Kaufentscheidende Kriterien ermitteln

Cost/Benefit-Faktoren zu beurteilen gelingt nur, wenn man sich in die Entscheidungssituation des (potenziellen) Kunden versetzt.

Kaufentscheidende Kriterien ermitteln

Der gesamte wahrgenommene Benefit wird anhand von gewichteten Benefit-Kriterien ermittelt. Dabei werden nicht nur die Kriterien berücksichtigt, die das Produkt oder die Dienstleistung konstituieren, sondern auch Service-, Added-Value- und Imagekriterien.Handelt es sich um ein klassisches, haptisches Produkt, sind die konstituierenden Kriterien meist äquivalent mit den technischen Daten: Motorleistung, Ladevolumen, Taktfrequenz, Kompaktheit der Abmessungen, Fertigungstoleranz oder Ähnliches.

Wird die Kundennutzenanalyse für eine Dienstleistung erstellt, geht es um die Kriterien, die diese Dienstleistung konstituieren. Bei einer Logistikdienstleistung sind dies z.B. die zeitnahe Lieferung der Ware, bei einer Beratungsdienstleistung die fachliche Kompetenz der Berater oder bei einer Ausbildungsdienstleistung die Wahrscheinlichkeit, die Diplomprüfung zu bestehen.

Sowohl beim Kauf von haptischen Produkten wie auch beim Kauf von Dienstleistungen können nicht-konstituierende, ergänzende Dienstleistungen eine entscheidende Rolle spielen. Im Jargon der Kundennutzenanalyse spricht man meistens von Service-Kriterien. Dazu zählen je nach Geschäft die fachliche Qualität der Verkaufsberatung, die Lieferfristen, die Freundlichkeit der Bedienung, die Garantieleistungen, die Dichte des Netzes der Servicestellen, die Verfügbarkeit von Ersatzteilen, die unkomplizierte Buchung eines Upgrades, die Verfügbarkeit einer Hotline, usw.

Added-Value-Kriterien bieten aus Kundensicht einen Mehrwert, z.B. «Rezyklierbarkeit» oder «Hergestellt in der Schweiz».

Image-Kriterien bewerten das Markenimage oder das Image von Influencern, die das Produkt bewerben. In Business-to-Business-Geschäften sind oft (Projekt)-Referenzen wichtig, v.a. im Neukundengeschäft. Im Bestandskundengeschäft kann demgegenüber das Image-Kriterium «Hat letztes Mal prima funktioniert» eine zentrale Rolle spielen. Es steht für eine Kompetenzvermutung, aufgrund derer der Bestandskunde ohne weitere sachlicher Prüfung aller anderen Kriterien zum Kauf schreitet. Gerade in Projektgeschäften wird oft unterschätzt, dass die Projektmitarbeiter des heutigen Projekts die wichtigsten «Verkäufer» für das nächste Projekt sind.

Analog zum Benefit werden die gesamten durch die potenziellen Kunden wahrgenommenen Kosten mit gewichteten Cost-Kriterien ermittelt. Hierzu gehören typischerweise einmalige und wiederkehrende monetäre Kosten. Zu den einmaligen monetären Kosten gehört der Verkaufspreis, aber auch einmalige Projektinvestitionen (die Finanzexperten sprechen von Capital Expenditure, oder kurz: CAPEX). Zu den wiederkehrenden monetären Kosten gehören Wartungskosten, Lizenzkosten, Verbrauchsmaterialien etc. (die Finanzexperten sprechen von Operational Expenditure, oder kurz: OPEX).

Obwohl es sowohl bei CAPEX wie bei OPEX um Geldwerte geht, die der nüchterne Rechner in einem Zeitwert (Net Present Value, NPV) zusammenkondensieren kann, empfiehlt es sich in der Kundennutzenanalyse, diese Cost-Kriterien klar auseinanderzuhalten. In der Kaufentscheidung wird meist nicht 100% nüchtern gerechnet, sondern es spielen auch politische Faktoren eine Rolle. Einige Kunden mögen keinen CAPEX und gewichten deshalb die einmaligen monetären Cost-Kriterien höher als die wiederkehrenden. Andere machen es genau umgekehrt.

