Proportionale Kosten mit Lean Production senken

Praxisbeispiel zur Senkung der proportionalen Standard-Herstellkosten durch Prozesszeitenverbesserung

Proportionale Kosten mit Lean Production senken

Das Beispielunternehmen stellt Bremsventile zum präzisen Bewegen und Halten schwerer Lasten her. Diese Ventile, von welchen es ca. 3’000 Typen gibt, werden in eigene Produkte integriert sowie auch an andere Verwender verkauft. Der Auftrag war, proportionale Kosten mit Lean Production zu senken und gleichzeitig auch kürzere Durchlaufzeiten und niedrigere Durchschnittsbestände in den Konten Ware in Arbeit und Lagerbestände zu realisieren.

Durchfluss steigern und Bearbeitungszeit kürzen

Dieses Ziel wurde hauptsächlich durch Umgestaltung des Produktionsablaufs erreicht. Alle in ein spezifisches Bremsventil zu verbauenden Einzelteile werden neu in einer Rüststrasse auf einem Objektträger bereitgestellt und via Band an den Endmontageplatz geliefert. Die manuelle Endmontage und der computergestützte Prüfprozess wurden zu einem Gesamtprozess verschmolzen (während des Prüfprozesses montiert der Spezialist das nächste Ventil und stellt das Prüfresultat fest).

Nach Ablauf der Testphase wurden folgende Resultate gemessen:

Proportionale Kosten mit Lean Production senken
Proportionale Kosten mit Lean Production senken

Resultat: Niedrigere Produktkosten, kürzere Durchlaufzeit, weniger Raumbedarf, höhere Produktionskapazität

Da sich am Materialeinsatz (Halbfabrikate und Zukaufteile) nichts geändert hat, sind für die Plankalkulation der Produkte nur die Vorgabezeiten in den Arbeitsplänen zu ändern. Die Projektumsetzung führt zur Reduktion der Vorgabezeit pro Stück von 4 Minuten. Unter der Annahme, dass ein Mitarbeiter in dieser Kostenstelle inklusive Sozialleistungen 85’000 pro Jahr kostet und  netto 1’700 h pro Jahr arbeitet, ergibt sich ein Stundensatz von 50.– und ein Minutensatz von 0.833. Die proportionalen Fertigungskosten pro Bremsventil sinken folglich um 3.333, werden doch 4 Minuten eingespart. Die proportionalen Standard-Herstellkosten sinken im nächsten Planjahr ebenfalls um 3.333. Diese Entwicklung erhöht die Konkurrenzfähigkeit und senkt den Wert der Ware in Arbeit sowie der Lagerbestände. Dadurch wird die Bilanzsumme kleiner und es entstehen weniger Zinskosten.

Wird die Kosten-/Leistungsrechnung in der Form der proportionalen Standardkostenrechnung aufgebaut, lässt sich der Umsetzungserfolg des Lean-Projekts monatlich direkt an den Soll-/Ist-Abweichungen ablesen. Werden die Vorgabezeiten aus dem Lean-Projekt nicht eingehalten, entstehen Arbeitszeitabweichungen. Entspricht der reale auftragsbezogene Materialverbrauch nicht den Planverbräuchen gemäss Stückliste, entstehen Materialverbrauchsabweichungen. Sinngemäss können auch Abweichungen von Rüstzeiten und -mengen oder Ausbringungsraten (Yield rate) gemessen werden.

Die wertmässige Auswirkung der Senkung der Durchlaufzeiten kann nicht eindeutig beantwortet werden, da sie vor allem vom Kundenverhalten abhängig ist. Können die Kunden durch diesen Zeitgewinn schneller beliefert werden, kann das zu Mehrverkäufen und eventuell auch zu Neukunden führen. Ob diese zusätzlichen Abschlüsse erfolgen werden, ist meistens kaum einschätzbar und sollte deshalb auch nicht in der Umsatzplanung eingerechnet werden. Auf jeden Fall steigt der Kundennutzen durch die schnellere Belieferung.

Der reduzierte Flächenbedarf hat erst dann eine finanzielle Konsequenz, wenn bei Aus- oder Umbauten geeigneter Platz zum Engpass wird und als Folge neue Räume gebaut oder zugemietet werden müssen. Eine sich dadurch ergebende Kostensteigerung wäre in der vergrösserten Kostenstelle zu planen (Anmerkung: Im entscheidungsrelevanten Management Accounting werden die Raumkosten nicht auf die Produkte verrechnet, da es Fixkosten sind, die auch weiter anfallen, wenn nicht mehr produziert wird. Vgl. auch den Beitrag „Plan, Soll und Ist von Fertigungsaufträgen“ im Blog Management Accounting).

