Welcher Engpass dominiert?

Den Durchsatz (Troughput) für die besten DB I-Bringer hochhalten.

Welcher Engpass dominiert?

In nachstehender Tabelle ist dargestellt, welchen DB I pro Engpasseinheit die einzelnen Produkte des Beispielunternehmens erbringen. Datenbasis sind die Istwerte des Jahres 2021 (Absatzmengen, realisierte Nettoerlöse, nachkalkulierte proportionale Herstellkosten, Istbeschäftigungen in den Kostenstellen Montage und Folienschweisserei). Jeweils die besten drei Artikel sind fett markiert.

Aus Spalte 7 ist zu entnehmen, dass der Artikel 103000 den grössten Stück-Deckungsbeitrag erzielt (4.05). Anschliessend folgen die Artikel 105110 und 105120. Für die Verkäufer und für das Unternehmen lohnt es sich folglich, sich vor allem auf diese drei Artikel zu konzentrieren. Es müssen 4.56 Einheiten von Artikel 101010 verkauft werden, um den gleichen Deckungsbeitrag zur Fixkostendeckung zu generieren, wie ein Stück 103000. Das Marktpotenzial des Standardartikels 101010 (erste Zeile) ist natürlich viel grösser als dasjenige von Artikel 103000 (Spezialformat A5 mit breitem Rücken). Das haben die Verkäufer der Ringbuch AG schon lange erkannt und deshalb das Marktpotenzial des Artikels 103000 mit 116’300 verkauften Stück besser als die Konkurrenz ausgeschöpft.

Welcher Engpass dominiert
Welcher Engpass dominiert?

Die Endmontage der Ringbücher erfolgt in der Kostenstelle 250 (Montage). In Spalte 9 ist zu sehen, dass die Artikel 105060, 105070, 105080 die höchsten Deckungsbeiträge pro Minute Montagezeit erzielen. Wird wegen Maschinenausfall oder ungenügendem Personalbestand die Montage zum Engpass, sind folglich die erwähnten Artikel zuerst herzustellen.

Wird die verfügbare Leistung in der Folienschweisserei (Spalte 10) zum Engpass, betrifft dies nur die folienummantelten Artikel. Von diesen sind in erster Linie die Artikel 105060, 105070 und 105110 herzustellen, da sie pro Minute Engpassnutzung die höchsten DB I erzielen.

Da der Materialverbrauch für Stahlblech und Draht bei den 4-Ringbüchern mehr als doppelt so gross ist wie bei den 2-Ringbüchern, müssten bei einem Lieferengpass dieser Rohstoffe die erzielbaren DB I pro Stück zu den Einzelmaterialkosten pro Stück in Beziehung gesetzt werden (hier nicht dargestellt).

Voraussetzungen für Engpassanalysen sind einerseits das Vorhandensein der Stücklisten und der Arbeitspläne der herzustellenden Produkte. Andererseits muss in der Kostenstellenplanung die Spaltung in proportionale und fixe Kosten eingerichtet sein.  Denn um die Restkapazität in einem Engpass optimal zu nutzen, muss bekannt sein, welche Artikel pro dominierende Engpasseinheit wieviel DB I generieren. Für diese Berechnung ist in den Kostenstellen die Spaltung in proportionale und fixe Kosten nötig, damit die proportionalen Fertigungs- und Herstellkosten ermittelt werden können.

Durchsatz

Üblicherweise bildet der Bestellungseingang den dominierenden Engpass. Der Bedarf der Kunden und das Können der Verkaufspersonen bestimmen Umsatz und Deckungsbeitrag. Beim Auftreten interner Engpässe geht es bis zu ihrer Behebung darum, den Durchsatz (Troughput) durch diesen Engpass möglichst hochzuhalten. Dies würde dafürsprechen, vor allem diejenigen Produkte zu verkaufen und herzustellen, welche den Engpass am wenigsten in Anspruch nehmen. Das Zahlenbeispiel oben zeigt jedoch, dass aus der Gesamtsicht des Unternehmens der Deckungsbeitrag I zu maximieren ist, damit die fixen Leistungsbereitschaftskosten und der Zielgewinn gedeckt werden können.

Deshalb gilt es, zuerst diejenigen Produkte oder Dienstleistungen zu verkaufen, welche den höchsten DB I pro Engpasseinheit erzielen.