Auch die nicht-monetären Cost-Kriterien spielen eine bedeutende Rolle in der Kaufentscheidung. Dazu gehört z.B. der Zeitaufwand, der auf Kundenseite anfällt, um ein Produkt einzukaufen und zu betreiben. Weitere nicht-monetäre Kosten, die in der Kaufentscheidung eine Rolle spielen können, sind die Personalkapazitäten, die auf Kundenseite absorbiert werden, der Platzbedarf oder die Verwässerung der Management Attention.

Zu den nicht-monetären Kosten können auch Opportunitätskosten gehören – also faktisch das Bedauern, dass man sich mit dem Entscheid für einen Kauf die Möglichkeit vergibt, eine weitere Kaufentscheidung zu treffen, weil z.B. für die zweite Kaufentscheidung nicht mehr genügend Budget zur Verfügung steht. Auch die Sunk Costs, also Ausgaben aus früheren Beschlüssen, können eine kaufentscheidende Rolle spielen. Entscheidet sich ein Käufer z.B. für eine neue IT-Plattform, werden die bereits getätigten Investitionen in die alte Plattform obsolet. Nüchterne Experten der Investitionsrechnung wissen zwar, dass Sunk Costs in Entscheidungen für Zukunftsinvestitionen nichts verloren haben. Trotzdem berücksichtigen die meisten Kunden solche Ausgaben aus politischen oder emotionalen Gründen. Ein Hersteller, der diesem Umstand nicht gezielt Rechnung trägt, verschlechtert seine Marktstellung, weil seine Produktentwicklung und/oder seine Marketing- und Verkaufskommunikation am Kunden vorbeiläuft.

Ebenfalls zu den Cost-Kriterien gehören alle Arten von Risiken, die der Kunde mit der Kaufentscheidung verbindet, und die er minimieren möchte. Dazu gehören Kapitalverlust-, Währungs-, Haftungs- oder Reputationsrisiken.

Es ist essenziell, sich in der Kundennutzenanalyse kompromisslos in die Kundenperspektive zu versetzen. Nur weil der Wirt ein Weinliebhaber ist, heisst dies noch nicht, dass die Kunden wegen der Qualität der Weinkarte ins Restaurant kommen. Vielleicht ist ihnen die Freundlichkeit der Bedienung viel wichtiger – ein Benefit-Kriterium, das der Wirt vielleicht zu tief gewichtet oder ganz übersieht. Ob die Bedienung freundlich und zuvorkommend ist, beurteilen die Kunden (und sagen es weiter), nicht der Wirt.

Oft ist zunächst nicht klar, ob ein Kriterium eher ein Cost- oder ein Benefit-Kriterium ist. Die kompromisslose Einnahme der Kundensicht führt auch hier zur Lösung. Für den knapp kalkulierenden Gewerbetreibenden ist der Benzinverbrauch eines Fahrzeugs ein klares Cost-Kriterium. Für den urbanen Hipster, der bei seinen Kollegen mit Hi-Tech prahlen möchte, ist der (sehr tiefe) Verbrauch eher ein Image-Kriterium auf der Benefit-Seite.

Eigenbild versus Fremdbild

Bei der Durchführung einer Kundennutzenanalyse ist es üblich, zunächst ein sogenanntes «Eigenbild» zu erstellen. Dabei halten die Geschäftsverantwortlichen fest, wie sie glauben, dass ihre Kunden «ticken». Meist entstehen dabei recht robuste Bilder. Diese Eigenbilder sollte zeitnah mit Fremdbildern validiert werden. Dafür empfehlen sich persönliche Befragungen, Umfragen oder Fokusgruppen.

Das Eigenbild wird idealerweise in einem heterogenen Team erstellt, in welchem die Vertriebs-, die Management- und die technische Perspektive verbunden werden. Das erstellte Eigenbild kann dann im engeren Umfeld plausibilisiert werden, z.B. mit Arbeitskollegen ausserhalb der Arbeitsgruppe. Im nächsten Schritt werden bereits zugewandte Kunden beigezogen.

In diesen Ablaufschritten geht es um die Validierung der vom Kunden in Betracht gezogenen Alternativen sowie der Cost- und Benefit-Kriterien. Die Gewichtung der Kriterienanteile und die vergleichende Bewertung der Alternativen können mittels webbasierten Umfragen erhoben werden.

