Rekursivität und Hüte

Jede Führungskraft muss ihrem Kopf den zur aktuellen Entscheidungssituation passenden Hut aufsetzen.

Rekursivität und Hüte

Im Samen jedes Weizenkorns ist der gesamte Bauplan für die Entstehung einer neuen Weizenpflanze enthalten. Der Same „weiss“, wie er sich entwickeln muss, damit aus ihm eine gesunde neue Pflanze wird. Auch bei Tieren und Menschen ist dieser Entwicklungspfad schon im Erbgut angelegt. Kybernetisch ausgedrückt bedeutet dies: „Jedes lebensfähige System ist eingebettet in ein lebensfähiges System und besteht selbst aus lebensfähigen Systemen (Pfiffner, S.345). Mit anderen Worten repetiert sich die gleiche Steuerungsstruktur im verschachtelten System immer wieder (ebenda, S. 113).

Das Kind lernt, dass es seine Operationen (System 1), z.B. Lernen und Spielen, erfüllen und koordinieren muss (System 2) und gleichzeitig die Anforderungen des Familiensystems Eltern und Geschwister, ev. Verwandte, berücksichtigen muss (System 3). In der Adoleszenz beginnt es, weitere Aspekte des Lebens zu erkunden und zu beurteilen (System 4). Das führt dazu, dass es seine eigene Identität (System 5) zu definieren beginnt und eigene Werte als massgeblich erkennt, was wiederum zur Folge hat, dass sich die Zwecke seiner Operationen (1) ändern. Sein System 5 wird eigenständig, ist jedoch immer noch mit demjenigen des übergreifenden Systems 5 (Familie) verbunden (Rekursivität).

Auf Unternehmensführung angewandt bedeutet dies, dass Organisationsteile sehr wohl ihre eigenen Interessen in ihren Systemen 1 – 3 verfolgen können und müssen, ihre Zweckerfüllung jedoch immer von Ihrem Beitrag zur Erfüllung des Gesamtzwecks der übergeordneten Einheit abhängig ist. Zudem kann ihr Zweck als Folge neuer Erkenntnisse im System 4 angepasst werden.

Es ergibt sich, dass sich die Systeme 1 – 5 in jedem Teilunternehmen wieder finden, das Gesamtsystem also rekursiv ist. Die Systemkomplexität wird so ausführungsnah wie möglich beherrscht, was die Systeme 3 – 5 der Gesamtorganisation entlastet (vgl. Pfiffner, S. 117).

Rekursivität und Hüte
Rekursive Informationsfüsse im System 1a

Denken in verschiedenen Dimensionen

Jede verantwortliche Person in einem Unternehmen hat nur einen Kopf. Diesen kann sie jedoch zum Denken in verschiedenen Dimensionen einsetzen:

    • Im Vordergrund steht der Erfolg der von mir geleiteten Organisationseinheit
    • Das Interesse des Gesamtunternehmens steht im Vordergrund
    • Die Anforderungen anderer Unternehmensbereiche stehen im Vordergrund.

Wir empfehlen Führungskräften aller hierarchischen Positionen beim Entscheiden immer zu überlegen, welchen „Hut“ sie aktuell auf ihrem Kopf tragen.

Denn die gleiche Person kann sowohl Leiterin ihres Systems 1 (operative Umsetzung) als auch gleichzeitig Mitglied des operativen Managements (System 3) sein. Abhängig von der aktuell zu treffenden Entscheidung trägt sie den Hut als Mitglied des operativen Managements ihrer übergreifenden Organisation oder denjenigen des Organisationsteils, den sie direkt verantwortet. Ist eine Entscheidung für das Gesamtsystem zu treffen, sind sowohl intern als auch extern andere Informationen zu beachten, als wenn die Entscheidung ihren eigenen Bereich betrifft.