Lagerbestände sind der Durchsatzbetrachtung nicht entscheidungsrelevant. Denn der dominierende Engpassbereich muss kontinuierlich mit denjenigen Rohstoffen und Halbfabrikaten beliefert werden, die er benötigt, um dauernd voll ausgelastet arbeiten zu können. Wann und wieviel von einem Artikel einzukaufen ist, wird durch Wiederbeschaffungszeiträume, den Lieferfähigkeiten der Lieferanten und von deren Preiskonditionen bestimmt. Dazu kommen Sicherheitsbestände, damit die Kostenstellen weiter produzieren können, wenn die Zulieferung aus anderen Gründen verzögert ist. Viele herstellende Unternehmen versuchen deshalb, mit den Lieferanten «just-in-time»-Belieferung zu vereinbaren. So verpflichten sie die Lieferanten, die Vorhalteleistung in ihrem eigenen Unternehmen zu erbringen.

Engpassorientierung

Kapazitätsengpässe vor allem in Prozessen und Kostenstellen beheben, um das Gesamtergebnis zu verbessern, zwischenzeitig den absoluten DB I maximieren.

Engpassorientierung

Verschiedene Gründe können dazu führen, dass selbst hergestellte oder veredelte Produkte und Dienstleistungen nicht den Kundenwünschen, also dem Bestellungseingang entsprechend, geliefert werden können.

Die möglichen Ursachen sind vielfältig:

    • Ungenügende Lagerbestände von Fertig- oder Halbfabrikaten
    • Mangel an Rohstoffen oder an rechtzeitigen Rohstofflieferungen
    • Energie- oder andere Betriebsstoffmängel
    • Ausfall von Maschinen oder Werkzeugen
    • Ungenügende personelle Kapazitäten in Fertigungskostenstellen
    • Verspätete abschliessende Qualitätsprüfungen hergestellter Artikel
    • Ungenügende maschinelle Fertigungskapazitäten bestimmter Anlagen

In solchen Situationen gilt es, die jeweiligen Engpässe zu erkennen und sie so zu meistern, dass bis zur Engpassbehebung die verfügbaren Kapazitäten optimal genutzt werden. Diese optimale Nutzung entsteht dann, wenn unter Berücksichtigung des jeweils dominierenden Engpasses der maximal mögliche Deckungsbeitrag I generiert wird. Denn, das wurde in diesem Blog mehrfach gezeigt, mit den erzielten Deckungsbeiträgen sind die Fixkosten, die Abweichungen und der Gewinn zu decken (vgl. den Beitrag „Komplette Abweichungsanalyse„).

Kostenstellenplanung

Im Beispielunternehmen werden in der Kostenstelle Montage die Hüllen und die Schliessmechaniken zu verkaufsbereiten Ringbüchern zusammengefügt. Dazu stehen 4 parallellaufende Montagestrassen zur Verfügung. Jede dieser Anlagen ist pro Arbeitstag 8 Stunden in Betrieb. Bei 230 Jahresarbeitstagen ergibt sich pro Anlage eine Kapazität von 230 * 8 * 60 Minuten = 110’400 Minuten. Alle vier Anlagen haben somit eine Jahreskapazität von 441’600 Minuten.

Aus der Produktionsplanung ergab sich eine Jahres-Planbeschäftigung des Montagebereichs von 422’400 Minuten (vgl. Zeilen 1 – 3). Die Anlagenkapazität von 441’600 Minuten sollte für die Planproduktion somit ausreichen. Pro hergestelltes Stück Ringbuch benötigt ein Mitarbeiter in der Montage 1 Minute, 57’600 Minuten sind pro Jahr für Organisation, Reinigung, Unterhalt und Weiterbildung vorgesehen (Zeile 7). Insgesamt beläuft sich die Präsenzzeit der fünf Mitarbeitenden (inkl. Kostenstellenleiter) auf 480’000 Minuten. Nach Berücksichtigung der Sachkosten ergeben sich in Zeile 10 in der Spalte «proportional» die direkt durch die Produkte verursachten Kosten von 278’784 und in Zeile 11 der proportionale Plankostensatz von 0.66 pro Minute.

Engpassorientierung
Produktkalkulation und Deckungsbeiträge

Produktkalkulation und Deckungsbeiträge

In den Zeilen 12 – 19 sind die Produktkalkulation und die Deckungsbeitragsrechnung nachvollziehbar. Produkt A benötigt in der Montageanlage pro Stück 10 Minuten, Produkt B 6 Minuten. Zusammen mit den Kosten für die Hülle und die Mechanik ergeben sich in Zeile 16 die proportionalen Plan-Herstellkosten pro Stück. In der Zeile 18 werden die Deckungsbeiträge pro Produkteinheit berechnet.

