulierte Absatzmenge zwar ins Gewicht fällt, die zu erreichenden Zielwerte sich aber wenig verändern. Zu hoch eingeschätzte kumulierte bisherige Verkaufsmengen führen zu niedrigeren Kostensenkungsvorgaben für die Planjahre, zu niedrigere zu höheren. Da es sich um Planungsvorgaben handelt, sind mögliche Fehleinschätzungen vertretbar.
Erfahrungskurvenfortschritte entstehen nur teilweise automatisch, hauptsächlich werden sie durch konsequente Kostensenkungen erreicht.
Verheissungen der Erfahrungskurve
Bruce Henderson (sh. „Literaturnachweise„) hat mit umfangreichen empirischen Untersuchungen (ex post) für ganze Branchen oder für die in einem Markt angebotenen Produktmengen in verschiedenen Industrien belegt, dass die
(realen) vollen Wertschöpfungskosten bei jeder Verdoppelung der kumulierten Ausbringungsmenge um 20 bis 30% sinken.
Die praktische Anwendung dieser Erkenntnis in der eigenen Organisation erfordert es, die Verheissungen der Erfahrungskurve differenziert zu betrachten:
Die Kostensenkung gilt bei jeder Verdoppelung der kumulierten Ausbringungsmenge (seit Markteinführung eines Angebots). Wie schnell eine Verdoppelung erfolgt, ist folglich vom Markt- und vom eigenen Wachstum abhängig. In schnell wachsenden Märkten kann eine Verdoppelung der kumulierten Ausbringungsmenge (aller Anbieter) in wenigen Monaten erfolgen, in reifen Märkten kann diese mehrere Jahre erfordern.
Wertschöpfungskosten umfassen die Kosten für die im eigenen Unternehmen erbrachten Leistungen. Das sind vor allem die gesamten (proportionalen und fixen) Personalkosten und die verbrauchten extern bezogenen Dienstleistungen und Services sowie die Abschreibungen (nur fixe Kosten). Sie entstehen, damit die eigene Leistung erbracht und der Gewinn entstehen kann. Direkt produktbezogene Material- und Fremdleistungskosten gehören nicht zu den Wertschöpfungskosten, da diese durch die Lieferanten bestimmt werden. Die Wertschöpfungskosten ergeben sich, wenn vom gesamten Aufwand in der Gewinn- und Verlustrechnung die Material- und externen Dienstleistungsverbräuche abgezogen werden, welche direkt durch die verkauften Produkte verursacht wurden.
Die Wertschöpfungskosten pro verkaufte Einheit sind zu senken, um die Konkurrenzfähigkeit zu erhöhen. Die Grafik zeigt die Entwicklung der Wertschöpfungskosten bei jeder Verdoppelung der kumulierten ausgebrachten Menge, wobei angenommen wird, dass die verkauften Artikel die gleichen bleiben.
Erfahrung muss Wertschöpfungs- und Selbstkosten /Stück senken
Der absolute Unternehmensgewinn steigt, solange der Verkaufspreis gehalten werden kann (im Beispiel bei 12.00) und die Wertschöpfungskosten sowie die Kosten für Material und Fremdleistungen entsprechend den Verdoppelungen gesenkt werden können.
Die Erfahrungskurve gilt auch für die Konkurrenten. Schaffen diese die Verdoppelungen schneller, haben sie auch die Chance, ihre Wertschöpfungskosten pro Einheit schneller zu senken. Dadurch steigt ihr Potenzial, ihre Netto-Verkaufspreise zu senken und so ihre Marktstellung zu verbessern.
Die Grafik enthält noch keinen Kalenderbezug. Deshalb ist noch nicht ableitbar, welche Kostensenkungen in welchen Jahren zu realisieren sind. Die Vorgehensweise der Quantifizierung wird in einem weiteren Beitrag erläutert.
Vier Wirkungsfaktoren bestimmen die Realisierung von Erfahrungskurvenfortschritten: Skaleneffekt, Lerneffekt, verbesserte Verfahren, Produktgestaltung.
Skaleneffekte treten mehr oder weniger automatisch ein. Steigen die Absatz- und damit die Produktionsmenge, verteilt sich der Fixkostenblock auf mehr Einheiten, wodurch die durchschnittlichen kompletten Produktkosten sinken.
Lerneffekt: Menschen und Maschinen lernen aus der Erfahrung. Durch Wiederholung können gleichbleibende Prozesse mit weniger Zeitaufwand abgewickelt werden. Die Prozesse werden effizienter, was sich in niedrigeren Bearbeitungszeiten pro Stück auswirkt. Administrative Prozesse können ebenfalls mit weniger Zeitaufwand und weniger Fehlern erledigt werden. Durch integrierte Datenverarbeitung stehen Informationen bereichsübergreifend zur Verfügung und durch Machine Learning und Künstliche Intelligenz können viele Auswertungsarbeiten automatisiert werden.
Technologiefortschritte: Durch den Einsatz neuer und leistungsfähigerer Anlagen kann die Herstellung mit weniger Zeitaufwand und eventuell verbesserter Qualität erfolgen. Oft werden solche Investitionen mit Kapazitätserweiterungen kombiniert.
Produktdesign: Neue Materialien und neue Formen ermöglichen kostengünstigere Herstellung. Die Veränderung des Produktdesigns sollte zugleich höhere Verkaufsmengen und veränderte Verkaufspreise ermöglichen.
Ergebnisentwicklung und Erfahrung
Grunddaten für ErfahrungskurveEntwicklung von Nettoerlös, Kosten und EBIT
Die Tabelle und die Grafiken zeigen beispielhaft, wie sich die Erfahrungskurvenfaktoren und die Steigerung der Absatzmengen über 7 Jahre auf den Gewinn vor Abzug von Steuern und Zinsen (EBIT) auswirken:
Die Zunahme der Absatzmengen über die Jahre führt trotz fallender Nettoerlöse pro Stück zu stark steigenden absoluten Nettoerlösen.
Die Fixkosten sinken pro Stück, obwohl die Absolutbeträge für Abschreibungen und fixe Personal- und Sachkosten steigen (Fixkostendegression).
Durch Lerneffekte und Prozessverbesserungen in der Fertigung sowie eventuell durch günstigeren Materialeinkauf sinken die proportionalen Herstellkosten von 10.00 auf 8.00 pro Stück.