Vorsteuerung im Produktionsbereich

Mittelfristig personelle und maschinelle Kapazitäten aufbauen und Prozesse verbessern, um die Leistungsanforderungen erfüllen und die Kostenposition verbessern zu können.

Vorsteuerung im Produktionsbereich

Vorsteuerung im Produktionsbereich oder bei der Dienstleistungserstellung erfolgt durch mehrjährige Analyse der internen Entwicklungen. Strategische Absichten führen oft zum Umbau oder zur Weiterentwicklung bestehender Prozesse und Kapazitäten, währenddessen operativ die Verbesserung der eigenen Kostenposition im Vergleich zum Wettbewerb im Vordergrund steht (günstiger herstellen als es die Konkurrenz kann).

Operativ ist meistens davon auszugehen, dass in den nächsten Jahren grössere Mengen herzustellen sein werden und gleichzeitig die Vielfalt des Angebots breiter werden wird.

Dazu sind einerseits personelle und maschinelle Kapazitäten aufzubauen und vorzuhalten, andererseits Wege zu finden, wie die Kosten der Leistungserstellung pro Einheit reduziert werden können.

Absehbare Kapazitätsgrenzen

Kapazitätsbezogen ergeben sich mehrere Fragen:

    • Welche Anlagen werden wann ihre Kapazitätsgrenze erreichen und dann einen Ausbauschritt erfordern? Durch Gegenüberstellung der monatlichen Istbeschäftigung einer Kostenstelle zu ihrer verfügbaren Kapazität wird erkennbar, welches die Engpasskostenstellen sind. Solche Engpässe könnten das Erreichen von Umsatz- und Deckungsbeitragszielen verhindern.
    • Wann wird der Personalbestand eines Bereichs erhöht werden müssen?
    • Können Losgrössen gesteigert werden, um so die Einrichte- und Rüstzeiten pro Stück zu senken?
    • Wie kann Verschwendung reduziert werden, d.h. Stillstandszeiten gekürzt, Ausbeutegrade erhöht und Ausschuss vermindert werden?
    • Können Transporte und Liegezeiten zwischen den Bearbeitungsschritten verkleinert werden?

Die letzten beiden Punkte sind zentrale Elemente der «Lean Production». Um die beabsichtigten Auswirkungen auch wertmässig beurteilen zu können, sollen sie im Management Accounting mit abgebildet werden. Denn wenn Verschwendung zu reduzieren ist, muss sich dies in niedrigeren proportionalen Stückkosten (Material und Arbeitsleistung) sowie in niedrigeren Fixkosten der Kostenstellen abbilden. Lean Production-Ziele finden deshalb als zu erreichende Standards Eingang in Stücklisten und Arbeitspläne und damit auch in die Plan-Produktkalkulationen.

Entwicklung des Personals und Qualifikationen

Wird in der Produktion mittelfristig von steigendem Personalbedarf ausgegangen, sind pro Kostenstelle weitere Vorsteuerungsgrössen bedeutend:

    • In welchen Jahren stehen Pensionierungen von Mitarbeitenden an und wie viele?
    • Wie viele Auszubildende werden bis dann ihre Ausbildung abgeschlossen haben und könnten die Vakanzen wieder auffüllen?
    • Welcher am Arbeitsmarkt zu rekrutierende Personalbedarf ergibt sich für die nächsten Jahre?
    • Welche Ausbildungs- oder Kenntnisdefizite sind zu beheben, damit die Produktion möglichst störungsfrei laufen kann?

Verschwendung vermeiden

Sowohl in fertigenden Unternehmen als auch im Handel können «Verschrottungen» ein bedeutender Verschwendungsfaktor sein. Verschrottungen sind die Folge von zu grossen Bestellungen im Einkauf oder von zu hohen Produktionsbestellungen. Sie führen zu zusätzlichen Fixkosten, weil

    • Material nach einer gewissen Zeit verdirbt oder Qualitätsverluste erleidet,
    • mehr als bestellt produziert wird, um das bezogene Material komplett zu verarbeiten und so keine Reste zurück ans Lager liefern zu müssen,
    • der Verkauf hofft, die Restbestände später verkaufen zu können und die Produktion deshalb bittet, mehr als das Bestellte herzustellen.

