Aktualisiert am 24. April 2024 durch Lukas Rieder Dr. oec.
Das Konzept der Kundennutzenanalyse
Die Kundennutzenanalyse ist das beste bekannte Instrument, eine Marktstellung qualitativ zu beschreiben. Oft können mit einer Kundennutzenanalyse einige Schritte zur Quantifizierung der Marktstellung gegangen werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kunde bei uns kauft und nicht beim Wettbewerb, kann jedoch bereits aus einer qualitativen Analyse zuverlässig abgelesen werden. Dies spart Zeit und verhindert Scheingenauigkeiten, die vom Wesentlichen ablenken.
Der Kundennutzenanalyse liegt die empirisch gut gestützte Annahme zugrunde, dass Kunden in ihren Kaufentscheidungen das Preis-/Leistungsverhältnis der Alternativen vergleichen, die sie in Betracht ziehen.
Die Kundennutzenanalyse ermittelt das «Cost/Benefit-Verhältnis» aus Kundensicht. Beim «Benefit» handelt es sich um alle vom Kunden wahrgenommenen Vorteile, die er sich von der Kaufentscheidung verspricht. Bei den «Cost» handelt es sich um alle vom Kunden wahrgenommenen Nachteile, die er mit dem Kauf verbindet (und nicht um die Herstellungskosten des Produktes oder der Dienstleistung).
Dabei werden nicht nur einfach fassbare, rationale Kriterien wie z.B.. Motorleistung (Benefit) oder Preis (Cost) einbezogen, sondern auch schwammigere, emotionale Kriterien wie z.B. Markenimage (Benefit) oder Reputationsrisiken (Cost). Der Kunde entscheidet sich für die Alternative, die aus seiner Perspektive das beste Cost/Benefit-Verhältnis aufweist.
Beispiel „Ristorante da Noi“
Es ist zuerst genau zu spezifizieren, welche Kaufentscheidung modelliert wird. Im hier dargestellten Beispiel analysiert das neu in den Markt eintretende «Ristorante da Noi», wie es aufgestellt ist, wenn sich Quartierbewohner dazu entscheiden, den Abend nicht vor dem TV zu verbringen. Entsprechend enthält die «Alternatives Map» nicht nur andere Restaurants, sondern auch branchenfremde Alternativen, welche die Kunden bei dieser Art von Entscheidung in Betracht ziehen. Gerade das Einladen einiger Freunde zum gemeinsamen Kochen und Essen ist eine valable Option in dieser «Kauf»-Entscheidung. Das «Ristorante da Noi» muss diese in seiner Planung mitberücksichtigen.
Es empfiehlt sich, eine zweite Kundennutzenanalyse für die Kaufentscheidung «in welches Restaurant gehen wir heute Abend?» anzufertigen. Damit würde auf den Teilmarkt derjenigen Kunden fokussiert, die bereits die Vorentscheidung getroffen haben, ein Restaurant zu besuchen. Dieser schärfere Fokus blendet allerdings verschiedene Möglichkeiten der potenziellen Kunden aus. Vielleicht könnte «da Noi» ja im grossen Markt des «Zuhause-Kochens» mit einer Catering-Dienstleistung einfacher wachsen als mit einem Frontalangriff auf die Restaurants «Toni’s Pizza» und «Zio Giovanni»?
Private und Geschäftskunden pflegen dort zu kaufen, wo der wahrgenommene Benefit gross und die wahrgenommenen Kosten klein sind – in der Grafik mit dem Restaurant-Beispiel ist dies die rechte untere Ecke. Diejenige Alternative, die nach unten rechts am weitesten von der Mittellinie (fair value line) entfernt ist, hat das beste «Cost/Benefit-Verhältnis» und damit die höchste Zuschlagswahrscheinlichkeit. Das bedeutet die beste Marktstellung für die konkrete Kaufentscheidung. Im Beispiel ist dies das «Selber kochen». Die schlechteste Marktstellung hat «Zio Giovanni»: Er liefert aus Kundensicht zwar denselben Benefit wie das «Selber kochen», ist aber etwa drei Mal teurer.
Die sicherste Prognose in der Beispielkonstellation ist folglich, dass die Alternative «selber kochen» am Schnellsten relative Marktanteile gewinnen wird. Das «Ristorante da Noi» und «Toni’s Pizza» dürfen sich ebenfalls Hoffnung auf einen Zuwachs relativer Marktanteile machen, allerdings deutlich langsamer als «selber kochen». Die Wahlmöglichkeiten in der oberen Hälfte der Grafik haben eine unterdurchschnittliche Zuschlagswahrscheinlichkeit und dürften deshalb relative Marktanteile verlieren.