Die oben gewählte Darstellungsform der Entwicklungen setzt voraus, dass im Management Accounting eindeutig zwischen proportionalen und fixen Kosten unterschieden wird und dass eine Deckungsbeitragsrechnung erstellt wird (vgl. dazu die entsprechenden Beiträge im Blog „Management Accounting“ (Themenstruktur)).
Kostensenkungsmöglichkeiten überall suchen
Zu beachten ist, dass nur die Fixkostendegression eine automatische Folge der wachsenden Absatzmengen ist. Die Verheissungen der Erfahrungskurve in der eigenen Organisation zu realisieren, erfordert grosse Anstrengungen in der operativen Planung, Umsetzung und Steuerung. Kostensenkungsmöglichkeiten sind überall im Unternehmen zu suchen, nicht nur bei den Produkten. Niedrigere absolute Personaladministrationskosten senken in der Gesamtbetrachtung die Durchschnittskosten pro Stück genauso wie eine unterproportionale Steigerung der IT-Kosten im Verhältnis zum Umsatzwachstum im gleichen Zeitraum.
In den nächsten Beiträgen werden Instrumente gezeigt, welche die Erzielung der Verbesserungen unterstützen.
Kontinuierliche Verbesserung der eigenen Kostenposition ist Voraussetzung für das Bestehen im Konkurrenzkampf.
Kostenposition verbessern
Güter werden preisgünstiger und leistungsstärker
Zur Konsumentenerfahrung gehört, dass gleichbleibende Produkte, ohne Inflationsraten zu beachten, im Zeitablauf pro Stück günstiger angeboten werden oder dass für den gleichen Preis mehr Leistung angeboten wird.
Einige Beispiele:
1983 kam das Motorola Dyna Tac 8000x als erstes kommerziell angebotenes Handy zum Preis von $ 3‘995 auf den Markt. 30 Jahre später war im Fachhandel für rund $ 20, also grob 5‰, ein Handy mit mehr Funktionen und ohne Bindung an einen Service Provider zu kaufen.
Der Original-IBM Personal Computer wurde 1981 zum Preis von $ 1‘565 im Markt eingeführt. 30 Jahre später waren PC’s für weit unter $ 100 käuflich. Diese waren zudem viel leistungsfähiger als das Original und boten mehr Funktionen. Der HP LaserJet-Drucker kam 1984 zum Preis von $ 3‘495 auf den Markt. Ebenfalls nach rund 30 Jahren waren Laserdrucker um $ 100 im Angebot.
In https://winhistory.de wird die Entwicklung der Verkaufspreise pro MegaByte Festplattenkapazität von 1997 bis 2011 gezeigt:
Entwicklung der Festplattengrössen und Preise pro Megabyte
Dass für den gleichen Preis im Zeitablauf mehr Leistung geboten wird, ist in vielen, wenn auch nicht in allen Bereichen der Wirtschaft festzustellen. Ursachen dafür sind vor allem technologische Verbesserungen, der Konkurrenzkampf und steigende Produktionsmengen.
Die durchschnittlichen gesamten Kosten pro Outputeinheit sind im (internationalen) Wettbewerb kontinuierlich zu senken. Schafft das ein Unternehmen nicht, wird es seine (bestehende oder neue) Konkurrenz tun und dadurch die Marktstellung sowie die Absatzchancen der eigenen Gesellschaft verschlechtern.
Für das Erarbeiten oder Erhalten einer starken Marktstellung ist somit eine schnell und kontinuierlich verbesserte Kostenposition eine zentrale Voraussetzung. Unternehmen müssen ihre durchschnittlichen Selbstkosten pro Produkteinheit im Zeitablauf massiv senken können, wollen sie Verkaufspreissenkungen der Konkurrenz parieren und ihre Rentabilität erhalten können. Unternehmen, die diesen Spagat schafften, wurden zum Teil zu weltumspannenden Konzernen. Viele andere mussten aufgeben, weil sie nicht in der Lage waren, die vollen Kosten pro hergestellte Einheit in genügendem Masse zu senken.
Diese Zusammenhänge sind schon lange bekannt. B.D. Henderson hat als Folge seiner empirischen Untersuchungen schon 1974 das Erfahrungsgesetz – auch als Erfahrungskurve oder Boston-Effekt bekannt – vorgestellt (vgl. B.D. Henderson, die Erfahrungskurve in der Unternehmensstrategie, Frankfurt/New York, 1974).
In den folgenden Beiträgen werden zuerst die Bestimmungsfaktoren der Erfahrungskurve analysiert. Dann wird gezeigt, wie das Konzept der Erfahrungskurve in die eigene Planung und Steuerung integriert werden kann. Im Vordergrund steht die Abstimmung interner Ziele mit den externen Marktentwicklungen.
Dynamische Investitionsrechnung zur Beurteilung von Projekten und Strategien
Brauerei Schützengarten St. Gallen, älteste selbständige Brauerei der Schweiz
Die Brauerei Schützengarten AG in St. Gallen wurde 1779 gegründet. Sie ist die die älteste private und selbständige Brauerei in der Schweiz. Trotz Verdrängungswettbewerb und der Marktbeherrschung durch wenige internationale Grossbrauereien schafft sie es, Marktanteile zu gewinnen und gleichzeitig finanziell nachhaltig erfolgreich zu bleiben.Das Sortiment wird kontinuierlich auf neue Kundenbedürfnisse ausgerichtet; an internationalen Wettbewerben gewinnt die Brauerei regelmässig höchste Auszeichnungen für ihre neuen Produkte.
Diese Entwicklung hat zwei Hauptursachen:
Die Produktivität der operativen Prozesse wird in allen Bereichen kontinuierlich verbessert, was sich natürlich positiv auf die Rentabilität auswirkt.
Auffahrt an den Pferdesporttagen, ca. 1960
Roboter für die Fassfüllerei
Zwecks Produktivitätsverbesserung war zu entscheiden, ob sich die Investition in zwei Handlingsroboter für die Fassfüllerei lohnen würde und wie viele Jahre der Nutzen fliessen müsste, bis die Kosteneinsparungen die Investition und ihre Verzinsung decken würden.
Die dynamische Investitionsrechnung ist das Instrument für die finanzielle Beurteilung dieser Entscheidung.
Die Brauerei Schützengarten AG wollte durch den Robotereinsatz folgende Nutzen erzielen:
Verhinderung körperlicher Langzeitschäden für die in der Fassfüllerei arbeitenden Personen (Gewicht der Fässer (KEG’s) und Anzahl der Bewegungen).