Für Produktions- und Einkaufsleiter empfiehlt es sich deshalb, die Entwicklung der Verschrottungskosten artikelweise mindestens jährlich zu verfolgen und nötigenfalls die Planproduktion anzupassen.

Trotz zunehmendem Einsatz von Informationstechnologie steigt im Bereich der Produktionsplanung und -steuerung und in der Leitung tendenziell der Arbeitsaufwand. Stichworte sind z.B.: Stammdatenqualität, detailliertere Planung, Chargenverfolgung, Reklamationsbearbeitung, Dokumentation, Betriebsdatenerfassung und Mitarbeiterbetreuung. Deshalb sollen auch diese Internen Aufgaben in der Zeitaufschreibung erfasst werden, damit auswertbar wird, für welche Arbeiten wie viel Arbeitszeit eingesetzt wird und wie sich die Stundenbedarfe im Zeitablauf entwickeln.

Kontinuierliche Prozessverbesserung messen

Die Vergrösserung der angebotenen Produktepalette führte in der Stanzerei der Ringbuch AG zu mehr aber kleineren Fertigungsaufträgen. Zudem stieg die hergestellte Menge über 5 Jahre um nahezu 20% (von 6’000 auf 7’100 Stück). Diese Steigerung konnte ohne zusätzliches Personal durch 4 Personen (inklusive Chef) bewältigt werden. Die totalen Fertigungskosten der Kostenstelle sind in diesen fünf Jahren zwar um rund 5% gestiegen (Lohnerhöhungen), trotzdem produziert die Stanzerei heute, bezogen auf ein Stück, günstiger.

Folgende Faktoren haben dazu beigetragen:

    • Entlastung des Kostenstellenleiters ab Jahr 2 durch Einführung der elektronischen Betriebsdatenerfassung. Die freiwerdende Zeit erlaubte es ihm, vermehrt direkt in der Produktion zu arbeiten.
    • Verkürzung der Rüst- und Einrichtzeiten pro Fertigungsauftrag
    • Bessere Anwendungsschulung der Mitarbeiter führte zu weniger Fehlern und zu kürzeren Bearbeitungszeiten pro Stück.

Insgesamt wurde in erfreulichem Ausmass Verschwendung reduziert (Lean). Per Ende des Jahres 5 wird die Stanzerei zur Engpasskostenstelle, weil der Personalbestand erhöht werden muss, steigen die Absatz- und damit die Produktionsmengen weiter.

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Vorsteuerung im Produktionsbereich

Aus der grafischen Darstellung sind die Auswirkungen dieser Verbesserungsmassnahmen zu erkennen, wenn die Analyse etwas detaillierter angegangen wird:

    • Die Gesamtkosten der Stanzerei sind von 500’000 auf 522’586 im Jahr 5 gestiegen (+1.05%). Das ist auf die Lohnerhöhungen und auf Preissteigerungen bei den Hilfs- und Betriebsmaterialien zurückzuführen.
    • Wegen der erwähnten Prozessverbesserungen konnte die produzierte Leistung von 6’000 Stück auf 7’100 Stück erhöht werden, währenddessen die dafür verbrauchten Bearbeitungsstunden nur von 6’000 auf 6’450 Stunden stiegen. Das erklärt, weshalb in der rechten Grafik die proportionalen Stückkosten trotz Lohnerhöhungen von 60.00 auf 57.28 gesunken sind.
    • Die fixen Kosten sind wegen der Einführung der Betriebsdatenerfassung und wegen der Anstrengungen des Kostenstellenleiters, die internen Aufgaben mit weniger Arbeitsaufwand zu erfüllen, auf 115’907 gesunken (linke Grafik). Als Folge sind (rein rechnerisch) die Produktionsfixkosten pro Stück von 23.33 auf 13.60 gesunken (rechte Grafik).

Durch den Fixkostenabbau und durch die Erhöhung der Produktivität in der Fertigung hat diese Kostenstelle einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Kostenposition des Unternehmens erbracht. Solange die Marktpreise gleichbleiben, generiert das Unternehmen höhere Gewinne. Senkt die Konkurrenz die Verkaufspreise, z.B. um Marktanteile zu gewinnen, kann das Unternehmen nachziehen und bleibt trotzdem in der Gewinnzone.

Die Beobachtung der Vorsteuerungsgrössen der Produktion und ihrer Entwicklung im Zeitablauf lässt erkennen, wo interne Prozess- und Strukturanpassungen Chancen für die Stärkung der Konkurrenzfähigkeit bieten. Deshalb ist Vorsteuerung ein wesentlicher Teil der integrierten operativen Planung und Steuerung.