Die Fähigkeit der Führungskräfte, die Bedürfnisse ihres eigenen Bereichs mit denjenigen des gesamten Unternehmens in Übereinstimmung zu bringen, ist unseres Erachten die wichtigste Voraussetzung für nachhaltigen Erfolg.

„Lebensfähigkeit enthält Adaption und Fortschritt, aber auch Robustheit gegenüber Schocks von aussen oder von innen. Das Viable System Model geht über das modern gewordene Gewinnmaximierungsdenken hinaus und ist deshalb gleichermassen interessant für Wirtschaftsunternehmen, wie auch für Verwaltungsunternehmen, Non-Governmental Organizations oder für jede andere Art von Institution, die eine Organisationsstruktur braucht (Pfiffner, S. 31).“

Lebensfähige Systeme

Elemente, Steuerungsachsen und das Prinzip für die Gestaltung eines Viable Systems.

Lebensfähige Systeme

Lebensfähige Systeme (Viable Systems) sind Menschen, Tiere oder Pflanzen. Sie entwickeln sich und pflanzen sich fort oder sie verschwinden, wenn sie ihren Zweck nicht mehr erfüllen. Veränderungen in ihrer Umwelt können dazu führen, dass sich ihr Bestehenszweck ebenso ändert. Folglich müssen sich Lebewesen an neue Gegebenheiten anpassen, soll ihre Art nicht verschwinden.

Auch Unternehmen oder öffentlich-rechtliche Organisationen sind als lebensfähige Systeme zu betrachten. Denn sie werden alle dazu betrieben, einen oder mehrere Zwecke zu erfüllen. Jede Führungsperson muss in ihrem Verantwortungsbereich dafür sorgen, dass die geleistete Arbeit auf Zweckerfüllung ausgerichtet ist.

Mit seinem Modell des lebensfähigen Systems (Viable System Model VSM, Beer, Brain of the Firm, S. 130 ff.) zeigt Stafford Beer, wie Prozesse und Strukturen zu gestalten sind, damit die Komplexität der Unternehmensführung gemeistert werden kann (vgl. Pfiffner, S. 9). „Der gemeinsame Nenner aller Organisationen liegt weder in ihrer Grösse, ihrem Charakter, nicht in ihrer Branche, und schon gar nicht in ideologischen Fragen, sondern in ihrer Komplexität. Von dieser Frage sind alle Unternehmen gleichermassen betroffen, denn Komplexität und Information sind das Kernthema und die Substanz modernen Managements “ (Pfiffner, S. 11).

Weil Management Control für die Gesamtheit der Führungsaufgaben zur Umsetzung und Verfolgung von Entscheidungen steht, sollte das VSM auch Grundlage für den Aufbau von Management-Control-Systemen sein.

Beer belegt, dass zur Erreichung der Lebensfähigkeit im Nervensystem eines Lebewesens (inklusive Hirn) fünf Elemente, zwei Steuerungsachsen und das Prinzip der Zellteilung notwendig und hinreichend sind (vgl. Pfiffner, S. 79-81). Diese Struktur kann auch auf Unternehmen, öffentliche Organisationen oder ganze Länder übertragen werden. Sie ist, wie zu zeigen sein wird, invariant und rekursiv.

Im Viable System Model wird das Gesamtunternehmen in seiner Umwelt (Amöbenform) dargestellt. Die beiden operativen Einheiten A und B, z.B. Tochtergesellschaften oder Werke, erfüllen selbstgesteuert ihren Zweck. Sie werden von ihrem lokalen Management geführt und kommunizieren mit den für sie relevanten Teilen der Umwelt, welche sich ihrerseits ständig verändern. Auf Lebewesen bezogen könnten das die Leber und die Nieren sein.

Lebensfähige Systeme
Lebensfähige Systeme

Damit sich die operativen Teilsysteme A und B koordinieren können, z.B. weil sie gemeinsam eine Maschine nutzen oder einen Fuhrpark, bedarf es des Selbst-Koordinationssystems 2.