Die drucksichere Füllung, Prüfung und Versiegelung belegen (Qualitätssicherung)
Auch für saisonale Konsumspitzen jederzeit genügend Abfüllkapazität haben (an grossen Veranstaltungen wird Bier hauptsächlich offen, d.h. aus Fässern ausgeschenkt)
Die erbrachten Leistungseinheiten und den Zustand der Anlage (präventive Wartung) elektronisch messen können.
Pro Outputeinheit (verschiedene KEG-Grössen) kostengünstiger produzieren.
Die Investitionsbeträge und die laufenden Ausgaben für den Betrieb (vor allem Stromverbrauch und Anlagenunterhalt) gingen aus den Angeboten der Lieferanten hervor, die Kosten der aktuellen Mitarbeiter in der Fassfüllerei stammten aus der Kostenstellenrechnung oder aus den Lohn- und Sozialleistungsabrechnungen. Die qualitativen und die kapazitätsmässigen Anforderungen der Punkte 2. – 4. sind Musskriterien, welche in den Angeboten abzudecken sind. Höhere Gebühren für Unfallversicherung und Betriebshaftplicht könnten eventuell noch dazukommen. Das war aber im beschriebenen Beispiel nicht der Fall.
Investitionsrechnung für Robotereinsatz: Investitions- und laufende Ausgaben
Für die Entscheidungsvorbereitung trug der Controller der Brauerei folgende Angaben zusammen:
Die betriebswirtschaftliche Plannutzungsdauer beträgt 15 Jahre. Die Geldflüsse sind gegliedert nach Investitionsbeträgen, welche zu Beginn der Massnahme zu bezahlen sind und nach den zu erwartenden jährlichen Ausgaben. Der Investitionsbetrag wird ins Anlagevermögen gebucht und ab Nutzungsjahr 1 abgeschrieben.
Zu erwartende Geldflüsse für den Robotereinsatz
Schon diese Übersicht zeigt, dass die Roboterinstallation nach rund zwei Jahren komplett zurückbezahlt sein wird, dann aber viele weitere Jahre genutzt werden kann.
In den meisten Unternehmen konkurrieren verschiedene Investitionsvorhaben mit verschiedenen Plannutzungsdauern gleichzeitig um ihre Freigabe. Damit die unterschiedlichen Laufzeiten und Investitionsbeträge der Projekte zueinander vergleichbar gemacht werden können, ist dem Zeitwert von Geld Rechnung zu tragen. Die dynamische Investitionsrechnung schafft diesdurch Abzinsung der jährlichen Geldflüsse auf den Startzeitpunkt.
Investitionsrechnung für Handlingroboter in der Brauerei
Wird eine Zielverzinsung von 10% vor Zinsen und Ertragsteuern angesetzt, ist aus (8) zu entnehmen, dass die Investition durch die Nutzen nach knapp zwei Jahren bezahlt ist.
Bestimmung des erforderlichen ROCE
Für die Bestimmung der einzusetzenden Zielverzinsung empfiehlt es sich, die Finanzierungsstruktur des Unternehmens zu berücksichtigen und vom zinskostenden Kapital (Capital Employed) auszugehen. Die im Investitionsrechenmodell angesetzten 10% lassen sich im Modell unternehmensspezifisch anpassen.
Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass ein Unternehmen, langfristig betrachtet, jährlich circa 10% Return on Capital Employed (ROCE) schaffen muss, sollen die Aktionäre ihr Geld diesem Unternehmen weiterhin zur Verfügung stellen (vgl. die Herleitung und die empirischen Erkenntnisse für verschiedene Länder im Buch «360°-Management für alle Funktionen und Führungsstufen»).
Im Zahlenbeispiel wird ein EBIT (Gewinn vor Zinsen und Ertragsteuern von 100 mit einer (betrieblichen) Bilanzsumme von 1’000 erzielt, was einem ROI von 10% entspricht. Kreditorenbestände und Kundenanzahlungen kosten keinen Zins, wodurch das zinskostende Vermögen 900 beträgt. Das netto eingesetzte Kapital generiert somit einen ROCE von 11.11%. Mit dem EBIT sind die Fremdkapitalzinsen von 50 und die Ertragsteuern von 10 zu bezahlen. Der für die Aktionäre verbleibende Gewinn beträgt 40 und das dafür eingesetzte Eigenkapital 400. Die Eigenkapitalrentabilität ist folglich 10%.
Investitionsrechnung = reine Geldflussbetrachtung
Bei der Anwendung des Investitionsrechenmodells ist zu beachten, dass wirklich nur die durch einen Investitionsentscheid erwarteten Geldein- und -ausgänge berücksichtigt werden. Abschreibungen haben in einer Investitionsrechnung nichts zu suchen, da die Geldausgabe für die Investition schon enthalten ist. Für Investitionsentscheidungen sind auch eventuell niedrigere Steuerzahlungen nicht entscheidungsrelevant, da die definitive Steuerlast erst aufgrund der in einem Berichtsjahr real eingetretenen Gewinne berechnet wird.
Das vorgestellte Investitionsrechenmodell eignet sich für mehrere Zwecke:
Schätzung der finanziellen Auswirkungen strategischer und mittelfristiger operativer Entscheidungen
Vergleich der finanziellen Auswirkungen konkurrierender Investitionsprojekte und Auswahl der zu realisierenden
Grundlage für die Erstellung des mittelfristigen (strategischen) Investitionsplans.
Fazit
Die Roboter sind im Einsatz. Wie sie arbeiten, sehen Sie im Video: Handlingroboter Brauerei Schützengarten (youtube.com). Der Investitionsentscheid war richtig, die erwarteten Nutzen werden kontinuierlich realisiert. Die Brauerei Schützengarten AG hat ihre Konkurrenzfähigkeit verbessert.
Wir wünschen der Brauerei weiterhin nachhaltigen Umsetzungserfolg.
Braumeisterin Regina präsentiert „Dein Schüga“
Brauerei Schützengarten St. Gallen, älteste selbständige Brauerei der Schweiz
Die Brauerei Schützengarten AG in St. Gallen wurde 1779 gegründet. Sie ist die die älteste private und selbständige Brauerei in der Schweiz. Trotz Verdrängungswettbewerb und der Marktbeherrschung durch wenige internationale Grossbrauereien schafft sie es, Marktanteile zu gewinnen und gleichzeitig finanziell nachhaltig erfolgreich zu bleiben.Das Sortiment wird kontinuierlich auf neue Kundenbedürfnisse ausgerichtet; an internationalen Wettbewerben gewinnt die Brauerei regelmässig höchste Auszeichnungen für ihre neuen Produkte.
