Aktualisiert am 24. April 2024 durch Lukas Rieder Dr. oec.
Was sind marktgerechter Gewinn und marktgerechte Verzinsung?
Wer sein Geld in ein Unternehmen investiert, fragt sich, ob ein marktgerechter Gewinn erzielt wird. Dazu muss er der Verzinsung entsprechen, die bei Investition in andere Unternehmen mit gleichem Risiko zu verdienen ist.
Ein Unternehmen sollte folglich mindestens so viel Ergebnis erwirtschaften, dass es die Zinsanforderungen der Kreditgeber für das Fremdkapital sowie der Eigentümer für das zur Verfügung gestellte Eigenkapital deckt. Der mit »zinskostendem Kapital« finanzierte Teil des Vermögens muss den Zins verdienen, der den Zinsanforderungen aller Kapitalgeber entspricht. Es wird als Capital Employed bezeichnet und ergibt sich, wenn vom betriebsnotwendigen Vermögen das Gratiskapital abgezogen wird. Gratiskapital ist derjenige Teil der Schulden, die dem Unternehmen zinslos zur Verfügung stehen, also Schulden bei Lieferanten, Anzahlungen von Kunden und unverzinsliche Rückstellungen.
Für das gesamte Capital Employed wird ein Zinssatz gesucht, der den Kapitalgebern nach Abzug aller Kosten, also auch der Ertragssteuern, bleiben sollte. Diese risiko- und damit marktgerechte Verzinsung wird als gewichteter Kapitalkostensatz bzw. Weighted Average Cost of Capital (WACC) bezeichnet.
Ermittlung des gewichteten Kapitalkostensatzes WACC
Vier Grössen sind zur Ermittlung des WACC erforderlich:
-
- die Kosten des Eigenkapitals,
- die Kosten des Fremdkapitals,
- der Ertragssteuersatz und
- das Verhältnis von Fremdkapital zu Eigenkapital (Verschuldung).
Bestimmung der Kosten des Eigenkapitals
Aus Sicht des Eigentümers stellen die Eigenkapitalkosten die Verzinsung (Rendite) dar, die er erzielen würde, wenn er sein Geld in eine alternative Anlageform mit gleichem Risiko und gleicher Laufzeit investieren würde. Dies bedeutet, dass der Anteilseigner mindestens den risikofreien Zinssatz zuzüglich eines Risikozuschlags erhalten möchte. Da es sich bei Eigenkapital um eine langfristige Finanzierungsform handelt, ist der risikofreie Zinssatz einer langfristigen Anlageform anzuwenden. In der Praxis verwendet man den Zinssatz für 10-30-jährige Staatsanleihen mit AAA-Rating.
Tipp: Verwenden Sie den risikofreien Zinssatz aus der jährlich erscheinenden KPMG Kapitalkostenstudie. In dieser Studie wird er für 2020 und für Deutschland mit 0.40% angegeben. (Internetlink am Ende dieses Beitrags).
Es wird sich kaum ein Investor finden, der einem Unternehmen sein Geld zum risikofreien Zinssatz von aktuell 0.40% zur Verfügung stellen würde. Da die Eigentümer das komplette Verlustrisiko des Unternehmens mittragen, verlangen sie einen Risikozuschlag.
Naheliegend ist es, dass sich Eigenkapitalgeber zur Bestimmung des Risikozuschlagssatzes wiederum am Kapitalmarkt orientieren, indem sie analysieren, welche Verzinsung ein bestimmter breiter Aktienindex, z.B. CDAX, S&P 500, MSCI World Index erzielt. Die Differenz zwischen der Rendite des gewählten Vergleichs-Aktienmarktes und dem risikofreien Zinssatz stellt die Marktrisikoprämie dar, die ein durchschnittlicher Investor verlangt, wenn er in eine Aktie investiert.
Tipp: Verwenden Sie die Marktrisikoprämie aus der jährlich erscheinenden KPMG Kapitalkostenstudie. Dieser wird in der KPMG Kapitalkostenstudie 2020 für Deutschland mit 7.20% angegeben.