Kalkulation und Deckngsbeiträge
Kalkulation und Deckngsbeiträge

Maschinenbruch in der Montage

Eine der vier Montageanlagen erleidet einen Maschinenschaden. Der Maschinenlieferant meldet, dass vier Monate !! vergehen werden, bis die notwendigen Ersatzteile geliefert und die Anlage wieder einsatztauglich sein wird. Dadurch fehlt ein Drittel der Jahreskapazität einer der vier Anlagen, nämlich 36’800 Maschinenminuten (vgl. Zeile 4: 441’600 / 4  /12 x 4). Diese stehen nicht mehr für die Montage zur Verfügung.

Der Produktionsleiter will die Herstellung des Produkts A herunterfahren, weil jede Einheit A 10 Minuten Fertigungszeit benötige, währenddessen es bei Produkt B nur 6 Minuten pro Stück seien. Der Verkaufschef erwidert in der Geschäftsleitungssitzung, es sei auf die Deckungsbeiträge der Produkte zu achten, bevor das Produktionsprogramm festgelegt werde. Wer ist auf dem richtigen Pfad?

Die Antwort gibt Zeile 19 der Abbildung oben. Das Produkt A generiert einen DB I pro Stück von 15.10. Pro Minute Engpassnutzung (Kostenstelle Montage) sind das 1.51. Produkt B nimmt zwar den Engpass weniger in Anspruch, erzielt jedoch wegen des niedrigeren Verkaufspreises «nur» einen DB I von 1.12 pro Minute.

Engpass-Deckungsbeitrag
Engpass-Deckungsbeitrag

Würde die verbleibende Kapazität von 73’600 Minuten (Zeile 20) ausschliesslich für Produkt A verwendet, könnte ein DB I von 111’136 generiert werden, während es bei Konzentration auf Produkt B 82’677 wären (Zeile 22). Das ist natürlich eine hypothetische Rechnung, ist doch das zu produzieren, was die Kunden kaufen. Die Differenz von 28’459 DB I zwischen den beiden Produkten zeigt jedoch, dass die Konzentration auf die engpassbezogen stärkeren Produkte zu einem höheren Gesamtdeckungsbeitrag und damit zu einem besseren Unternehmensergebnis führt.

Mit dem Beispiel war zu zeigen, dass in der operativen Steuerung jeweils zu analysieren ist, wie sich ein Engpass auf das Gesamtergebnis, z.B. den Gewinn vor Abzug von Steuern und Zinsen (EBIT), auswirkt. Dazu ist der DB I pro Engpasseinheit zu berechnen. Engpässe können schwierig beschaffbare Rohstoffe sein, ungenügende Dienstleistungsverfügbarkeiten von Zulieferanten, eigene personelle Kapazitäten oder die Verfügbarkeit eigener Anlagen.

Wenn die Beschäftigung sinkt, das Personal jedoch nicht in anderen Kostenstellen eingesetzt oder zu einem niedrigeren Beschäftigungsgrad verpflichtet werden kann, steigen die Fixkosten, resp. die Verbrauchsabweichungen der betrachteten Kostenstelle. Dies zu vermeiden, ist Aufgabe des betroffenen Kostenstellenleiters.

Costing oder Pricing 2

Rechnen sich die Neuangebote? Beurteilung mit dynamischer Investitionsrechnung

Costing oder Pricing 2

Kunstleder-Präsentationsmappen anbieten?

In der Costing-Betrachtung werden die Netto-Planerlöse zu den erwarteten Kosten der Produkte, den Kosten der vorgesehenen Marketing- und Vertriebsmassnahmen und den erforderlichen Investitionen in Bezug gesetzt. Damit ist zu beurteilen, ob sich das gesamte Projekt rechnet und zur Umsetzung freigegeben werden kann.

Das erfordert eine Mehrjahresbetrachtung, weil Investitionen ins Anlagevermögen (zusätzliche Maschinen, Kapazitätserweiterung) zu erwarten sind und sich die Absatzmengen sowie die erzielbaren Nettoerlöse im Verlauf des Lebenszyklus‘ des Projekts verändern können. Zudem ist zu berücksichtigen, dass Ausgaben und Kosten zu anderen Zeitpunkten anfallen als die Nettoerlöse. Die Geldzu- und -abflüsse der einzelnen Jahre müssen deshalb vergleichbar gemacht werden. Das gelingt mit der dynamischen Investitionsrechnung.

