Costing oder Pricing 1

Nettoerlösplanung für eine Sortimentsergänzung

Aktualisiert am 22. April 2024 durch Lukas Rieder Dr. oec.

Costing oder Pricing 1

In der Unternehmensführung stellt sich oft die Frage, ob in erster Linie die Verkaufspreise und die eigenen Kosten für den Unternehmensgewinn bestimmend sind oder die Gestaltung des Sortiments und des Marktauftritts. Soll die Planung mit Costing oder Pricing begonnen werden?.

Meistens machen der Markt, also die potenziellen Kunden und die Konkurrenten sowie das Können der eigenen Verkäufer den Preis. Doch erst der Vergleich der Nettoerlöse mit den dafür entstandenen Kosten ergibt den Unternehmensgewinn. Der Gewinn einzelner Produkte oder einzelner Kunden kann nicht verursachungs- und periodengerecht ermittelt werden, weil die Kosten der Leistungsbereitschaft (fixe Kosten) weder Kunden noch Produkten/Dienstleistungen verursachungsgerecht belastet werden können (vgl. den Beitrag «Die Vollkosten eines Produkts sind immer falsch»).

Planende Führungskräfte müssen entscheiden, ob sie ein neues Produkt oder gar eine Produktgruppe in ihr Sortiment aufnehmen wollen, neue Verkaufsgebiete oder Absatzkanäle bedienen oder gar in neue Technologien investieren sollen. Für den Ausbau muss oft investiert werden und es entstehen neue Kostenelemente, um zusätzliche Umsätze und Deckungsbeiträge zu erzielen.

Deshalb ist mit der Schätzung von Absatzmengen, Verkaufspreisen und Nettoerlösen pro Produkt zu beginnen. Denn diese Pricing-orientierten Daten schaffen die Grundlage für die Planung der notwendigen Investitionen und Kosten. Es ist vom Markt ins Unternehmen zu denken. Idealtypisch entsteht ein grober Ablauf:

    1. Ideen für neue Produkte oder Services aufbereiten.
    2. Analyse der konkurrierenden Produkte oder Services und damit der zu erwartenden Konkurrenten.
    3. Schätzung möglicher Absatzmengen und Nettopreise in verschiedenen Marktdimensionen wie Verkaufsgebiete, Absatzkanäle, Produktgruppen.
    4. Planung der Verkaufsmengen und Nettoerlöse pro Artikel, Verkaufsgebiet und Absatzkanal.
    5. Schätzung der jährlichen Zusatzkosten für Marketing, Werbung, Verkaufsförderung, Kundenbetreuung.
    6. Entscheid

Erst wenn Schätzwerte für Punkt 4.  verfügbar sind, macht es Sinn, die für die Umsetzung notwendigen Kosten und Investitionen zu planen.

Für die Planrechnung ist die dynamische Investitionsrechnung das geeignete Instrument. Denn in ihr können Absatz- und Nettoerlösschätzungen mit Geldausgaben für Neuinvestitionen und zu erwartenden Kosten verglichen werden, die Payback-Periode berechnet und die Barwerte auf den Entscheidungszeitpunkt diskontiert werden. Schon vorhandene Deckungsbeitrags- und Kosten-/Leistungsrechnungen können zwar wesentliche Planungsinputs liefern, doch sind in ihnen die neuen Produkte und Teilmärkte noch nicht angelegt. Deshalb empfiehlt es sich, zuerst die zu erwartenden Nettoerlöse und Deckungsbeiträge in einer eigenen Tabelle zu berechnen.

Kunstleder-Präsentationsmappen anbieten? (Costing oder Pricing, Teil 1)

Im Management der Ringbuch AG wird die Idee diskutiert, hochwertige Präsentationsringbücher mit Kunstlederhülle ins Sortiment aufzunehmen. Diese Präsentationsmappen sollen die Kunden dabei unterstützen, ihre eigenen Angebote erfolgreicher anpreisen zu können.

Die Kunstledermappen sollen in den bestehenden drei Absatzkanälen (Direktverkauf an Unternehmen, an Einzelhändler zum Wiederverkauf und via Onlineshop) vertrieben werden. Vorerst ist der Verkauf nur im Heimmarkt (Schweiz) vorgesehen.

Markteinschätzung

Die Verkaufsleitung und die Verkäufer der Ringbuch AG einigten sich in einer ersten Beurteilung auf folgende potenziellen Netto-Verkaufspreise (nach Abzug von Rabatten aller Art) und Absatzmengen für den Heimmarkt Schweiz:

Costing oder Pricing 1
Umsatzplan Präsentationsmappe

Die Verkäufer der jeweiligen Absatzkanäle haben die aus ihrer Sicht realisierbaren Absatzmengen von Präsentationsmappen geschätzt (Zeilen 1). Die angenommene Entwicklung der Planabsatzmengen lässt erkennen, dass davon ausgegangen wurde, dass die Lebenskurve des Produkts im fünften Jahr ihre Spitze erreichen wird und anschliessend die Absatzmengen wieder sinken werden (Produkt-Lebenszyklus).

Die Ringbuch AG gewährt ihren Kunden unterschiedliche Rabatte auf die Listenpreise und auf die Bestellwerte. Die bisher gewährten Durchschnittsrabatte sind in den Netto-Verkaufspreisen schon berücksichtigt. Das erklärt die unterschiedlichen Netto-Verkaufspreise pro Stück (Zeilen 2).

In den Zeilen 3 wurden die mit den vorgesehenen Präsentationsmappen zu erreichenden Nettoerlöse pro Jahr und Absatzkanal berechnet.  Es ergaben sich auch die geschätzten durchschnittlichen Netto-Verkaufspreise pro Stück.

Die Kunstleder-Präsentationsmappen sollen helfen, dass die Ringbuch AG bei allen potenziellen Kunden in den engeren Kreis möglicher Lieferanten für verkaufsunterstützende Hilfsmittel gehört. Das dient der kontinuierlichen Verbesserung der eigenen Marktposition.

Die Tabelle mit den absatzkanalbezogenen Planverkaufsmengen und Nettoerlösen ist somit ein Ansatz, strategische Absichten zu operationalisieren. Sie ist die Basis, um die Plan-Nettoerlöse mit den zu erwartenden Kosten und Ausgaben zu vergleichen. Erst dieser Vergleich kann zeigen, ob die Sortimentsausweitung auch das finanzielle Ergebnis der Ringbuch AG verbessern wird.

Die Kosten- und Gewinnseite folgt im nächsten Beitrag.

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