Aktualisiert am 24. April 2024 durch Lukas Rieder Dr. oec.
Marktstellung und Kundennutzenanalyse
Marktstellung und Unternehmensgrösse
Eine gute Marktstellung eines Anbieters entspricht einer hohen Wahrscheinlichkeit, dass sein Angebot den Zuschlag erhält – und nicht andere Angebote, die der Kunde in seiner Kaufentscheidung ebenfalls betrachtet.
Genau genommen ist die Marktstellung eine Eigenschaft eines einzelnen Angebots.
In Geschäften, die nur wenige Angebote mit hohen Umsatzvolumen machen, wie z.B. dem Investitionsgütergeschäft, kann es durchaus Sinn machen, die Marktstellung eines einzelnen Angebotes zu bewerten. Meistens wird die Marktstellung jedoch statistisch beschrieben, bspw. für gewisse Zeitperioden, für ähnliche Kundensegmente oder für ähnliche Produktgruppen. Dazu werden absolute und relative Marktanteile ermittelt (Vgl. die Beispiele zur Marktanteilsermittlung im Beitrag «Marktstellung»). Eine reine Marktanteilsbetrachtung – sei es absolut oder relativ – reicht aber für ein strategisches Verständnis der Marktstellung nicht aus.
Kauft der Kunde bei einem Wettbewerber und nicht bei den anderen, führt dies zwangsläufig zu einer Verschiebung relativer Marktanteile: Der eine gewinnt Umsätze dazu, alle anderen bleiben da, wo sie waren und verlieren damit relativ zum Gewinner. Die Veränderung relativer Marktanteile korreliert seinerseits stark mit absoluten Grössen wie Umsatzvolumen, Anzahl Mitarbeiter, usw. Der Zusammenhang ist allerdings nicht zwingend. In rückläufigen Märkten ist es z.B. möglich, relative Marktanteile zu gewinnen und trotzdem Umsatzrückgänge verbuchen zu müssen.
Aus Führungssicht ist Folgendes essenziell: Die Wahrscheinlichkeit, dass Kunden beim Einen kaufen und nicht beim Anderen ist vom Grundsatz her völlig unabhängig von der heutigen Grösse der Wettbewerber. Kreiert (und patentiert) z.B. eine clevere Einzelperson eine neue, überlegene Lösung für ein bereits bestehendes Kundenproblem, kann diese Einzelperson in kurzer Zeit ihre Marktstellung gegenüber einem grossen Konzern verbessern, der nur die veraltete Lösung im Angebot hat.
Grösse ist entsprechend eine leider nicht garantierte, aber doch wahrscheinliche Folge einer guten Marktstellung. Anders formuliert: Die Marktstellung steuert Wachstum und damit zukünftiges Umsatzvolumen vor. So ist zu vermuten, dass der besagte Konzern früher eine starke Marktstellung hatte und deswegen heute gross ist. Falls es dem Konzern nicht gelingt, seine unter Druck geratene Marktstellung durch Innovation wieder auf Vordermann zu bringen, wird er an Grösse verlieren, während die Einzelperson – wenn sie alles richtig macht und auch etwas Glück hat – vielleicht zum Konzern von morgen wird.
Zwischen Marktstellung und Unternehmensgrösse gibt es gegenseitige Abhängigkeiten. So kann sich z.B. die limitierte Produktionskapazität der Einzelperson gleich wieder negativ auf ihre Marktstellung auswirken. Grösse allein ist jedoch kein zwingender Vorteil. Wenn umfangreiche, verwobene Strukturen durchgängige Verantwortlichkeiten oder eine adäquate Adaptation an die veränderten Marktbedingungen behindern, kann sich Grösse auch negativ auf die Marktstellung auswirken. Es ist wesentlich, dass Manager Marktstellung und Grösse klar auseinanderhalten: Einerseits werden operative Resultatgrössen wie Umsatz, Umsatzwachstum, absolute Marktanteile sowie Liquidität betrachtet. Andererseits gibt es strategische Vorsteuergrössen im Allgemeinen und hier im Speziellen die Marktstellung sowie die eng damit verknüpften relativen Marktanteile.
Um die Stellung eines Anbieters «im Markt» angeben zu können, muss natürlich zuerst umrissen werden, von welchem Markt überhaupt die Rede ist. Oft ist es so, dass Unternehmen lokal eine gute Marktstellung haben. Betrachten die Kunden aber neben den lokalen Angeboten auch solche von globalen Playern, muss auch die Stellung im globalen Markt in die strategische Beurteilung mit einfliessen. Schliesslich nützt es dem lokalen Champion nichts, wenn die lokalen Kunden doch lieber bei internationalen Playern kaufen. Man spricht zwar von Zuschlagswahrscheinlichkeiten, aber den definitiven Zuschlag kriegt zum Ende nur einer – alle anderen Anbieter können nur Kosten verbuchen, aber keine Umsätze.
«Der Markt» darf nicht nur geographisch betrachtet werden. Im Kern geht es um Kaufentscheidungen, die eine unterschiedliche Struktur aufweisen. Beispielsweise kann man eine gute Marktstellung bei Bestandskunden haben, aber eine schlechte bei Neukunden. Versteht man Markt, stärker aus der Kundenperspektive gedacht, als eine Menge von Kaufentscheidungen, die ähnlich strukturiert sind, hilft die Kundennutzenanalyse, die Situation klar zu analysieren.