Das System 3 sorgt für die Optimierung des bestehenden Geschäfts. Wie können wir als Gesamtheit Synergien nutzen und dadurch erfolgreicher werden? Wie lassen sich Differenzen zwischen den Operationen A und B regeln, wenn die Managements von A und B sich nicht einigen können? Das ist die operative Führung des Gesamtsystems. Oft steht sie unter der Leitung eines COO (Chief Operating Officer).

Die senkrechten doppelseitigen Pfeile repräsentieren die Kommunikation zwischen den Systemen 1 und 3. Hier geht es einerseits um die Rechenschaftspflicht der Führungspersonen der Systeme 1 (nicht nur finanziell), um die Festlegung von operativen Zielen, Budgets und Verantwortlichkeiten für die verfügbaren Ressourcen, sowie um Spielregeln (Resource Bargain and Accountability).  Andererseits können Umweltentwicklungen dazu führen, dass in der gesamten Organisation dringende Änderungen umzusetzen sind, die in den bisherigen Vereinbarungen nicht vorgesehen waren, jedoch für die Überlebensfähigkeit unumgänglich erscheinen. Solche „Corporate Interventions“ dürfen nur im Notfall erfolgen, da sonst die komplette Planung und Steuerung von den Verantwortlichen für die Systeme 1 an das System 3 „zurückdelegiert“ wird.

In den folgenden Darstellungen werden aus diesem Grund der direkte Interventionskanal und der Ressourcen- und Verhandlungskanal getrennt dargestellt (senkrechte Pfeile).

Das System 3* dient der unabhängigen und ungefilterten Information. Diese Aufgabe übernimmt zum Teil die Interne Revision, indem sie Buchhaltungen prüft und dokumentiert, ob gesetzliche (Compliance) oder interne Vorschriften eingehalten werden. Mindestens ebenso wichtig sind Direktinformationen, welche sich Führungskräfte der Systeme 3 und 5 durch Gespräche mit Mitarbeitenden aller Bereiche und Stufen einholen oder Informationen, die durch „Mistery Shopping“ sowie durch Umfragen bei Kunden entstehen. Sollen solche Informationen zu Umsetzungshandlungen führen, müssen diese durch Vertreter der Systeme 1 und 3 angeordnet werden, weil sie die Realisierungsverantwortung tragen.

Die Systeme 1 – 3 und 3* kümmern sich, um mit Stafford Beer zu sprechen, um das „Inside and now“ (vgl. Beer, Diagnosing the System, S. 111), also um den insgesamt erfolgreichen Betrieb der bestehenden Geschäfte in ihrer aktuellen Umwelt.

Veränderungen in den Unternehmensumwelten (vgl. den Beitrag  Management Control erfordert Umweltbezug) führen jedoch oft dazu, dass andere als die bisherigen externen Einflussfaktoren für den zukünftigen Erfolg des Unternehmens bestimmend werden:

    • Bestehende Märkte verschwinden, neue entstehen
    • Konsumenten fragen neue Produkte nach oder wollen andere Dienstleistungen
    • Andere Fähigkeiten und Kenntnisse der Mitarbeitenden werden wichtig
    • Neue Kommunikationsprozesse entstehen und die Arbeitszeit „vor Ort“ nimmt ab
    • Rohstoffe oder Produktionsverfahren werden „geächtet“
    • Neue Materialien oder Prozesse werden massgeblich
    • Neue Technologien beginnen sich durzusetzen
    • Gesetzliche Änderungen erfordern in den Systemen 1 – 3 Anpassungen.

Das Unternehmen muss folglich Frühwarnung (Aufklärung) betreiben, damit es feststellen kann, ob es in den Systemen 1 neue Angebote entwickeln oder gar den Unternehmenszweck (System 5) anpassen muss.

Das ist, wiederum nach Stafford Beer (ebenda, S.111), das Thema des „Outside and then“. Es folgt der Frage, wie das bestehende Unternehmen anzupassen ist, damit es auch in Zukunft lebensfähig bleibt. Frühwarnung ist die Aufgabe des Systems 4.

