Aktualisiert am 3. August 2024 durch Lukas Rieder Dr. oec.
Strategieumsetzungsprojekt kalkulieren
Eine Produkt-Markt-Strategie soll helfen, den Unternehmenswert zu steigern. Die Berechnungen im Beitrag «Strategieentwurf quantifizieren» sind für den Strategieentscheid nicht ausreichend, weil
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- die Mengen- und Nettoerlösschätzung pro Verkaufsgebiet und Artikel für den beabsichtigten Strategiezeitraum noch fehlt,
- Angaben zu proportionalen Material- und Fremdleistungskosten der neu anzubietenden Produkte oder Dienstleistungen fehlen (Stücklisten der zu beurteilenden Artikel),
- für die neuen Produkte noch nicht festgelegt ist, in welchen Kostenstellen welche stückbezogenen Bearbeitungsschritte auszuführen sein werden (Arbeitsplan pro neue Dienstleistung oder neues Produkt),
- noch offen ist, welche zusätzlichen fixen Kosten für die Leistungsbereitschaft der Verkaufs-, Fertigungs- und Supportbereiche erforderlich sein werden (Kostenstellenpläne),
- welche Investitionen in Gebäude, Anlagen, Fuhrpark oder Rechte und Lizenzen notwendig sein werden.
Die dazu notwendigen Datengrundlagen werden vorzugsweise im ERP-System und in der Kosten-, Leistungs-, Erlös- und Ergebnisrechnung (KLEER) erstellt, weil die Datenstrukturen und die Vergangenheitswerte dort schon vorhanden sind:
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- Sind Kunden, Artikel, Absatzmengen, Preise und Erlösschmälerungen sowie Stücklisten und Arbeitspläne im ERP-System hinterlegt, können in diesen Datenstrukturen auch die neuen Produkte angelegt werden.
- Die KLEER führt die Kostenstellenpläne mit den personellen und maschinellen Kapazitäten, den proportionalen Kostensätzen und den Fixkostenblöcken. Damit können die proportionalen Fertigungskosten der neuen Produkte oder Dienstleistungen kalkuliert werden.
Die entscheidenden Führungskräfte müssen auf diese Datenbasis bauen können, weil sie für den Strategieerfolg die Verantwortung tragen werden.
Die Vorgehensschritte zur Quantifizierung des Umsetzungsprojekts einer Strategie werden im nachstehenden Beispiel erarbeitet. Es ist zu zeigen, ob die Herstellung und der Verkauf individualisierter Buchstützen für private oder öffentliche Bibliotheken den Unternehmenswert steigern kann.
Buchstützen mit individualisierter Frontlasche
Vorgesehener Herstellungsprozess
Ausgangsmaterial für die Standard-Buchstützen sind 1mm-dicke und 12 cm breite Stahlrollen (Coils). Aus den Rollen werden 24 cm lange Bleche gewalzt und gestanzt und zu einer 12 cm breiten und 12 cm hohen Buchstütze gebogen. Die Buchstützen werden anschliessend schwarz, weiss oder rot lackiert und einzeln in eine durchsichtige Schutzfolie verpackt.
Für die vorgesehene Frontlaschen-Buchstütze sind 18 cm breite Stahlcoils erforderlich, weil die Frontlasche 6 cm hoch und 12 cm breit sein soll. Beim Stanzen einer Frontlaschen-Buchstütze wird pro Stück Blechabfall von 6 mal 12 cm entstehen. Der Coil-Lieferant kann diese recyclen.
Die zu lackierende Fläche steigt gegenüber der Standardversion pro Stück um 12 x 6 cm, also um 25%. Die Frontlaschen-Buchstütze kann auf den bestehenden Anlagen gestanzt, lackiert und verpackt werden.
Die Frontlasche wird mittels einer vom Kunden elektronisch eingereichten Bildvorlage seiner Wahl individualisiert. Zu diesem Zweck ist die Kostenstelle «Bildbearbeitung» einzurichten. Sie soll folgende Aufgaben übernehmen:
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- Prüfung der per Mail eingereichten Bilder für die Frontlasche und Übermittlung der Bestellung an den externen Drucker der Selbstklebebilder
- Kleben der zurückgelieferten Folien auf die Buchstützen.
Es empfiehlt sich, die Stückliste und den Arbeitsplan für die vorgesehene Frontlaschen-Buchstütze gleich im ERP-System anzulegen, weil fast alle zu verwendenden Materialien und die bearbeitenden Kostenstellen dort schon vorhanden sind. Auf diesen Daten basierend, kann folgende Plankalkulation erstellt werden:Plankalkulation
Werden die proportionalen Plankosten pro Einheit kalkuliert, erkennen die Strategie-Entscheider, welche Kosten direkt durch die Herstellung der Buchstützen verursacht werden. Die Kenntnis der proportionalen Plan-Herstellkosten ist eine zentrale Voraussetzung für die Beurteilung, ob die Einführung des Neuprodukts zu höheren Unternehmensgewinnen führen wird.
