Erfahrungskurve für das eigene Unternehmen

Mit Ergebnisdaten (GuV), Absatzmengen und etwas Mathematik lässt sich die eigene Erfahrungskurve erstellen.

Erfahrungskurve für das eigene Unternehmen

Für den empirischen Nachweis der Erfahrungskurve wurden Istzahlenreihen aus verschiedenen Branchen verwendet. Diese zeigten, dass die Wertschöpfungskosten pro Stück bei jeder Verdoppelung der kumulierten ausgebrachten Menge um 20 – 30% sanken. Diese Erkenntnis ist auch als Richtschnur für die Erarbeitung der Erfahrungskurve für das eigene Unternehmen verwendbar.

Ausgehend von Istdaten (teilweise geschätzt) kann eine unternehmensspezifische Erfahrungskurve erstellt werden. Anhand dieser lässt sich analysieren, ob die mittelfristigen Planzahlen geeignet sein werden, die Erfahrungskurve im eigenen Unternehmen umzusetzen.

Folgende Ausgangsdaten sind erforderlich:

    • Kumulierte bisherige Absatzmenge
    • Wertschöpfungskosten des aktuellsten Istjahres
    • Planabsatzmengen für den zu betrachtenden Planungshorizont¨

Aus diesen Daten kann ein „Funnel“, also ein Korridor für die Entwicklung der zulässigen Wertschöpfungskosten berechnet werden.

Zuerst gilt es den Jahreskontext zu schaffen:

    • In Zeile 1 werden die Istabsatzmengen des Jahres 1 und die Planabsatzmengen der Planjahre 2-7 eingetragen.
    • Die vor dem Jahr 1 verkaufte Absatzmenge des Sortiments wird in Zeile 2 eingetragen (500’000 Stück). Da es sich nur um eine Grobabschätzung handelt, werden zur Vereinfachung alle Produkteinheiten als gleichwertig betrachtet. Ebenfalls in Zeile 2 werden die kumulierten Absatzmengen bis Ende Planungshorizont berechnet.
    • Daraus lassen sich die Verdoppelungen pro Jahr in Zeile 3 berechnen. Die Formel dazu lautet:Verdoppelung pro Jahr berechnenVerdoppelung pro Jahr berechnen

Dass diese Werte kontinuierlich sinken, drückt aus, dass trotz Absatzmengensteigerungen immer mehr Jahre zur Erzielung einer weiteren Verdoppelung erforderlich sind.

Zu erreichende Wertschöpfungskosten pro Einheit

    • In Zeile 4 ergeben sich die kumulierten Verdoppelungen der Planjahre in Bezug auf die Ausgangslage. Sie bilden die Grundlage für die Berechnung der theoretischen Erfahrungskurvenwerte.
    • In Zeile 5 werden die Wertschöpfungskosten pro Stück des Istjahres berechnet (1’800’000 : 200’000 Absatzmenge = 9.00)
    • Da in Jahr 2 gegenüber Istjahr 1 im Planabsatz eine kumulierte Verdoppelung von 0.4253 erreicht werden soll, werden die Wertschöpfungskosten des Vorjahres mit dem kumulierten Verdoppelungsfaktor (0.4253 in Planjahr 1) potenziert. Das ergibt je nach dem gewählten Erfahrungskurvenziel die zu erreichenden Wertschöpfungskosten im jeweiligen Planjahr (z.B. 8.19 bei der 20%-Erfahrungskurve für Planjahr 1, Zeile 7).
    • Rein rechnerisch können in den Zeilen 6-8 die Erfahrungskurven von 10%, 20% und 30% für die zu erreichenden Wertschöpfungskosten pro Verkaufseinheit ermittelt werden.

Grafisch entsteht der „Funnel“ (sich öffnender Tunnel), in welchem sich die geplanten und effektiven Wertschöpfungskosten im dargestellten mittelfristigen Planungshorizont (Plan 1 – Plan 6) bewegen sollten.

Erfahrurngskurven-"Funnel"
Erfahrurngskurven-„Funnel“

Im nächsten Beitrag wird zu fragen sein, ob die mittelfristigen Kostenstellenpläne für die Wertschöpfungskostenbereiche diese Anforderungen werden erfüllen können. Wenn nicht, sind Ideen zu generieren, wie die Plankosten der betroffenen Kostenstellen gesenkt werden können. Kann diese Anforderung nicht erfüllt werden, wird das Unternehmen wegen zu hoher Wertschöpfungskosten an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.

Bedeutung der kumulierten bisherigen Absatzmenge:

Oft ist es in Unternehmen schwierig, die bisherige kumulierte Absatzmenge zu ermitteln, sei es, weil die Daten fehlen oder wegen Änderungen im Portfolio Schätzungen vorzunehmen waren.

Wird im oben präsentierten Modell die kumulierte bisherige Absatzmenge mit 0 Stück eingegeben, sinken die zu erreichenden Wertschöpfungskosten pro verkaufte Einheit im Planjahr 1 und bei angenommener 20%-Erfahrungskurve  von 8.19 auf 6.49 pro Stück. Im umgekehrten Fall, die kumulierte bisherige Absatzmenge betrage 1‘000‘000 anstatt 500‘000 Stück, steigen die zulässigen Wertschöpfungskosten auf 8.49 pro Stück.