Die Marktrisikoprämie stellt den Risikozuschlag für den gesamten Markt dar. Für ein spezifisches Unternehmen ist sie zu pauschal. Deshalb muss die sie korrigiert werden, je nachdem ob das Unternehmen ein höheres oder geringeres Risiko aufweist als der durchschnittliche Aktienmarkt. Dieser Korrekturfaktor kann wiederum vom Aktienmarkt hergeleitet werden und wird Beta-Faktor genannt. In der Praxis verwendet man Branchen Beta-Faktoren. Die Eigenkapitalkosten für ein durchschnittliches deutsches Unternehmen (Beta-Faktor = 1.00) betragen also 0.40% + 7.20% = 7.60%. Bei international operierenden Unternehmen ist es üblich, zu den Eigenkapitalkosten noch eine Länderrisikoprämie dazuzurechnen.
Tipp: Die Branchen-Beta-Faktoren finden Sie in der jährlich erscheinenden KPMG Kapitalkostenstudie. Verwenden Sie dabei die „average levered beta factors by industry“. Im Zweifelsfall verwenden Sie den Beta-Faktor für ein durchschnittliches Unternehmen, der 1.00 beträgt. Für diejenigen, die es genauer wissen wollen, sei auf das Buch 360°-MANAGEMENT, Anhang B sowie auf die dort angegebene Literatur verwiesen.
Bestimmung der Kosten des Fremdkapitals und des Ertragssteuersatzes
Als Fremdkapitalkosten werden meistens die Zinsen angesetzt, die das Unternehmen aktuell für das langfristige Fremdkapital zahlt. Dabei gilt zu beachten, dass die angesetzten Fremdkapitalzinsen immer höher sein müssen als der langfristige risikofreie Zinssatz zusätzlich eines risikoadäquaten Aufschlags (Spread) für das Kreditausfallrisiko (abhängig von der Ratingklasse des Unternehmens). Da die Fremdkapitalzinsen steuerlich abzugsfähig sind und so den Steueraufwand reduzieren, werden die Fremdkapitalkosten um den Steuersatz nach unten korrigiert.
Laut KPMG Kapitalkostenstudie 2020 betrugen die durchschnittlich verwendeten Fremdkapitalkosten für Deutschland 2.20%. Der durchschnittliche Steuersatz beträgt für Deutschland 2020 30.00% (KPMG Corporate Tax Rate for 2011-2021). Die Netto-Fremdkapitalkosten nach Steuern für ein durchschnittliches deutsches Unternehmen betragen somit 1.54%.
Tipp: Für eine Überschlagsrechnung teilen Sie den gesamten Zinsaufwand durch das zinskostende Fremdkapital. Für die Steuern verwenden Sie den von Ihnen gezahlten Ertragssteuersatz.
Bestimmung der Verschuldung
Als letzter Schritt zur Berechnung des WACC sind noch der Eigen- und der Fremdkapitalanteil zu ermitteln. Da der Marktwert eines Unternehmens der Summe aus dem Marktwert des verzinslichen Fremdkapitals und dem Marktwert des Eigenkapitals entspricht, sind die Anteile zu Marktwerten zu bestimmen.
Als Marktwert des verzinslichen Fremdkapitals wird in der Praxis meist der Buchwert des Fremdkapitals verwendet. Der Marktwert des Eigenkapitals (shareholder value) ist bei börsenkotierten Unternehmen relativ einfach zu ermitteln, indem die Anzahl der Aktien mit dem Börsenkurs multipliziert werden.
Anmerkung: Der durchschnittlich verwendete Verschuldungsgrad (Fremdkapital/Eigenkapital) beträgt laut KPMG Kapitalkostenstudie 2020 28.90% (w). Dies entspricht einem Eigenkapitalanteil von 77.58% (u).
Tipp: Ziehen Sie vereinfachend das verzinsliche Fremdkapital vom Capital Employed ab, um das Eigenkapital zu erhalten. Der Eigenkapitalanteil ist das Verhältnis von Eigenkapital zu Capital Employed.