In jeder Etappe, auch bei grossflächigen Umfragen, ist es wichtig, offene Antworten zuzulassen. Durch eine gute, schrittweise Vorbereitung ist zu verhindern, dass eine gross angelegte Umfrage ergibt, dass man «den Markt» völlig falsch verstanden hat. Ist dem aber trotzdem so, sollte man nochmals von vorne beginnen. Sonst riskiert man, in ein anderes Geschäft zu investieren als dasjenige, in welchem die (potenziellen) Kunden das beste Cost/Benefit-Verhältnis suchen. 

Kundennutzenanalyse erstellen

Die kaufentscheidenden Kirterien der (potenziellen) Kunden sind der wichtigste Input, um eine Kundennutzenanalyse erstellen und auswerten zu können.

Kundennutzenanalyse erstellen

Eine gut gemachte Kundennutzenanalyse erstellen erfordert erstens die Festlegung,  welche Kaufentscheidung sie in den Blick nimmt. Dazu gehört im Minimum die Angabe des Kundensegments und eine Angabe zur Situation, in der diese Kunden die Kaufentscheidung treffen. Als Zweites nennt die Kundennutzenanalyse die verschiedenen Alternativen, die von den Kunden bei ihrer Kaufentscheidung in Betracht gezogen werden. An dieser Stelle ist es wichtig, nicht nur die direkten Wettbewerber einzubinden, sondern alle Möglichkeiten, die der Kunde in seiner Kaufentscheidung betrachtet: Also auch «Andere Technologie wählen», «Selber machen», «Entscheidung nochmals verschieben», usw..

Als Drittes zeigt die Kundennutzenanalyse auf, wie die Kunden (und nicht die Wirte, Manager, Verkäufer, Ingenieure, Redakteure etc.) diese Alternativen im Verhältnis zueinander einschätzen. Dazu werden die Cost- und Benefit-Kriterien erarbeitet und gewichtet. Zuletzt wird bewertet, wie die Alternativen in den einzelnen Kriterien abschneiden. Damit lässt sich abschätzen, welche Wahlmöglichkeiten eine starke Marktstellung haben und welche eine schwache.

Kurzbeispiel zum «Ristorante da Noi»

Für das Restaurant-Beispiel ergeben sich folgende beiden tabellarischen Darstellungen:

Kundennutzenanalyse erstellen
Kundennutzenanalyse erstellen: Decider Benefit Profile

Das Decider Benefit-Profile listet die Alternativen in der Kaufentscheidung in der ersten Zeile. Die Benefit-Kriterien stehen in der ersten Spalte. Rechts neben den Benefit-Kriterien findet sich die Gewichtung. In der Matrix ist auf einer Skala von gut (10) bis schlecht (1) so eingetragen, wie die Kunden die Alternativen in den einzelnen Benefit-Kriterien bewerten.

Decider Cost Profile
Decider Cost Profile

Das Decider Cost-Profile ist analog aufgebaut. Anstatt einer Skala von 1-10 hat sich in der Praxis allerdings ein Index bewährt: wir kosten 100, eine um 50% teurere Alternative kostet 150.

Die Kundennutzenanalyse generiert unterschiedliche grafische Darstellungen, um die erhobenen Daten auszuwerten. Die zentrale Darstellung ist die bereits im Beitrag «Das Konzept der Kundennutzenanalyse» abgebildete «Alternatives Map». Sie zeigt auf einen Blick, welche Alternativen betrachtet werden, welches das Cost/Benefit-Verhältnis jeder einzelnen Alternative ist und welche Alternative das beste Cost/Benefit-Verhältnis – und damit die beste Marktstellung – aufweist.

Zwei weitere Darstellungen sind die «Benefit Criteria Map» und die «Cost Criteria Map»:

Benefit Criteria Map
Benefit Criteria Map
Cost Criteria Map
Cost Criteria Map

Während die «Alternatives Map» die einzelnen Alternativen abbildet, sind in diesen beiden Maps die Benefit- resp. die Cost-Kriterien einzeln abgebildet. Die horizontale Achse entspricht der Gewichtung: geringe Wichtigkeit für den Kunden (links) und hohe Wichtigkeit für den Kunden (rechts).