Diese Entwicklung hat zwei Hauptursachen:
Die Produktivität der operativen Prozesse wird in allen Bereichen kontinuierlich verbessert, was sich natürlich positiv auf die Rentabilität auswirkt.
Auffahrt an den Pferdesporttagen, ca. 1960
Roboter für die Fassfüllerei
Zwecks Produktivitätsverbesserung war zu entscheiden, ob sich die Investition in zwei Handlingsroboter für die Fassfüllerei lohnen würde und wie viele Jahre der Nutzen fliessen müsste, bis die Kosteneinsparungen die Investition und ihre Verzinsung decken würden.
Die dynamische Investitionsrechnung ist das Instrument für die finanzielle Beurteilung dieser Entscheidung.
Die Brauerei Schützengarten AG wollte durch den Robotereinsatz folgende Nutzen erzielen:
Verhinderung körperlicher Langzeitschäden für die in der Fassfüllerei arbeitenden Personen (Gewicht der Fässer (KEG’s) und Anzahl der Bewegungen).
Die drucksichere Füllung, Prüfung und Versiegelung belegen (Qualitätssicherung)
Auch für saisonale Konsumspitzen jederzeit genügend Abfüllkapazität haben (an grossen Veranstaltungen wird Bier hauptsächlich offen, d.h. aus Fässern ausgeschenkt)
Die erbrachten Leistungseinheiten und den Zustand der Anlage (präventive Wartung) elektronisch messen können.
Pro Outputeinheit (verschiedene KEG-Grössen) kostengünstiger produzieren.
Die Investitionsbeträge und die laufenden Ausgaben für den Betrieb (vor allem Stromverbrauch und Anlagenunterhalt) gingen aus den Angeboten der Lieferanten hervor, die Kosten der aktuellen Mitarbeiter in der Fassfüllerei stammten aus der Kostenstellenrechnung oder aus den Lohn- und Sozialleistungsabrechnungen. Die qualitativen und die kapazitätsmässigen Anforderungen der Punkte 2. – 4. sind Musskriterien, welche in den Angeboten abzudecken sind. Höhere Gebühren für Unfallversicherung und Betriebshaftplicht könnten eventuell noch dazukommen. Das war aber im beschriebenen Beispiel nicht der Fall.
Investitionsrechnung für Robotereinsatz: Investitions- und laufende Ausgaben
Für die Entscheidungsvorbereitung trug der Controller der Brauerei folgende Angaben zusammen:
Die betriebswirtschaftliche Plannutzungsdauer beträgt 15 Jahre. Die Geldflüsse sind gegliedert nach Investitionsbeträgen, welche zu Beginn der Massnahme zu bezahlen sind und nach den zu erwartenden jährlichen Ausgaben. Der Investitionsbetrag wird ins Anlagevermögen gebucht und ab Nutzungsjahr 1 abgeschrieben.
Zu erwartende Geldflüsse für den Robotereinsatz
Schon diese Übersicht zeigt, dass die Roboterinstallation nach rund zwei Jahren komplett zurückbezahlt sein wird, dann aber viele weitere Jahre genutzt werden kann.
In den meisten Unternehmen konkurrieren verschiedene Investitionsvorhaben mit verschiedenen Plannutzungsdauern gleichzeitig um ihre Freigabe. Damit die unterschiedlichen Laufzeiten und Investitionsbeträge der Projekte zueinander vergleichbar gemacht werden können, ist dem Zeitwert von Geld Rechnung zu tragen. Die dynamische Investitionsrechnung schafft diesdurch Abzinsung der jährlichen Geldflüsse auf den Startzeitpunkt.
Investitionsrechnung für Handlingroboter in der Brauerei
Wird eine Zielverzinsung von 10% vor Zinsen und Ertragsteuern angesetzt, ist aus (8) zu entnehmen, dass die Investition durch die Nutzen nach knapp zwei Jahren bezahlt ist.
Bestimmung des erforderlichen ROCE
Für die Bestimmung der einzusetzenden Zielverzinsung empfiehlt es sich, die Finanzierungsstruktur des Unternehmens zu berücksichtigen und vom zinskostenden Kapital (Capital Employed) auszugehen. Die im Investitionsrechenmodell angesetzten 10% lassen sich im Modell unternehmensspezifisch anpassen.
Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass ein Unternehmen, langfristig betrachtet, jährlich circa 10% Return on Capital Employed (ROCE) schaffen muss, sollen die Aktionäre ihr Geld diesem Unternehmen weiterhin zur Verfügung stellen (vgl. die Herleitung und die empirischen Erkenntnisse für verschiedene Länder im Buch «360°-Management für alle Funktionen und Führungsstufen»).
Im Zahlenbeispiel wird ein EBIT (Gewinn vor Zinsen und Ertragsteuern von 100 mit einer (betrieblichen) Bilanzsumme von 1’000 erzielt, was einem ROI von 10% entspricht. Kreditorenbestände und Kundenanzahlungen kosten keinen Zins, wodurch das zinskostende Vermögen 900 beträgt. Das netto eingesetzte Kapital generiert somit einen ROCE von 11.11%. Mit dem EBIT sind die Fremdkapitalzinsen von 50 und die Ertragsteuern von 10 zu bezahlen. Der für die Aktionäre verbleibende Gewinn beträgt 40 und das dafür eingesetzte Eigenkapital 400. Die Eigenkapitalrentabilität ist folglich 10%.
Investitionsrechnung = reine Geldflussbetrachtung
Bei der Anwendung des Investitionsrechenmodells ist zu beachten, dass wirklich nur die durch einen Investitionsentscheid erwarteten Geldein- und -ausgänge berücksichtigt werden. Abschreibungen haben in einer Investitionsrechnung nichts zu suchen, da die Geldausgabe für die Investition schon enthalten ist. Für Investitionsentscheidungen sind auch eventuell niedrigere Steuerzahlungen nicht entscheidungsrelevant, da die definitive Steuerlast erst aufgrund der in einem Berichtsjahr real eingetretenen Gewinne berechnet wird.