Bestimmung von WACC und Ziel-ROCE
Auf Basis der bisherigen Berechnungen beträgt der auf halbe Prozentpunkte gerundete WACC für ein durchschnittliches deutsches Unternehmen 6.00% (y). Da der ROCE auf Basis des EBIT berechnet wird und es sich somit um eine Grösse vor Steuern handelt, muss der WACC noch um den Steueranteil (zurück-) korrigiert werden. Der Ziel-ROCE für ein durchschnittliches deutsches Unternehmen gerundet auf halbe Prozentpunkte beträgt somit 9.00%.
Anmerkungen: Für das Jahr 2013 errechnete der Autor für Deutschland einen durchschnittlichen Ziel-ROCE in Höhe von 10.00%. Der Ziel-ROCE ist relativ stabil geblieben. Für die Schweiz beträgt der Ziel-ROCE 7.00% und für Österreich 9.00%. Der Ziel-ROCE betrug 2020 in den USA 7%. Zur Berechnung wurde auf Prof. Damodaran zurückgegriffen (vgl: https://pages.stern.nyu.edu/~adamodar/New_Home_Page/data.html).
Tipp: Runden Sie den WACC und den Ziel-ROCE auf halbe Prozentpunkte genau und nehmen Sie nur dann Anpassungen vor, wenn sich die Kapitalkosten um mehr als einen Prozentpunkt verändert haben.
Wurde ein ökonomischer Übergewinn erzielt?
Zur Ermittlung des Ziel-ROCE eines bestimmten Unternehmens werden die Anforderungen des Kapitalmarkts ins Unternehmen hineingetragen, um damit die erzielte Profitabilität des Unternehmens mit den risikogewichteten Markterwartungen zu vergleichen. Der Ziel-ROCE ist damit eine »hurdle rate«, welche zur Beurteilung der Profitabilität des Gesamtunternehmens im Vergleich zum Eigenkapitalmarkt, aber auch als Messlatte zur Beurteilung von Strategien und Investitionen, dient. Deshalb muss der Ziel-ROCE Bestandteil des finanzwirtschaftlichen Unternehmenskonzepts sowie des Top-Controls »Profitabilität« sein.
Dieses Excel-Modell können Sie unter Downloads/Excel gratis herunterladen. Zur Anpassung an Ihre eigenen Zahlen bitte das oben angeführte Passwort eingeben.
Im Beispiel hat das Unternehmen einen EBIT von 100’000 (f) erzielt. Wird der EBIT durch das Capital Employed (c) dividiert, ergibt sich der realisierte ROCE von 10.00% (k). Das Unternehmen erzielte somit in der letzten Periode eine höhere Verzinsung als die vom Markt verlangten 9.00% Ziel-ROCE (aa). Wird der Ziel-ROCE mit dem Capital Employed (c) mulipliziert, ergibt sich der Ziel-EBIT in Höhe von 90‘000 (l). Es wurde ein »ökonomischer Übergewinn« von 10‘000 (m) erwirtschaftet. Dieser »ökonomische Übergewinn« ist die wichtigste Grösse zur Beurteilung der Managementleistung hinsichtlich der Profitabilität. Der »ökonomische Übergewinn« zeigt die Wertsteigerung einer Periode als absoluten Betrag.
Die Geschäftsführung hat drei entscheidende Stellhebel zur Verfügung, den »ökonomischen Übergewinn« zu erhöhen. Erstens einen möglichst hohen EBIT zu erwirtschaften, zweitens möglichst wenig Vermögen dafür zu benötigen und drittens das betriebsnotwendige Vermögen mit möglichst viel Gratiskapital zu finanzieren. Ein zeitgemässes Management Accounting System unterstützt die Führungskräfte dabei.
Dieser Artikel ist eine aktualisierte Zusammenfassung des Anhangs B im Buch 360°-MANAGEMENT (von L. Rieder und M. Berger-Vogel).
Die Version für Schweizer Unternehmen ist im Steuer- und Finanzratgeber für Unternehmen (Newsletter 08 September 2021, WEKA) erschienen.
Die Kapitalkostenstudie 2020 – KPMG Deutschland lässt sich hier herunterladen: https://home.kpmg/de/de/home/themen/2020/10/kapitalkostenstudie-2020.html