Dazu werden die jährlich erwarteten Nettoerlöse (vgl. Costing oder Pricing 1) in Zeile 4 der Tabelle unten übernommen .

Da die Kunstleder-Präsentationsmappe noch nicht existiert, fehlen die Stückliste und der Arbeitsplan für dieses Produkt noch. Als Kalkulationsgrundlage kann von den Verbrauchsdaten eines möglichst ähnlichen schon hergestellten Produkts ausgegangen werden. Diese werden um die zu erwartenden zusätzlichen Einzelmaterialpositionen und Fertigungsleistungen ergänzt. So ergeben sich die proportionalen Planherstellkosten pro Präsentationsmappe (Zeile 5). Sind in den Planjahren höhere Einstandspreise und proportionale Kostensätze zu erwarten, können diese Kostenänderungen pro Planjahr berücksichtigt werden.  Im aktuellen Planungsstand wird pro Präsentationsmappe vorerst in allen Jahren von proportionalen Herstellkosten von 8.00 ausgegangen. Multipliziert mit den Plan-Absatzmengen (Zeile 2) ergeben sich in Zeile 6 die jährlichen proportionalen Plan-Herstellkosten und in Zeile 7 die mit den Präsentationsmappen in den Planjahren zu erzielenden Deckungsbeiträge I.

Costing oder Pricing 2
Dynamische Investitionsrechnung für Produktergänzung

In den Zeilen 8 und 9 sind die jährlich erwarteten zusätzlichen Fixkosten einzutragen, wenn die Präsentationsmappe eingeführt und die jährlichen Plan-Absatzmengen erreicht werden sollen. Das können externe Kosten für produktspezifische Werbung sein, Zusatzkosten für die Erstellung von Produktkatalogen, externe Kosten für die Ergänzung des eigenen Webauftritts sowie zusätzliche Personalkosten für die Betreuung und Administration der Neuprodukte. Wichtig ist, dass dabei nur Positionen berücksichtigt werden, die zu veränderten Geldabflüssen führen (keine Umlagen).

Es ergibt sich der jährlich erwartete Netto-Geldrückfluss aus dem Projekt, also der Cash Flow vor Abzug von Zinsen und Steuern CFBIT (Zeile 10).

Der CFBIT wird zuerst für die Bezahlung der sich aus dem Projekt ergebenden Investitionen verwendet, also für zusätzliche Maschinen, Kapazitätsausbauten bestehender Anlagen und eventuell für die externe Miete zusätzlicher Räumlichkeiten. Zu berücksichtigen sind auch höhere Debitorenbestände, welche voraussichtlich aus der Steigerung der fakturierten Umsätze folgen werden. Steigt durch das Neuprodukt auch das Einkaufsvolumen bei den Lieferanten, nehmen als Folge die Kreditorenbestände zu. Die Geldabflüsse erfolgen dadurch erst in der Folgeperiode. Diese Positionen sind in Zeile 11 zusammengefasst.

In Zeile 12 ergibt sich der Saldo der jährlichen Geldzu- und -abflüsse . Es ist zu erkennen, dass die Netto-Geldflüsse der Jahre 1 – 3 ausreichen werden, die Neuinvestitionen und die Veränderungen der Debitoren- und Kreditorenbestände der Jahre 1 – 3 zu decken. Die Payback-Periode des Projekts Kunstleder-Präsentationsmappen beträgt etwas mehr als 2 Jahre.

Aus Sicht der Eigentümer (Aktionäre) und der Kreditgeber (Banken) soll das Projekt zudem eine marktgerechte Verzinsung erbringen. Denn diese überlegen sich, ob sie ihr Geld im Beispielunternehmen Ringbuch AG oder in einer anderen Gesellschaft anlegen sollen. Um die Geldgeber von der Rentabilität des Projekts überzeugen zu können, sollte das Management der Ringbuch AG deshalb die zu erwartenden zukünftigen Netto-Geldflüsse auf den Zeitpunkt des Projektentscheids abzinsen.