Das vorgestellte Investitionsrechenmodell eignet sich für mehrere Zwecke:
Schätzung der finanziellen Auswirkungen strategischer und mittelfristiger operativer Entscheidungen
Vergleich der finanziellen Auswirkungen konkurrierender Investitionsprojekte und Auswahl der zu realisierenden
Grundlage für die Erstellung des mittelfristigen (strategischen) Investitionsplans.
Fazit
Die Roboter sind im Einsatz. Wie sie arbeiten, sehen Sie im Video: Handlingroboter Brauerei Schützengarten (youtube.com). Der Investitionsentscheid war richtig, die erwarteten Nutzen werden kontinuierlich realisiert. Die Brauerei Schützengarten AG hat ihre Konkurrenzfähigkeit verbessert.
Wir wünschen der Brauerei weiterhin nachhaltigen Umsetzungserfolg.
Cost/Benefit-Faktoren zu beurteilen gelingt nur, wenn man sich in die Entscheidungssituation des (potenziellen) Kunden versetzt.
Kaufentscheidende Kriterien ermitteln
Der gesamte wahrgenommene Benefit wird anhand von gewichteten Benefit-Kriterien ermittelt. Dabei werden nicht nur die Kriterien berücksichtigt, die das Produkt oder die Dienstleistung konstituieren, sondern auch Service-, Added-Value- und Imagekriterien.Handelt es sich um ein klassisches, haptisches Produkt, sind die konstituierenden Kriterien meist äquivalent mit den technischen Daten: Motorleistung, Ladevolumen, Taktfrequenz, Kompaktheit der Abmessungen, Fertigungstoleranz oder Ähnliches.
Wird die Kundennutzenanalyse für eine Dienstleistung erstellt, geht es um die Kriterien, die diese Dienstleistung konstituieren. Bei einer Logistikdienstleistung sind dies z.B. die zeitnahe Lieferung der Ware, bei einer Beratungsdienstleistung die fachliche Kompetenz der Berater oder bei einer Ausbildungsdienstleistung die Wahrscheinlichkeit, die Diplomprüfung zu bestehen.
Sowohl beim Kauf von haptischen Produkten wie auch beim Kauf von Dienstleistungen können nicht-konstituierende, ergänzende Dienstleistungen eine entscheidende Rolle spielen. Im Jargon der Kundennutzenanalyse spricht man meistens von Service-Kriterien. Dazu zählen je nach Geschäft die fachliche Qualität der Verkaufsberatung, die Lieferfristen, die Freundlichkeit der Bedienung, die Garantieleistungen, die Dichte des Netzes der Servicestellen, die Verfügbarkeit von Ersatzteilen, die unkomplizierte Buchung eines Upgrades, die Verfügbarkeit einer Hotline, usw.
Added-Value-Kriterien bieten aus Kundensicht einen Mehrwert, z.B. «Rezyklierbarkeit» oder «Hergestellt in der Schweiz».
Image-Kriterien bewerten das Markenimage oder das Image von Influencern, die das Produkt bewerben. In Business-to-Business-Geschäften sind oft (Projekt)-Referenzen wichtig, v.a. im Neukundengeschäft. Im Bestandskundengeschäft kann demgegenüber das Image-Kriterium «Hat letztes Mal prima funktioniert» eine zentrale Rolle spielen. Es steht für eine Kompetenzvermutung, aufgrund derer der Bestandskunde ohne weitere sachlicher Prüfung aller anderen Kriterien zum Kauf schreitet. Gerade in Projektgeschäften wird oft unterschätzt, dass die Projektmitarbeiter des heutigen Projekts die wichtigsten «Verkäufer» für das nächste Projekt sind.
Analog zum Benefit werden die gesamten durch die potenziellen Kunden wahrgenommenen Kosten mit gewichteten Cost-Kriterien ermittelt. Hierzu gehören typischerweise einmalige und wiederkehrende monetäre Kosten. Zu den einmaligen monetären Kosten gehört der Verkaufspreis, aber auch einmalige Projektinvestitionen (die Finanzexperten sprechen von Capital Expenditure, oder kurz: CAPEX). Zu den wiederkehrenden monetären Kosten gehören Wartungskosten, Lizenzkosten, Verbrauchsmaterialien etc. (die Finanzexperten sprechen von Operational Expenditure, oder kurz: OPEX).
Obwohl es sowohl bei CAPEX wie bei OPEX um Geldwerte geht, die der nüchterne Rechner in einem Zeitwert (Net Present Value, NPV) zusammenkondensieren kann, empfiehlt es sich in der Kundennutzenanalyse, diese Cost-Kriterien klar auseinanderzuhalten. In der Kaufentscheidung wird meist nicht 100% nüchtern gerechnet, sondern es spielen auch politische Faktoren eine Rolle. Einige Kunden mögen keinen CAPEX und gewichten deshalb die einmaligen monetären Cost-Kriterien höher als die wiederkehrenden. Andere machen es genau umgekehrt.
Auch die nicht-monetären Cost-Kriterien spielen eine bedeutende Rolle in der Kaufentscheidung. Dazu gehört z.B. der Zeitaufwand, der auf Kundenseite anfällt, um ein Produkt einzukaufen und zu betreiben. Weitere nicht-monetäre Kosten, die in der Kaufentscheidung eine Rolle spielen können, sind die Personalkapazitäten, die auf Kundenseite absorbiert werden, der Platzbedarf oder die Verwässerung der Management Attention.
Zu den nicht-monetären Kosten können auch Opportunitätskosten gehören – also faktisch das Bedauern, dass man sich mit dem Entscheid für einen Kauf die Möglichkeit vergibt, eine weitere Kaufentscheidung zu treffen, weil z.B. für die zweite Kaufentscheidung nicht mehr genügend Budget zur Verfügung steht. Auch die Sunk Costs, also Ausgaben aus früheren Beschlüssen, können eine kaufentscheidende Rolle spielen. Entscheidet sich ein Käufer z.B. für eine neue IT-Plattform, werden die bereits getätigten Investitionen in die alte Plattform obsolet. Nüchterne Experten der Investitionsrechnung wissen zwar, dass Sunk Costs in Entscheidungen für Zukunftsinvestitionen nichts verloren haben. Trotzdem berücksichtigen die meisten Kunden solche Ausgaben aus politischen oder emotionalen Gründen. Ein Hersteller, der diesem Umstand nicht gezielt Rechnung trägt, verschlechtert seine Marktstellung, weil seine Produktentwicklung und/oder seine Marketing- und Verkaufskommunikation am Kunden vorbeiläuft.