Die jährlichen fixen Leistungsbereitschaftskosten der Produktions- und der Bildbearbeitungskostenstelle wurden (ohne Abschreibungen und Zinsen) geschätzt und als Planungsgrundlagen in der Kosten-/Leistungsrechnung erfasst:
Diese Fixkosten sind in der Strategiebeurteilung ebenfalls zu berücksichtigen.
Nettoerlösplanung
Die Verkaufsorganisation überlegte zusammen mit dem Produktmanagement, wie viele Einheiten pro Produkt in den Absatzkanälen (Direktverkauf, Verkauf via Händler im Inland und im Export) jährlich verkauft werden könnten. Dabei orientierten sie sich nicht an den Herstellkosten, sondern versuchten, mittels Konkurrenzvergleichen zu schätzen, welche Verkaufspreise die potenziellen Abnehmer für die individualisierte Frontlaschen-Buchstütze zu zahlen bereit sein werden.
Weiter wurde geschätzt, wie die Lebenskurve der Produkte verlaufen könnte. Die Erfahrungskurve zeigt, dass sowohl die Absatzmengen als auch die Nettoerlöse pro Stück wegen Marktsättigung und Markteintritt von Nachahmern gegen Ende der Lebenskurve abnehmen.
Die erwarteten Absatzmengen pro Absatzkanal (Spalten a-c, gelbe Felder) und die erwarteten Nettoerlöse (Spalten e-g) wurden für eine erwartete Lebensdauer der Produkte von 7 Jahren geschätzt und in die Tabelle eingetragen. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Händler im Inland und im Export einen Margenanteil der Bruttoumsätze zur Deckung ihrer eigenen Anstrengungen verlangen werden (Spalten f und g). Rechts in der Tabelle ergaben sich die erwarteten Nettoerlöse der Buchstützen-GmbH.
Deckungsbeitragsentwicklung
Von den geplanten Nettoerlösen (Spalte k oben) wurden die proportionalen Herstellkosten der beiden Buchstützentypen abgezogen (sh. Plankalkulation). Vereinfachend wurde angenommen, dass sich die proportionalen Herstellkosten pro Stück im Strategiehorizont nicht verändern werden. Es ergaben sich die jährlich zu erwartenden absoluten Deckungsbeiträge I pro Artikel.
Die jährlich erwarteten absoluten DB I aus Buchstützen BS und Frontlaschen-Buchstützen BSF sind in der grafischen Darstellung gelb markiert. Diese müssen die zusätzlichen Fixkosten, die Investitionen und den Zielgewinn der Strategie decken.
Folgende zusätzlichen Fixkosten und Investitionen sind vorgesehen:
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- Ab Jahr 3 sind jährlich zusätzliche fixe Personalkosten von EUR 100’000 in der Buchstützenfertigung zu erwarten, weil mehr Produktionsaufträge abzuwickeln sein werden und mehr operatives Personal zu betreuen sein wird.
Die zunehmenden Herstellmengen werden Investitionen in die Fertigungsanlagen erfordern:
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- Jahr 0 (vor dem Produktionsstart der Frontlaschen-Buchstützen): Anpassung der Stanz- und Biegeanlage, ca. EUR 90’000.
- Jahr 0: Beschaffung der Anlage für die Positionierung und das Aufkleben der Frontlaschenbilder, ca. EUR 60’000.
- Jahr 2: Ergänzung der Lackieranlage um einen Heiztunnel für ca. EUR 80’000. Der Heiztunnel reduziert die Trocknungszeit und erhöht dadurch die Kapazität der Lackieranlage um 40%. Die Bearbeitungszeiten pro Stück werden gleichbleiben wie bisher.
Weil die Zusatzausgaben für Fixkosten und Investitionen in verschiedenen Planjahren anfallen werden, werden sie erst im Beitrag «Der Barwert der Strategie» abgebildet.
Lohnt sich der Planungsaufwand?
Definitiv! Würde die geschilderte Konkretisierung des strategischen Projekts 100’000 EUR Personalkosten (3-6 Arbeitsmonate) kosten, aber zu einer Ablehnungsempfehlung führen, wäre dieser Betrag viel kleiner als die Geldabflüsse, welche durch eine nicht erfolgreiche Strategieumsetzung erfolgen würden.