Aktualisiert am 13. März 2024 durch Lukas Rieder Dr. oec.
Vorsteuerung im Produktionsbereich
Vorsteuerung im Produktionsbereich oder bei der Dienstleistungserstellung erfolgt durch mehrjährige Analyse der internen Entwicklungen. Strategische Absichten führen oft zum Umbau oder zur Weiterentwicklung bestehender Prozesse und Kapazitäten, währenddessen operativ die Verbesserung der eigenen Kostenposition im Vergleich zum Wettbewerb im Vordergrund steht (günstiger herstellen als es die Konkurrenz kann).
Operativ ist meistens davon auszugehen, dass in den nächsten Jahren grössere Mengen herzustellen sein werden und gleichzeitig die Vielfalt des Angebots breiter werden wird.
Dazu sind einerseits personelle und maschinelle Kapazitäten aufzubauen und vorzuhalten, andererseits Wege zu finden, wie die Kosten der Leistungserstellung pro Einheit reduziert werden können.
Absehbare Kapazitätsgrenzen
Kapazitätsbezogen ergeben sich mehrere Fragen:
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- Welche Anlagen werden wann ihre Kapazitätsgrenze erreichen und dann einen Ausbauschritt erfordern? Durch Gegenüberstellung der monatlichen Istbeschäftigung einer Kostenstelle zu ihrer verfügbaren Kapazität wird erkennbar, welches die Engpasskostenstellen sind. Solche Engpässe könnten das Erreichen von Umsatz- und Deckungsbeitragszielen verhindern.
- Wann wird der Personalbestand eines Bereichs erhöht werden müssen?
- Können Losgrössen gesteigert werden, um so die Einrichte- und Rüstzeiten pro Stück zu senken?
- Wie kann Verschwendung reduziert werden, d.h. Stillstandszeiten gekürzt, Ausbeutegrade erhöht und Ausschuss vermindert werden?
- Können Transporte und Liegezeiten zwischen den Bearbeitungsschritten verkleinert werden?
Die letzten beiden Punkte sind zentrale Elemente der «Lean Production». Um die beabsichtigten Auswirkungen auch wertmässig beurteilen zu können, sollen sie im Management Accounting mit abgebildet werden. Denn wenn Verschwendung zu reduzieren ist, muss sich dies in niedrigeren proportionalen Stückkosten (Material und Arbeitsleistung) sowie in niedrigeren Fixkosten der Kostenstellen abbilden. Lean Production-Ziele finden deshalb als zu erreichende Standards Eingang in Stücklisten und Arbeitspläne und damit auch in die Plan-Produktkalkulationen.
Entwicklung des Personals und Qualifikationen
Wird in der Produktion mittelfristig von steigendem Personalbedarf ausgegangen, sind pro Kostenstelle weitere Vorsteuerungsgrössen bedeutend:
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- In welchen Jahren stehen Pensionierungen von Mitarbeitenden an und wie viele?
- Wie viele Auszubildende werden bis dann ihre Ausbildung abgeschlossen haben und könnten die Vakanzen wieder auffüllen?
- Welcher am Arbeitsmarkt zu rekrutierende Personalbedarf ergibt sich für die nächsten Jahre?
- Welche Ausbildungs- oder Kenntnisdefizite sind zu beheben, damit die Produktion möglichst störungsfrei laufen kann?
Verschwendung vermeiden
Sowohl in fertigenden Unternehmen als auch im Handel können «Verschrottungen» ein bedeutender Verschwendungsfaktor sein. Verschrottungen sind die Folge von zu grossen Bestellungen im Einkauf oder von zu hohen Produktionsbestellungen. Sie führen zu zusätzlichen Fixkosten, weil
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- Material nach einer gewissen Zeit verdirbt oder Qualitätsverluste erleidet,
- mehr als bestellt produziert wird, um das bezogene Material komplett zu verarbeiten und so keine Reste zurück ans Lager liefern zu müssen,
- der Verkauf hofft, die Restbestände später verkaufen zu können und die Produktion deshalb bittet, mehr als das Bestellte herzustellen.
Für Produktions- und Einkaufsleiter empfiehlt es sich deshalb, die Entwicklung der Verschrottungskosten artikelweise mindestens jährlich zu verfolgen und nötigenfalls die Planproduktion anzupassen.