Ebenfalls zu den Cost-Kriterien gehören alle Arten von Risiken, die der Kunde mit der Kaufentscheidung verbindet, und die er minimieren möchte. Dazu gehören Kapitalverlust-, Währungs-, Haftungs- oder Reputationsrisiken.
Es ist essenziell, sich in der Kundennutzenanalyse kompromisslos in die Kundenperspektive zu versetzen. Nur weil der Wirt ein Weinliebhaber ist, heisst dies noch nicht, dass die Kunden wegen der Qualität der Weinkarte ins Restaurant kommen. Vielleicht ist ihnen die Freundlichkeit der Bedienung viel wichtiger – ein Benefit-Kriterium, das der Wirt vielleicht zu tief gewichtet oder ganz übersieht. Ob die Bedienung freundlich und zuvorkommend ist, beurteilen die Kunden (und sagen es weiter), nicht der Wirt.
Oft ist zunächst nicht klar, ob ein Kriterium eher ein Cost- oder ein Benefit-Kriterium ist. Die kompromisslose Einnahme der Kundensicht führt auch hier zur Lösung. Für den knapp kalkulierenden Gewerbetreibenden ist der Benzinverbrauch eines Fahrzeugs ein klares Cost-Kriterium. Für den urbanen Hipster, der bei seinen Kollegen mit Hi-Tech prahlen möchte, ist der (sehr tiefe) Verbrauch eher ein Image-Kriterium auf der Benefit-Seite.
Eigenbild versus Fremdbild
Bei der Durchführung einer Kundennutzenanalyse ist es üblich, zunächst ein sogenanntes «Eigenbild» zu erstellen. Dabei halten die Geschäftsverantwortlichen fest, wie sie glauben, dass ihre Kunden «ticken». Meist entstehen dabei recht robuste Bilder. Diese Eigenbilder sollte zeitnah mit Fremdbildern validiert werden. Dafür empfehlen sich persönliche Befragungen, Umfragen oder Fokusgruppen.
Das Eigenbild wird idealerweise in einem heterogenen Team erstellt, in welchem die Vertriebs-, die Management- und die technische Perspektive verbunden werden. Das erstellte Eigenbild kann dann im engeren Umfeld plausibilisiert werden, z.B. mit Arbeitskollegen ausserhalb der Arbeitsgruppe. Im nächsten Schritt werden bereits zugewandte Kunden beigezogen.
In diesen Ablaufschritten geht es um die Validierung der vom Kunden in Betracht gezogenen Alternativen sowie der Cost- und Benefit-Kriterien. Die Gewichtung der Kriterienanteile und die vergleichende Bewertung der Alternativen können mittels webbasierten Umfragen erhoben werden.
In jeder Etappe, auch bei grossflächigen Umfragen, ist es wichtig, offene Antworten zuzulassen. Durch eine gute, schrittweise Vorbereitung ist zu verhindern, dass eine gross angelegte Umfrage ergibt, dass man «den Markt» völlig falsch verstanden hat. Ist dem aber trotzdem so, sollte man nochmals von vorne beginnen. Sonst riskiert man, in ein anderes Geschäft zu investieren als dasjenige, in welchem die (potenziellen) Kunden das beste Cost/Benefit-Verhältnis suchen.
Die kaufentscheidenden Kirterien der (potenziellen) Kunden sind der wichtigste Input, um eine Kundennutzenanalyse erstellen und auswerten zu können.
Kundennutzenanalyse erstellen
Eine gut gemachte Kundennutzenanalyse erstellen erfordert erstens die Festlegung, welche Kaufentscheidung sie in den Blick nimmt. Dazu gehört im Minimum die Angabe des Kundensegments und eine Angabe zur Situation, in der diese Kunden die Kaufentscheidung treffen. Als Zweites nennt die Kundennutzenanalyse die verschiedenen Alternativen, die von den Kunden bei ihrer Kaufentscheidung in Betracht gezogen werden. An dieser Stelle ist es wichtig, nicht nur die direkten Wettbewerber einzubinden, sondern alle Möglichkeiten, die der Kunde in seiner Kaufentscheidung betrachtet: Also auch «Andere Technologie wählen», «Selber machen», «Entscheidung nochmals verschieben», usw..
Als Drittes zeigt die Kundennutzenanalyse auf, wie die Kunden (und nicht die Wirte, Manager, Verkäufer, Ingenieure, Redakteure etc.) diese Alternativen im Verhältnis zueinander einschätzen. Dazu werden die Cost- und Benefit-Kriterien erarbeitet und gewichtet. Zuletzt wird bewertet, wie die Alternativen in den einzelnen Kriterien abschneiden. Damit lässt sich abschätzen, welche Wahlmöglichkeiten eine starke Marktstellung haben und welche eine schwache.
Kurzbeispiel zum «Ristorante da Noi»
Für das Restaurant-Beispiel ergeben sich folgende beiden tabellarischen Darstellungen:
Das Decider Benefit-Profile listet die Alternativen in der Kaufentscheidung in der ersten Zeile. Die Benefit-Kriterien stehen in der ersten Spalte. Rechts neben den Benefit-Kriterien findet sich die Gewichtung. In der Matrix ist auf einer Skala von gut (10) bis schlecht (1) so eingetragen, wie die Kunden die Alternativen in den einzelnen Benefit-Kriterien bewerten.
Decider Cost Profile
Das Decider Cost-Profile ist analog aufgebaut. Anstatt einer Skala von 1-10 hat sich in der Praxis allerdings ein Index bewährt: wir kosten 100, eine um 50% teurere Alternative kostet 150.
Die Kundennutzenanalyse generiert unterschiedliche grafische Darstellungen, um die erhobenen Daten auszuwerten. Die zentrale Darstellung ist die bereits im Beitrag «Das Konzept der Kundennutzenanalyse» abgebildete «Alternatives Map». Sie zeigt auf einen Blick, welche Alternativen betrachtet werden, welches das Cost/Benefit-Verhältnis jeder einzelnen Alternative ist und welche Alternative das beste Cost/Benefit-Verhältnis – und damit die beste Marktstellung – aufweist.
Zwei weitere Darstellungen sind die «Benefit Criteria Map» und die «Cost Criteria Map»:
Benefit Criteria MapCost Criteria Map
Während die «Alternatives Map» die einzelnen Alternativen abbildet, sind in diesen beiden Maps die Benefit- resp. die Cost-Kriterien einzeln abgebildet. Die horizontale Achse entspricht der Gewichtung: geringe Wichtigkeit für den Kunden (links) und hohe Wichtigkeit für den Kunden (rechts).