Die vertikale Achse entspricht der Performance. Dabei entspricht die horizontale 100%-Linie der durchschnittlichen Performance im betrachteten Markt. Liegt der Punkt in der «Benefit Criteria Map» über dieser Linie, schneidet das «Ristorante da Noi» in diesem Kriterium besser ab als der Marktdurchschnitt. Unter der 100%-Linie ist die Position des «Ristorante da Noi» in diesem Kriterium schlechter als der Marktdurchschnitt. In der «Cost Criteria Map» verhält es sich genau umgekehrt: Unterhalb der Linie ist vorteilhaft für den Anbieter, darüber ist nachteilig.

Diese Darstellungen fördern eine Fokussierung der Diskussion, wo zur Verbesserung der Marktstellung angesetzt werden soll. Die Qualität der Weinkarte ist zwar überdurchschnittlich, für die Kundschaft jedoch nicht sehr wichtig. Wie soll damit umgegangen werden? Kann die Wahrnehmung der Wichtigkeit bei den Kunden verändert werden, z.B. durch geeignete Werbung? Dies würde der bereits guten Performance einen stärkeren Hebel verleihen. In der «Alternatives Map» würde der Punkt des «Ristorante da Noi» nach rechts wandern, wodurch sich die Marktstellung verbessert, respektive die Zuschlagswahrscheinlichkeit erhöht. Könnten – alternativ – proportionale Herstellkosten gespart werden, wenn günstigere Weine von etwas geringerer Qualität angeboten würden? Die freiwerdenden Mittel könnten dann dazu eingesetzt werden, das Kriterium «Unterhaltung / Kultur» zu verbessern. In diesem Kriterium ist das «Ristorante da Noi» noch nicht so gut platziert, doch ist es für die (potenziellen) Kunden wichtig.

Preislich liegt das «Ristorante da Noi» genau im Durchschnitt. Bei den Anreisekosten ist vermutlich nicht viel zu machen, aber eine Senkung der Essenspreise würde die Marktstellung verbessern: In der «Alternatives Map» würde der Punkt des «Ristorante da Noi» nach unten wandern. Zwar würde die Massnahme die Deckungsbeiträge schmälern, dafür aber das Wachstum beschleunigen – für ein neues Angebot am Markt eigentlich der wichtigere Imperativ!

Ausführliche Details zur Marktstellung und zur Kundennutzenanalyse finden sich im Buch «Kundenorientierung» von Markus Orengo.

Kundennutzenanalyse

Die Kundennutzenanalyse ist das beste bekannte Instrument, eine Marktstellung qualitativ zu beschreiben.

Das Konzept der Kundennutzenanalyse

Die Kundennutzenanalyse ist das beste bekannte Instrument, eine Marktstellung qualitativ zu beschreiben. Oft können mit einer Kundennutzenanalyse einige Schritte zur Quantifizierung der Marktstellung gegangen werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kunde bei uns kauft und nicht beim Wettbewerb, kann jedoch bereits aus einer qualitativen Analyse zuverlässig abgelesen werden. Dies spart Zeit und verhindert Scheingenauigkeiten, die vom Wesentlichen ablenken.

Der Kundennutzenanalyse liegt die empirisch gut gestützte Annahme zugrunde, dass Kunden in ihren Kaufentscheidungen das Preis-/Leistungsverhältnis der Alternativen vergleichen, die sie in Betracht ziehen.

Die Kundennutzenanalyse ermittelt das «Cost/Benefit-Verhältnis» aus Kundensicht. Beim «Benefit» handelt es sich um alle vom Kunden wahrgenommenen Vorteile, die er sich von der Kaufentscheidung verspricht. Bei den «Cost» handelt es sich um alle vom Kunden wahrgenommenen Nachteile, die er mit dem Kauf verbindet (und nicht um die Herstellungskosten des Produktes oder der Dienstleistung).

Dabei werden nicht nur einfach fassbare, rationale Kriterien wie z.B.. Motorleistung (Benefit) oder Preis (Cost) einbezogen, sondern auch schwammigere, emotionale Kriterien wie z.B. Markenimage (Benefit) oder Reputationsrisiken (Cost). Der Kunde entscheidet sich für die Alternative, die aus seiner Perspektive das beste Cost/Benefit-Verhältnis aufweist.