Dazu ist der Barwert der nominalen jährlichen Geldflüsse zum Zeitpunkt der Entscheidung zu berechnen. Beispiel:

Bei einem angenommenen Zinssatz (i) von 10% p.a. hat ein Geldrückfluss von 1’000 EUR, der genau ein Jahr nach dem Projektentscheid erfolgt, zum Zeitpunkt des Entscheids den Wert von 909.09 EUR. Das ergibt sich aus der Diskontierungsformel: Barwert = Geldfluss x 1 : (1 + i)1 = 1 : 0.90909.

Diese Diskontierung der jährlichen Geldrückflüsse findet sich in Zeile 15 der Entscheidungsvorlage für die Präsentationsmappen. Die jährlichen nominalen Nettogeldflüsse in Zeile 12 wurden mit den Barwertfaktoren aus Zeile 13 multipliziert. In Zeile 14 stehen dadurch die  barwertigen jährlichen Geldrückflüsse. Der kumulierte Barwert des Projekts beläuft sich Ende Jahr 2 auf +8’182. Das bedeutet, dass sich die Einführung der Kunstleder-Präsentationsmappen auch unter Berücksichtigung von 10% Zins schon nach zwei Jahren bezahlt macht.

Das allgemeingültige Modell für die Quantifizierung von Investitionen, Projekten und strategischen Plänen können Sie als Excel-Modell hier herunterladen und es nach Ihrem Bedarf anpassen.

Der hier verwendete marktgerechte Zinssatz von 10% ist für den deutschen Sprachraum sehr aktuell. In unserem Buch 360°-Management, Seiten 243 ff., haben wir 2015 die marktgerechten Zinssätze verschiedener Branchen in verschiedenen Ländern berechnet und publiziert. In 2022 hat sich ergeben, dass die dort angegebenen Zinssätze für den deutschsprachigen Raum und für die USA nach wie vor aktuell sind. Vgl. auch den Beitrag „Marktgerechter Gewinn„.

Fazit für die finanzielle Beurteilung von Plänen und Projekten:

    • Pricing kommt vor Costing: Die Schätzung möglicher Absatzmengen und Nettopreise sowie ihr Vergleich mit Konkurrenzangeboten ist Voraussetzung, um die Rentabilität von Projekten vor der Entscheidung beurteilen zu können.
    • Für Direktkunden und Absatzmittler sind jeweils eigene Pläne zu erstellen, da die Netto-Verkaufserlöse stark divergieren.
    • Erlösschmälerungen reduzieren den Deckungsbeitrag genauso wie die proportionalen Herstellkosten.
    • Die direkten Kosten für die Gewinnung von Neukunden sind als Fixkosten in die Planung einzubeziehen.
    • Den Absatz- und Umsatzplänen sind die voraussichtlichen proportionalen Herstellkosten der Dienstleistungen und Produkte gegenüberzustellen. Die sich ergebenden Deckungsbeiträge I müssen mindestens die Fixkosten der Projekte decken.
    • Nicht die Kosten bestimmen den Verkaufspreis und die Nettoerlöse, sondern der Markt und die Verkäufer.
    • Vollkosten pro Produkteinheit lassen sich zwar berechnen, sind aber wegen der Fixkostenschlüsselung nicht entscheidungsrelevant.
    • Vor- und Rückkopplungen sind im Planungsprozess normal. Es gilt, die sich ergebenden Veränderungen in den Plänen kontinuierlich zu berücksichtigen.
    • Mehrjahreshorizont: Die Erweiterung oder Kürzung des Kundenkreises sowie des eigenen Angebots haben immer langfristige Auswirkungen. Deshalb sind meistens mehrjährige Betrachtungen entscheidungsrelevant. Das spricht für die Anwendung der dynamischen und geldflussorientierten Investitionsrechnung.
    • Die Annahmen hinterfragen und mehrere Varianten der Investitionsrechnung erstellen und vergleichen. Das ermöglicht es, die Folgen unterschiedlicher Schätzwerte in die Entscheidungsfindung einzubeziehen.

Simulationsmodelle

Anforderungen an die Gestaltung von Simulationsmodellen, dargestellt am Beispiel einer Verkaufsförderungsaktion

Simulationsmodelle

In Simulationen werden die Chancen einer Entscheidung ihren möglichen Risiken gegenübergestellt, quantifiziert und bewertet. Nutzer von Simulationsmodellen sind in erster Linie die entscheidenden Führungskräfte. Da Entscheidungen nur für die Zukunft getroffen werden können, sind zuerst Annahmen bezüglich zu erreichender Mengen, Zeiten und Werte massgeblich.