Werden diese Extremvarianten in Betracht gezogen, ist zu erkennen, dass eine falsch geschätzte oder berechnete kumulierte Absatzmenge zwar ins Gewicht fällt, die zu erreichenden Zielwerte sich aber wenig verändern. Zu hoch eingeschätzte kumulierte bisherige Verkaufsmengen führen zu niedrigeren Kostensenkungsvorgaben für die Planjahre, zu niedrigere zu höheren. Da es sich um Planungsvorgaben handelt, sind mögliche Fehleinschätzungen vertretbar.

Kostenposition verbessern

Kontinuierliche Verbesserung der eigenen Kostenposition ist Voraussetzung für das Bestehen im Konkurrenzkampf.

Kostenposition verbessern

Güter werden preisgünstiger und leistungsstärker

Zur Konsumentenerfahrung gehört, dass gleichbleibende Produkte, ohne Inflationsraten zu beachten, im Zeitablauf pro Stück günstiger angeboten werden oder dass für den gleichen Preis mehr Leistung angeboten wird.

Einige Beispiele:

1983 kam das Motorola Dyna Tac 8000x als erstes kommerziell angebotenes Handy zum Preis von $ 3‘995 auf den Markt. 30 Jahre später war im Fachhandel für rund $ 20, also grob 5‰, ein Handy mit mehr Funktionen und ohne Bindung an einen Service Provider zu kaufen.

Der Original-IBM Personal Computer wurde 1981 zum Preis von $ 1‘565 im Markt eingeführt. 30 Jahre später waren PC’s für weit unter $ 100 käuflich. Diese waren zudem viel leistungsfähiger als das Original und boten mehr Funktionen. Der HP LaserJet-Drucker kam 1984 zum Preis von $ 3‘495 auf den Markt. Ebenfalls nach rund 30 Jahren waren Laserdrucker um $ 100 im Angebot.

In https://winhistory.de wird die Entwicklung der Verkaufspreise pro MegaByte Festplattenkapazität von 1997 bis 2011 gezeigt:

Kostenposition verbessern
Entwicklung der Festplattengrössen und Preise pro Megabyte

Dass für den gleichen Preis im Zeitablauf mehr Leistung geboten wird, ist in vielen, wenn auch nicht in allen Bereichen der Wirtschaft festzustellen. Ursachen dafür sind vor allem technologische Verbesserungen, der Konkurrenzkampf und steigende Produktionsmengen.

Die durchschnittlichen gesamten Kosten pro Outputeinheit sind im (internationalen) Wettbewerb kontinuierlich zu senken. Schafft das ein Unternehmen nicht, wird es seine (bestehende oder neue) Konkurrenz tun und dadurch die Marktstellung sowie die Absatzchancen der eigenen Gesellschaft verschlechtern.

Starke Markstellung erfordert bessere Kostenposition

Für das Erarbeiten oder Erhalten einer starken Marktstellung ist somit eine schnell und kontinuierlich verbesserte Kostenposition eine zentrale Voraussetzung. Unternehmen müssen ihre durchschnittlichen Selbstkosten pro Produkteinheit im Zeitablauf massiv senken können, wollen sie Verkaufspreissenkungen der Konkurrenz parieren und ihre Rentabilität erhalten können. Unternehmen, die diesen Spagat schafften, wurden zum Teil zu weltumspannenden Konzernen. Viele andere mussten aufgeben, weil sie nicht in der Lage waren, die vollen Kosten pro hergestellte Einheit in genügendem Masse zu senken.

Diese Zusammenhänge sind schon lange bekannt. B.D. Henderson hat als Folge seiner empirischen Untersuchungen schon 1974 das Erfahrungsgesetz – auch als Erfahrungskurve oder Boston-Effekt bekannt – vorgestellt (vgl. B.D. Henderson, die Erfahrungskurve in der Unternehmensstrategie, Frankfurt/New York, 1974).

In den folgenden Beiträgen werden zuerst die Bestimmungsfaktoren der Erfahrungskurve analysiert. Dann wird gezeigt, wie das Konzept der Erfahrungskurve in die eigene Planung und Steuerung integriert werden kann. Im Vordergrund steht die Abstimmung interner Ziele mit den externen Marktentwicklungen.

Profitabilität

Rentabilitätskennzahlen sind wertbasiert, Produktivitätskennzahlen mengen- und leistungsbezogen.

Profitabilität

Profitabilität bezeichnet die Ertragskraft, also die kurz- und langfristige Möglichkeit wiederkehrende Gewinne zu erzielen. Aus ganzheitlicher Betrachtung hat Profitabilität die zwei Hauptelemente Rentabilität und Produktivität.