Trotz zunehmendem Einsatz von Informationstechnologie steigt im Bereich der Produktionsplanung und -steuerung und in der Leitung tendenziell der Arbeitsaufwand. Stichworte sind z.B.: Stammdatenqualität, detailliertere Planung, Chargenverfolgung, Reklamationsbearbeitung, Dokumentation, Betriebsdatenerfassung und Mitarbeiterbetreuung. Deshalb sollen auch diese Internen Aufgaben in der Zeitaufschreibung erfasst werden, damit auswertbar wird, für welche Arbeiten wie viel Arbeitszeit eingesetzt wird und wie sich die Stundenbedarfe im Zeitablauf entwickeln.
Kontinuierliche Prozessverbesserung messen
Die Vergrösserung der angebotenen Produktepalette führte in der Stanzerei der Ringbuch AG zu mehr aber kleineren Fertigungsaufträgen. Zudem stieg die hergestellte Menge über 5 Jahre um nahezu 20% (von 6’000 auf 7’100 Stück). Diese Steigerung konnte ohne zusätzliches Personal durch 4 Personen (inklusive Chef) bewältigt werden. Die totalen Fertigungskosten der Kostenstelle sind in diesen fünf Jahren zwar um rund 5% gestiegen (Lohnerhöhungen), trotzdem produziert die Stanzerei heute, bezogen auf ein Stück, günstiger.
Folgende Faktoren haben dazu beigetragen:
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- Entlastung des Kostenstellenleiters ab Jahr 2 durch Einführung der elektronischen Betriebsdatenerfassung. Die freiwerdende Zeit erlaubte es ihm, vermehrt direkt in der Produktion zu arbeiten.
- Verkürzung der Rüst- und Einrichtzeiten pro Fertigungsauftrag
- Bessere Anwendungsschulung der Mitarbeiter führte zu weniger Fehlern und zu kürzeren Bearbeitungszeiten pro Stück.
Insgesamt wurde in erfreulichem Ausmass Verschwendung reduziert (Lean). Per Ende des Jahres 5 wird die Stanzerei zur Engpasskostenstelle, weil der Personalbestand erhöht werden muss, steigen die Absatz- und damit die Produktionsmengen weiter.
Aus der grafischen Darstellung sind die Auswirkungen dieser Verbesserungsmassnahmen zu erkennen, wenn die Analyse etwas detaillierter angegangen wird:
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- Die Gesamtkosten der Stanzerei sind von 500’000 auf 522’586 im Jahr 5 gestiegen (+1.05%). Das ist auf die Lohnerhöhungen und auf Preissteigerungen bei den Hilfs- und Betriebsmaterialien zurückzuführen.
- Wegen der erwähnten Prozessverbesserungen konnte die produzierte Leistung von 6’000 Stück auf 7’100 Stück erhöht werden, währenddessen die dafür verbrauchten Bearbeitungsstunden nur von 6’000 auf 6’450 Stunden stiegen. Das erklärt, weshalb in der rechten Grafik die proportionalen Stückkosten trotz Lohnerhöhungen von 60.00 auf 57.28 gesunken sind.
- Die fixen Kosten sind wegen der Einführung der Betriebsdatenerfassung und wegen der Anstrengungen des Kostenstellenleiters, die internen Aufgaben mit weniger Arbeitsaufwand zu erfüllen, auf 115’907 gesunken (linke Grafik). Als Folge sind (rein rechnerisch) die Produktionsfixkosten pro Stück von 23.33 auf 13.60 gesunken (rechte Grafik).
Durch den Fixkostenabbau und durch die Erhöhung der Produktivität in der Fertigung hat diese Kostenstelle einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Kostenposition des Unternehmens erbracht. Solange die Marktpreise gleichbleiben, generiert das Unternehmen höhere Gewinne. Senkt die Konkurrenz die Verkaufspreise, z.B. um Marktanteile zu gewinnen, kann das Unternehmen nachziehen und bleibt trotzdem in der Gewinnzone.
Die Beobachtung der Vorsteuerungsgrössen der Produktion und ihrer Entwicklung im Zeitablauf lässt erkennen, wo interne Prozess- und Strukturanpassungen Chancen für die Stärkung der Konkurrenzfähigkeit bieten. Deshalb ist Vorsteuerung ein wesentlicher Teil der integrierten operativen Planung und Steuerung.