Zur Erhöhung der Entscheidungssicherheit soll soweit möglich gesichertes Wissen in die Simulationen einfliessen, also bisher realisierte Mengen und Nettoverkaufspreise sowie Istkosten. Das können mit bisherigen Kunden realisierte Absatzmengen und Nettoverkaufserlöse sowie die dafür entstandenen proportionalen und fixen Kosten sein. Diese Daten liefert ein Management Accounting System, wenn es den in diesem Blog beschriebenen Anforderungen genügt (vgl. 10 Regeln):

    • Sind mit den bestehenden Dienstleistungen und Produkten Neukunden zu gewinnen, ist zu schätzen, welche zusätzlichen Deckungsbeiträge mit diesen Neukunden erzielbar sind und ob für dieses Wachstum Neuinvestitionen oder höhere Fixkosten zu erwarten sind. Die zusätzlich zu generierenden Deckungsbeiträge müssen das Delta Fixkosten plus das Delta kalkulatorische Abschreibungen aus den Investitionen mindestens decken.
    • Sollen neue Produkte ins Sortiment aufgenommen werden, ist zu schätzen, wieviel zusätzlicher Deckungsbeitrag durch diese Erweiterung erzielt werden kann und ob dieser die ebenfalls geschätzten zusätzlichen Fixkosten (inklusive Veränderung der kalkulatorischen Abschreibungen) wird decken können.
    • Sollen mittels Investitionen in die Informationstechnologie die Kosten der Planung und der Abwicklung interner Prozesse und der Dokumentation verringert werden, ist einerseits zu schätzen, welche zu Geldabflüssen führenden Kostenstellenkosten in welchem Ausmass gesenkt werden können, andererseits welche Investitionen dafür erforderlich sein werden und während wie vieler Jahre diese Investitionen genutzt werden können.

Lohnt sich eine Aktion zur Neukundengewinnung?

Die Verkaufsleitung der Ringbuch AG überlegt sich, zur Gewinnung zusätzlicher Kunden eine Aktion durchzuführen. Von November bis Januar, also dann, wenn in den Unternehmen die Ablageordner für das Folgejahr beschriftet werden, sollen potenzielle Neukunden angeschrieben werden. Der Artikel 105010, das Standard-Ringbuch für die Aktenablage, soll in dieser Aktion zum Brutto-Sonderpreis von 2.90 anstatt 3.60 angeboten werden (rund 20% Rabatt). Im Werbeprospekt zum Sonderangebot sollen jedoch die Angebote für kundenindividuell ausgestattete Ringbücher im Vordergrund stehen. Diese generieren in der Ringbuch AG höhere Deckungsbeiträge pro Stück als die Standardprodukte.

Es ist vorgesehen, nach der Sommerpause zusätzlich 20’000 Stück von Artikel 105010 herzustellen und an Lager zu legen. Für die Werbeaktion (Briefe und Emails) ist ein Budget von 13’500.– für Prospekte (Design und Druck) sowie Umschläge und Porti vorgesehen. Es sollen 5’000 potenzielle Kunden angeschrieben werden. Der Verkaufsinnendienst verpackt und versendet die Prospekte. Soll diese Werbeaktion durchgeführt werden?

Aufbau des Simulationsmodells

Das Simulationsmodell soll darstellen können, wie sich die Veränderung der Eckwerte auf den finanziellen Erfolg der Aktion auswirken könnten. Eckwerte sind:

    • Wie viele potenzielle Neukunden sollen angeschrieben werden, welcher Anteil davon wird wie viele Stück von Artikel 105010 bestellen?
    • Wie viele zum Sonderaktionspreis verkaufte Stück sind nötig, um die Kosten der Aktion decken zu können?
    • Sind die personellen und maschinellen Kapazitäten für die rechtzeitige Herstellung der Planmengen verfügbar? Sind dazu Arbeitszeiten mit Schichtzulagen erforderlich?
    • Kann das bestehende Personal im Verkaufsinnendienst die Arbeiten für die Aktion leisten oder sind dafür höhere als die geplanten Personalkosten notwendig?

Entscheidungsrelevant sind einerseits die getroffenen Annahmen der Führungskräfte, andererseits  bestehende Daten aus dem Planungs- und Steuerungssystem der Ringbuch AG (vgl. Management-Control-System, integriert planen und steuern und das darin enthaltene Simulationsmodell).