Die vertikale Achse entspricht der Performance. Dabei entspricht die horizontale 100%-Linie der durchschnittlichen Performance im betrachteten Markt. Liegt der Punkt in der «Benefit Criteria Map» über dieser Linie, schneidet das «Ristorante da Noi» in diesem Kriterium besser ab als der Marktdurchschnitt. Unter der 100%-Linie ist die Position des «Ristorante da Noi» in diesem Kriterium schlechter als der Marktdurchschnitt. In der «Cost Criteria Map» verhält es sich genau umgekehrt: Unterhalb der Linie ist vorteilhaft für den Anbieter, darüber ist nachteilig.
Diese Darstellungen fördern eine Fokussierung der Diskussion, wo zur Verbesserung der Marktstellung angesetzt werden soll. Die Qualität der Weinkarte ist zwar überdurchschnittlich, für die Kundschaft jedoch nicht sehr wichtig. Wie soll damit umgegangen werden? Kann die Wahrnehmung der Wichtigkeit bei den Kunden verändert werden, z.B. durch geeignete Werbung? Dies würde der bereits guten Performance einen stärkeren Hebel verleihen. In der «Alternatives Map» würde der Punkt des «Ristorante da Noi» nach rechts wandern, wodurch sich die Marktstellung verbessert, respektive die Zuschlagswahrscheinlichkeit erhöht. Könnten – alternativ – proportionale Herstellkosten gespart werden, wenn günstigere Weine von etwas geringerer Qualität angeboten würden? Die freiwerdenden Mittel könnten dann dazu eingesetzt werden, das Kriterium «Unterhaltung / Kultur» zu verbessern. In diesem Kriterium ist das «Ristorante da Noi» noch nicht so gut platziert, doch ist es für die (potenziellen) Kunden wichtig.
Preislich liegt das «Ristorante da Noi» genau im Durchschnitt. Bei den Anreisekosten ist vermutlich nicht viel zu machen, aber eine Senkung der Essenspreise würde die Marktstellung verbessern: In der «Alternatives Map» würde der Punkt des «Ristorante da Noi» nach unten wandern. Zwar würde die Massnahme die Deckungsbeiträge schmälern, dafür aber das Wachstum beschleunigen – für ein neues Angebot am Markt eigentlich der wichtigere Imperativ!
Ausführliche Details zur Marktstellung und zur Kundennutzenanalyse finden sich im Buch «Kundenorientierung» von Markus Orengo.
Die Kundennutzenanalyse ist das beste bekannte Instrument, eine Marktstellung qualitativ zu beschreiben.
Das Konzept der Kundennutzenanalyse
Die Kundennutzenanalyse ist das beste bekannte Instrument, eine Marktstellung qualitativ zu beschreiben. Oft können mit einer Kundennutzenanalyse einige Schritte zur Quantifizierung der Marktstellung gegangen werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kunde bei uns kauft und nicht beim Wettbewerb, kann jedoch bereits aus einer qualitativen Analyse zuverlässig abgelesen werden. Dies spart Zeit und verhindert Scheingenauigkeiten, die vom Wesentlichen ablenken.
Der Kundennutzenanalyse liegt die empirisch gut gestützte Annahme zugrunde, dass Kunden in ihren Kaufentscheidungen das Preis-/Leistungsverhältnis der Alternativen vergleichen, die sie in Betracht ziehen.
Die Kundennutzenanalyse ermittelt das «Cost/Benefit-Verhältnis» aus Kundensicht. Beim «Benefit» handelt es sich um alle vom Kunden wahrgenommenen Vorteile, die er sich von der Kaufentscheidung verspricht. Bei den «Cost» handelt es sich um alle vom Kunden wahrgenommenen Nachteile, die er mit dem Kauf verbindet (und nicht um die Herstellungskosten des Produktes oder der Dienstleistung).
Dabei werden nicht nur einfach fassbare, rationale Kriterien wie z.B.. Motorleistung (Benefit) oder Preis (Cost) einbezogen, sondern auch schwammigere, emotionale Kriterien wie z.B. Markenimage (Benefit) oder Reputationsrisiken (Cost). Der Kunde entscheidet sich für die Alternative, die aus seiner Perspektive das beste Cost/Benefit-Verhältnis aufweist.
Kundennutzenanalyse: Alternatives Map
Beispiel „Ristorante da Noi“
Es ist zuerst genau zu spezifizieren, welche Kaufentscheidung modelliert wird. Im hier dargestellten Beispiel analysiert das neu in den Markt eintretende «Ristorante da Noi», wie es aufgestellt ist, wenn sich Quartierbewohner dazu entscheiden, den Abend nicht vor dem TV zu verbringen. Entsprechend enthält die «Alternatives Map» nicht nur andere Restaurants, sondern auch branchenfremde Alternativen, welche die Kunden bei dieser Art von Entscheidung in Betracht ziehen. Gerade das Einladen einiger Freunde zum gemeinsamen Kochen und Essen ist eine valable Option in dieser «Kauf»-Entscheidung. Das «Ristorante da Noi» muss diese in seiner Planung mitberücksichtigen.
Es empfiehlt sich, eine zweite Kundennutzenanalyse für die Kaufentscheidung «in welches Restaurant gehen wir heute Abend?» anzufertigen. Damit würde auf den Teilmarkt derjenigen Kunden fokussiert, die bereits die Vorentscheidung getroffen haben, ein Restaurant zu besuchen. Dieser schärfere Fokus blendet allerdings verschiedene Möglichkeiten der potenziellen Kunden aus. Vielleicht könnte «da Noi» ja im grossen Markt des «Zuhause-Kochens» mit einer Catering-Dienstleistung einfacher wachsen als mit einem Frontalangriff auf die Restaurants «Toni’s Pizza» und «Zio Giovanni»?
Private und Geschäftskunden pflegen dort zu kaufen, wo der wahrgenommene Benefit gross und die wahrgenommenen Kosten klein sind – in der Grafik mit dem Restaurant-Beispiel ist dies die rechte untere Ecke. Diejenige Alternative, die nach unten rechts am weitesten von der Mittellinie (fair value line) entfernt ist, hat das beste «Cost/Benefit-Verhältnis» und damit die höchste Zuschlagswahrscheinlichkeit. Das bedeutet die beste Marktstellung für die konkrete Kaufentscheidung. Im Beispiel ist dies das «Selber kochen». Die schlechteste Marktstellung hat «Zio Giovanni»: Er liefert aus Kundensicht zwar denselben Benefit wie das «Selber kochen», ist aber etwa drei Mal teurer.