Kundennutzenanalyse: Alternatives Map
Kundennutzenanalyse: Alternatives Map

Beispiel „Ristorante da Noi“

Es ist zuerst genau zu spezifizieren, welche Kaufentscheidung modelliert wird. Im hier dargestellten Beispiel analysiert das neu in den Markt eintretende «Ristorante da Noi», wie es aufgestellt ist, wenn sich Quartierbewohner dazu entscheiden, den Abend nicht vor dem TV zu verbringen. Entsprechend enthält die «Alternatives Map» nicht nur andere Restaurants, sondern auch branchenfremde Alternativen, welche die Kunden bei dieser Art von Entscheidung in Betracht ziehen. Gerade das Einladen einiger Freunde zum gemeinsamen Kochen und Essen ist eine valable Option in dieser «Kauf»-Entscheidung. Das «Ristorante da Noi» muss diese in seiner Planung mitberücksichtigen.

Es empfiehlt sich, eine zweite Kundennutzenanalyse für die Kaufentscheidung «in welches Restaurant gehen wir heute Abend?» anzufertigen. Damit würde auf den Teilmarkt derjenigen Kunden fokussiert, die bereits die Vorentscheidung getroffen haben, ein Restaurant zu besuchen. Dieser schärfere Fokus blendet allerdings verschiedene Möglichkeiten der potenziellen Kunden aus. Vielleicht könnte «da Noi» ja im grossen Markt des «Zuhause-Kochens» mit einer Catering-Dienstleistung einfacher wachsen als mit einem Frontalangriff auf die Restaurants «Toni’s Pizza» und «Zio Giovanni»?

Private und Geschäftskunden pflegen dort zu kaufen, wo der wahrgenommene Benefit gross und die wahrgenommenen Kosten klein sind – in der Grafik mit dem Restaurant-Beispiel ist dies die rechte untere Ecke. Diejenige Alternative, die nach unten rechts am weitesten von der Mittellinie (fair value line) entfernt ist, hat das beste «Cost/Benefit-Verhältnis» und damit die höchste Zuschlagswahrscheinlichkeit. Das bedeutet die beste Marktstellung für die konkrete Kaufentscheidung. Im Beispiel ist dies das «Selber kochen». Die schlechteste Marktstellung hat «Zio Giovanni»: Er liefert aus Kundensicht zwar denselben Benefit wie das «Selber kochen», ist aber etwa drei Mal teurer.

Die sicherste Prognose in der Beispielkonstellation ist folglich, dass die Alternative «selber kochen» am Schnellsten relative Marktanteile gewinnen wird. Das «Ristorante da Noi» und «Toni’s Pizza» dürfen sich ebenfalls Hoffnung auf einen Zuwachs relativer Marktanteile machen, allerdings deutlich langsamer als «selber kochen». Die Wahlmöglichkeiten in der oberen Hälfte der Grafik haben eine unterdurchschnittliche Zuschlagswahrscheinlichkeit und dürften deshalb relative Marktanteile verlieren.

Marktstellung und Kundennutzenanalyse

Die Marktstellung beschreibt die Attraktivität eines Angebotes – aus Sicht des Kunden und im Vergleich mit den anderen Angeboten, die er in seine Kaufentscheidung einbezieht.
Die Kundennutzenanalyse ist das beste bekannte Instrument, um die Marktstellung systematisch zu analysieren und zu entwickeln.

Marktstellung und Kundennutzenanalyse

Marktstellung und Unternehmensgrösse

Eine gute Marktstellung eines Anbieters entspricht einer hohen Wahrscheinlichkeit, dass sein Angebot den Zuschlag erhält – und nicht andere Angebote, die der Kunde in seiner Kaufentscheidung ebenfalls betrachtet.

Genau genommen ist die Marktstellung eine Eigenschaft eines einzelnen Angebots.

In Geschäften, die nur wenige Angebote mit hohen Umsatzvolumen machen, wie z.B. dem Investitionsgütergeschäft, kann es durchaus Sinn machen, die Marktstellung eines einzelnen Angebotes zu bewerten. Meistens wird die Marktstellung jedoch statistisch beschrieben, bspw. für gewisse Zeitperioden, für ähnliche Kundensegmente oder für ähnliche Produktgruppen. Dazu werden absolute und relative Marktanteile ermittelt (Vgl. die Beispiele zur Marktanteilsermittlung im Beitrag «Marktstellung»). Eine reine Marktanteilsbetrachtung – sei es absolut oder relativ – reicht aber für ein strategisches Verständnis der Marktstellung nicht aus.