Die roten Felder sind die vorläufigen Annahmen der Führungskräfte, die blauen Felder enthalten die Ausgangsdaten aus dem Simulationsmodell der Ringbuch AG.

Simulationsmodelle
Simulationsmodelle

Die Kalkulationsgrundlage findet sich in den Zeilen 1 – 8:

    • Bruttoumsatz : Absatzmenge ergibt den geltenden Bruttoverkaufspreis von 3.60
    • Die 17.4% sind der durchschnittliche Rabattsatz, welcher den bisherigen Kunden aufgrund ihrer Kundengruppenzugehörigkeit gewährt wird. So ergibt sich der Nettoerlös von 375’705 in Zeile 5, Spalte 2.
    • Die proportionalen Herstellkosten pro Stück 105010 von 1.02 stammen ebenfalls aus dem Simulationsmodell.
    • Mit diesen Angaben werden die DB I pro Stück und pro Periode (246’672) berechnet.

Spalte 4 verbindet die Eckwerte der geplanten Aktion mit den Ausgangsdaten:

    • Planmenge, 20’000 Stück, Bruttoverkaufspreis 2.90.
    • Der durchschnittliche Rabattsatz von 17.4% wird aus der Jahresplanung übernommen, ebenso die proportionalen Herstellkosten von 1.02 pro Stück.
    • Können die vorgesehenen 20’000 Stück als Folge der Aktion wirklich verkauft werden, entsteht ein DB I von 27’400. Nach Abzug der direkten Kosten der Aktion (fix) in den Zeilen 9 und 10 verbleibt eine Ergebnisverbesserung von 13’400.
    • Durch den Sonderrabatt sinkt der DB I pro Stück von 1.95 auf 1.37. Die Aktion wird also gewinnbringend, wenn mehr als 10’219 Stück zum Aktionspreis verkauft werden (Breakeven-Menge der Aktion).

Im Simulationsmodell werden pro Kostenstelle auch die verfügbaren und genutzten Kapazitäten in Minuten geplant. Aus dieser Auswertung ist zu entnehmen, dass zur Herstellung der 20’000 Stück für die Aktion in den Herbstmonaten genügend freie Kapazität zu erwarten ist:

Kapazitaetsbedarf fuer Verkaufsfoerderung
Kapazitätsbedarf für Verkaufsfürderung

Die beschriebene Aktion zur Gewinnung von Neukunden kann durchgeführt werden. Sie lohnt sich, wenn etwas mehr als 50% der dafür produzierten Artikel 105010 zum Sonderpreis verkauft werden können. Die nicht verkauften Stück befinden sich Ende Januar noch zu proportionalen Herstellkosten verkaufsbereit am Lager. Die Chance, Neukunden auch zur Bestellung individuell ausgestatteter Ringbücher zu bewegen, ist intakt. Circa 4 Monate nach Abschluss der Aktion ist zu beurteilen, welche Neukunden gewonnen wurden und ob sie wieder gekauft haben.

Datenbasis für Simulationsmodelle im Management Accounting

Die Quantifizierung geplanter Aktionen soll zeigen, wie sich die Ergebnisse (Deckungsbeiträge, Fixkosten, Investitionen) voraussichtlich verändern werden. Die Voraussetzungen dafür müssen in den operativen Systemen geschaffen werden:

    • Im Ressourcenplanungssystem (ERP) müssen Material- und Arbeitszeitverbräuche sowie Kapazitäten, Umsätze und Nettoerlöse geplant und im Ist verfolgt werden können.
    • Das Management Accounting-System ist als stufenweise und mehrdimensionale Deckungsbeitragsrechnung aufzubauen, damit die proportionalen Plan-Herstellkosten und damit die zu erzielenden Deckungsbeiträge kalkuliert werden können.
    • Die zu erwartenden Neu-Investitionen sind zu berücksichtigen. Die bisherigen Abschreibungskosten sind nicht entscheidungsrelevant (sunk costs).

Im zitierten Simulationsmodell für das Management-Control-System lässt sich schrittweise nachvollziehen, wie die Modelle aufzubauen sind. Der Ausbau von  Planungs- und Steuerungssystemen in eine simulationsfähige Version ermöglicht es, Entscheidungen umfassender vorzubereiten und dadurch rentabler zu werden.