Die sicherste Prognose in der Beispielkonstellation ist folglich, dass die Alternative «selber kochen» am Schnellsten relative Marktanteile gewinnen wird. Das «Ristorante da Noi» und «Toni’s Pizza» dürfen sich ebenfalls Hoffnung auf einen Zuwachs relativer Marktanteile machen, allerdings deutlich langsamer als «selber kochen». Die Wahlmöglichkeiten in der oberen Hälfte der Grafik haben eine unterdurchschnittliche Zuschlagswahrscheinlichkeit und dürften deshalb relative Marktanteile verlieren.
Die Marktstellung beschreibt die Attraktivität eines Angebotes – aus Sicht des Kunden und im Vergleich mit den anderen Angeboten, die er in seine Kaufentscheidung einbezieht.
Die Kundennutzenanalyse ist das beste bekannte Instrument, um die Marktstellung systematisch zu analysieren und zu entwickeln.
Marktstellung und Kundennutzenanalyse
Marktstellung und Unternehmensgrösse
Eine gute Marktstellung eines Anbieters entspricht einer hohen Wahrscheinlichkeit, dass sein Angebot den Zuschlag erhält – und nicht andere Angebote, die der Kunde in seiner Kaufentscheidung ebenfalls betrachtet.
Genau genommen ist die Marktstellung eine Eigenschaft eines einzelnen Angebots.
In Geschäften, die nur wenige Angebote mit hohen Umsatzvolumen machen, wie z.B. dem Investitionsgütergeschäft, kann es durchaus Sinn machen, die Marktstellung eines einzelnen Angebotes zu bewerten. Meistens wird die Marktstellung jedoch statistisch beschrieben, bspw. für gewisse Zeitperioden, für ähnliche Kundensegmente oder für ähnliche Produktgruppen. Dazu werden absolute und relative Marktanteile ermittelt (Vgl. die Beispiele zur Marktanteilsermittlung im Beitrag «Marktstellung»). Eine reine Marktanteilsbetrachtung – sei es absolut oder relativ – reicht aber für ein strategisches Verständnis der Marktstellung nicht aus.
Kauft der Kunde bei einem Wettbewerber und nicht bei den anderen, führt dies zwangsläufig zu einer Verschiebung relativer Marktanteile: Der eine gewinnt Umsätze dazu, alle anderen bleiben da, wo sie waren und verlieren damit relativ zum Gewinner. Die Veränderung relativer Marktanteile korreliert seinerseits stark mit absoluten Grössen wie Umsatzvolumen, Anzahl Mitarbeiter, usw. Der Zusammenhang ist allerdings nicht zwingend. In rückläufigen Märkten ist es z.B. möglich, relative Marktanteile zu gewinnen und trotzdem Umsatzrückgänge verbuchen zu müssen.
Aus Führungssicht ist Folgendes essenziell: Die Wahrscheinlichkeit, dass Kunden beim Einen kaufen und nicht beim Anderen ist vom Grundsatz her völlig unabhängig von der heutigen Grösse der Wettbewerber. Kreiert (und patentiert) z.B. eine clevere Einzelperson eine neue, überlegene Lösung für ein bereits bestehendes Kundenproblem, kann diese Einzelperson in kurzer Zeit ihre Marktstellung gegenüber einem grossen Konzern verbessern, der nur die veraltete Lösung im Angebot hat.
Grösse ist entsprechend eine leider nicht garantierte, aber doch wahrscheinliche Folge einer guten Marktstellung. Anders formuliert: Die Marktstellung steuert Wachstum und damit zukünftiges Umsatzvolumen vor. So ist zu vermuten, dass der besagte Konzern früher eine starke Marktstellung hatte und deswegen heute gross ist. Falls es dem Konzern nicht gelingt, seine unter Druck geratene Marktstellung durch Innovation wieder auf Vordermann zu bringen, wird er an Grösse verlieren, während die Einzelperson – wenn sie alles richtig macht und auch etwas Glück hat – vielleicht zum Konzern von morgen wird.
Zwischen Marktstellung und Unternehmensgrösse gibt es gegenseitige Abhängigkeiten. So kann sich z.B. die limitierte Produktionskapazität der Einzelperson gleich wieder negativ auf ihre Marktstellung auswirken. Grösse allein ist jedoch kein zwingender Vorteil. Wenn umfangreiche, verwobene Strukturen durchgängige Verantwortlichkeiten oder eine adäquate Adaptation an die veränderten Marktbedingungen behindern, kann sich Grösse auch negativ auf die Marktstellung auswirken. Es ist wesentlich, dass Manager Marktstellung und Grösse klar auseinanderhalten: Einerseits werden operative Resultatgrössen wie Umsatz, Umsatzwachstum, absolute Marktanteile sowie Liquidität betrachtet. Andererseits gibt es strategische Vorsteuergrössen im Allgemeinen und hier im Speziellen die Marktstellung sowie die eng damit verknüpften relativen Marktanteile.
Um die Stellung eines Anbieters «im Markt» angeben zu können, muss natürlich zuerst umrissen werden, von welchem Markt überhaupt die Rede ist. Oft ist es so, dass Unternehmen lokal eine gute Marktstellung haben. Betrachten die Kunden aber neben den lokalen Angeboten auch solche von globalen Playern, muss auch die Stellung im globalen Markt in die strategische Beurteilung mit einfliessen. Schliesslich nützt es dem lokalen Champion nichts, wenn die lokalen Kunden doch lieber bei internationalen Playern kaufen. Man spricht zwar von Zuschlagswahrscheinlichkeiten, aber den definitiven Zuschlag kriegt zum Ende nur einer – alle anderen Anbieter können nur Kosten verbuchen, aber keine Umsätze.
«Der Markt» darf nicht nur geographisch betrachtet werden. Im Kern geht es um Kaufentscheidungen, die eine unterschiedliche Struktur aufweisen. Beispielsweise kann man eine gute Marktstellung bei Bestandskunden haben, aber eine schlechte bei Neukunden. Versteht man Markt, stärker aus der Kundenperspektive gedacht, als eine Menge von Kaufentscheidungen, die ähnlich strukturiert sind, hilft die Kundennutzenanalyse, die Situation klar zu analysieren.