Rentabilität:

Ein Verhältnis von zwei Wertgrössen, z.B. Gewinn vor Steuern und Zinsen (Earnings before Interest and Taxes EBIT) dividiert durch das zur EBIT-Erzielung eingesetzte Vermögen (Gesamtvermögensrentabilität oder Return on Investment ROI). Weil im Management Control vom Unternehmen ausgegangen wird, sprechen wir bewusst von Gesamtvermögensrentabilität, denn der Einsatz des Vermögens bringt die Rentabilität hervor. Die Rentabilität des Kapitals ist die Sicht der Geldgeber.

Die Kennzahl ROI sagt aus, wie viele Cents EBIT pro eingesetzten EURO verbleiben.

Dies lässt sich auch auf den Umsatz beziehen: EBIT dividiert durch den fakturierten Umsatz = Umsatzrentabilität (Return on Sales ROS).

Beispiel:

Es werden 1 Mio. Ringbücher zu EUR 4 verkauft (= 4 Mio. Umsatz) und dafür entstehen Gesamtkosten von 3.6 Mio. EUR, was einen EBIT von 0.4 Mio. EUR ergibt und damit eine Umsatzrentabilität von 10%. Können durch Verbesserung der internen Prozesse im Jahr 2 die Anzahl einzusetzender Mitarbeiterstunden, der Materialeinsatz oder die Kosten für Maschinen und Anlagen im Wert von 0.16 Mio. EUR gesenkt werden, steigt die Umsatzrentabilität von 10% auf 14% und der ROI von 20% auf 28%.

Rentabilität und Produktivität
Rentabilität und Produktivität
Produktivität:

Eine Produktivitätskennzahl ist ein Verhältnis zwischen Output- und Inputmengen, z.B. Anzahl der verkauften Einheiten dividiert durch die dazu notwendigen Arbeitsstunden im Gesamtunternehmen (Arbeitsproduktivität). Weil Mitarbeiterleistung, Maschineneinsatz und Geldeinsatz das Output- / Inputverhältnis verändern können, müssen alle Faktoren des Verhältnisses gleichnamig gemacht werden. Das gelingt am einfachsten mit Geldwerten.

Die Produktivitätssteigerung ist im Beispiel 11.11% (für die 1 Mio. Ringbücher entstanden Kosten von 3.44 Mio. EUR anstatt bisher 3.6 Mio., also 11.11% produktivere Leistungserstellung) .

In den Rentabilitätskennzahlen sind alle Einsatzfaktoren (Mitarbeiter, Rohstoffe, externe Services, Anlagen) mit ihren Preisen enthalten, was bedeutet, dass Preisänderungen in den Beschaffungsmärkten sich direkt auf die Rentabilität auswirken. Produktivitätsverbesserungen hingegen zeigen, dass eine Outputeinheit mit weniger Inputleistungen erbracht wurde.

Daraus ist zu schliessen, dass sich eine Organisation vor allem auf Produktivitätssteigerungen konzentrieren muss, wenn sie im Konkurrenzkampf bestehen und genügend rentabel sein will. Vereinfacht ausgedrückt ist nach Möglichkeiten zu suchen, mit dem gleichen Personal- und Anlagenbestand mehr Einheiten herstellen und verkaufen zu können.

Erfahrungskurve:

Die Erfahrungskurve belegt empirisch die Bedeutung von Produktivitätssteigerungen. B. Henderson (vgl. Literatur) hat mit seinen empirischen Untersuchungen von Input-/Outputverhältnissen für unterschiedlichste Produkte und Märkte den Zusammenhang zwischen Produktivität und Rentabilität analysiert. Daraus hat er die Erfahrungskurve abgeleitet. Sie besagt, dass mit jeder Verdoppelung der kumulierten Ausbringungsmenge die Wertschöpfungskosten um 20 – 30% gesenkt werden können. Das gilt für alle Arten von Organisationen, auch für öffentlich-rechtliche und NPO’s.

Beispiel:

Schafft es eine Organisation 1’200 Aufträge mit dem gleichen Personalbestand abzuwickeln, der heute für 1’000 Aufträge eingesetzt wird, steigen die Produktivität entsprechend und als Folge auch die Umsatzrentabilität und der ROI.

Produktivitätssteigerungen sind immer und überall zu suchen. Denn es ist davon auszugehen, dass die Konkurrenz ebenfalls versuchen wird, den Mitteleinsatz pro Outputeinheit zu verringern um ihre Wertschöpfungskosten pro Einheit zu senken und so höhere Rentabilitäten zu generieren.

Die Verheissungen der Erfahrungskurve zu realisieren bedeutet, schon in der mittelfristigen operativen Planung Effizienzgewinne vorzusehen und im Soll-Ist-Vergleich zu messen, ob diese auch umgesetzt wurden. Wird z.B. ein jährliches Effizienzziel von 3% gegenüber Vorjahr vorgesehen, sind Ideen zu finden, wie Vorgabezeiten und Materialverbräuche in der Produktion gesenkt und unternehmensweit der Personaleinsatz pro Produkteinheit verringert werden können. Diese Effizienzziele sind in den Stücklisten, Arbeitsplänen und Kostenstellenplänen zu hinterlegen. Im Management Accounting System können die erreichten Verbesserungen gemessen werden.

Kontinuierliches Steigern der Produktivität bildet unternehmensintern die Voraussetzung für die Erhöhung der Rentabilität.