Kauft der Kunde bei einem Wettbewerber und nicht bei den anderen, führt dies zwangsläufig zu einer Verschiebung relativer Marktanteile: Der eine gewinnt Umsätze dazu, alle anderen bleiben da, wo sie waren und verlieren damit relativ zum Gewinner. Die Veränderung relativer Marktanteile korreliert seinerseits stark mit absoluten Grössen wie Umsatzvolumen, Anzahl Mitarbeiter, usw. Der Zusammenhang ist allerdings nicht zwingend. In rückläufigen Märkten ist es z.B. möglich, relative Marktanteile zu gewinnen und trotzdem Umsatzrückgänge verbuchen zu müssen.

Aus Führungssicht ist Folgendes essenziell: Die Wahrscheinlichkeit, dass Kunden beim Einen kaufen und nicht beim Anderen ist vom Grundsatz her völlig unabhängig von der heutigen Grösse der Wettbewerber. Kreiert (und patentiert) z.B. eine clevere Einzelperson eine neue, überlegene Lösung für ein bereits bestehendes Kundenproblem, kann diese Einzelperson in kurzer Zeit ihre Marktstellung gegenüber einem grossen Konzern verbessern, der nur die veraltete Lösung im Angebot hat.

Grösse ist entsprechend eine leider nicht garantierte, aber doch wahrscheinliche Folge einer guten Marktstellung. Anders formuliert: Die Marktstellung steuert Wachstum und damit zukünftiges Umsatzvolumen vor. So ist zu vermuten, dass der besagte Konzern früher eine starke Marktstellung hatte und deswegen heute gross ist. Falls es dem Konzern nicht gelingt, seine unter Druck geratene Marktstellung durch Innovation wieder auf Vordermann zu bringen, wird er an Grösse verlieren, während die Einzelperson – wenn sie alles richtig macht und auch etwas Glück hat – vielleicht zum Konzern von morgen wird.

Zwischen Marktstellung und Unternehmensgrösse gibt es gegenseitige Abhängigkeiten. So kann sich z.B. die limitierte Produktionskapazität der Einzelperson gleich wieder negativ auf ihre Marktstellung auswirken. Grösse allein ist jedoch kein zwingender Vorteil. Wenn umfangreiche, verwobene Strukturen durchgängige Verantwortlichkeiten oder eine adäquate Adaptation an die veränderten Marktbedingungen behindern, kann sich Grösse auch negativ auf die Marktstellung auswirken. Es ist wesentlich, dass Manager Marktstellung und Grösse klar auseinanderhalten: Einerseits werden operative Resultatgrössen wie Umsatz, Umsatzwachstum, absolute Marktanteile sowie Liquidität betrachtet. Andererseits gibt es strategische Vorsteuergrössen im Allgemeinen und hier im Speziellen die Marktstellung sowie die eng damit verknüpften relativen Marktanteile.

Um die Stellung eines Anbieters «im Markt» angeben zu können, muss natürlich zuerst umrissen werden, von welchem Markt überhaupt die Rede ist. Oft ist es so, dass Unternehmen lokal eine gute Marktstellung haben. Betrachten die Kunden aber neben den lokalen Angeboten auch solche von globalen Playern, muss auch die Stellung im globalen Markt in die strategische Beurteilung mit einfliessen. Schliesslich nützt es dem lokalen Champion nichts, wenn die lokalen Kunden doch lieber bei internationalen Playern kaufen. Man spricht zwar von Zuschlagswahrscheinlichkeiten, aber den definitiven Zuschlag kriegt zum Ende nur einer – alle anderen Anbieter können nur Kosten verbuchen, aber keine Umsätze.

«Der Markt» darf nicht nur geographisch betrachtet werden. Im Kern geht es um Kaufentscheidungen, die eine unterschiedliche Struktur aufweisen. Beispielsweise kann man eine gute Marktstellung bei Bestandskunden haben, aber eine schlechte bei Neukunden. Versteht man Markt, stärker aus der Kundenperspektive gedacht, als eine Menge von Kaufentscheidungen, die ähnlich strukturiert sind, hilft die Kundennutzenanalyse, die Situation klar zu analysieren.