Das System 5 schliesslich stiftet die Identität des Unternehmens. Der Unternehmenszweck wird festgehalten und in der Unternehmenspolitik werden die Leitplanken für die Strategiefindung und das operative Management definiert. Dazu muss System 5 die Informationen und Absichten der Systeme 3 und 4 ausbalancieren und, wenn keine argumentative Einigung erzielt wird, abschliessende Entscheide treffen. Denn das System 5 trägt auch die Verantwortung für die Zielerreichung des Gesamtunternehmens gegenüber seinen Eigentümern.

Zur vertieften Beschreibung der in den Pfeilen auszutauschenden Informationen werden in der nächsten Abbildung die Umwelt und die Inwelt der Organisation getrennt dargestellt und noch fehlende Beziehungen dazu gefügt:

    • Vom System 5 (Identität) ziehen sich die Informationskanäle bis zu den umsetzenden 1-er-Systemen durch. Der Resource Bargain and Accountability-Kanal bezieht sich wie erwähnt auf Ziele, Budgets und Ressourcenverfügbarkeit sowie auf die Rechenschafspflicht der Beauftragten. Der Corporate Intervention-Kanal wird nur verwendet, wenn zwischen den nachgelagerten Systemen keine Einigung erreicht wird oder wenn dringliche Umweltveränderungen sofortige Handlungen erfordern.
    • Die beiden halbrunden schwarzen Pfeile stehen für die Balance zwischen Investitionen (inhaltlich und finanziell) in die Unternehmenszukunft und Erhaltung der Lebensfähigkeit der bestehenden Systeme 1.
    • Die Doppel-Wellenlinien kennzeichnen Abhängigkeiten zwischen operativen Teilsystemen. Das sind z.B. gemeinsam benutzte Anlagen und Einrichtungen oder Mitarbeitende, die in mehreren Operationen im Einsatz sind. Die Koordination dieser Einsätze erfolgt im System 2.
Systeme 1-5 und ihre Umwelten
Systeme 1-5 und ihre Umwelten

Die beiden operativen Systeme beobachten jeweils denjenigen Teil der Gesamtumwelt, der aus ihrer operativen Sicht massgeblich ist. Überschneidungen der Teilumwelten kommen oft vor, z.B. wenn Kunden bei beiden Operationen kaufen, gleiche Lieferanten zum Zuge kommen oder sich potenzielle Mitarbeitende bei beiden Operationen bewerben.

Auch die Teilumwelt für die Beobachtung des „Outside and then“  kann sich mit den aktuellen Teilumwelten der Operationen überschneiden. Der Fokus im System 4 muss jedoch in erster Linie auf das Erkennen potenziell relevanter neuer Entwicklungen liegen (vgl. den Beitrag „Schwache Signale“).

Ein lebensfähiges System besteht aus 5 Elementen, 2 Steuerungsachsen und einem Prinzip. Die fünf Elemente und die beiden Steuerungsachsen sind in den Darstellungen oben enthalten. Das Prinzip heisst Rekursivität und ist Thema des nächsten Beitrags.

Der Barwert der Strategie

Welche Daten sind zur Barwertberechnung erforderlich und welche Erkenntnisse lassen sich gewinnen?

Der Barwert der Strategie

Zur Beurteilung der finanziellen Auswirkungen des Strategie-Umsetzungsprojekts ist die dynamische Investitionsrechnung das geeignete Instrument. Denn sie bezieht den gesamten Zeithorizont der Strategie ein und berücksichtigt nicht nur die erwarteten Nettoerlöse, Kosten und Investitionen im jeweiligen Entstehungsjahr, sondern auch die Entwicklung der Bilanzpositionen.

Aus der Deckungsbeitragsrechnung im Beitrag «Strategisches Umsetzungsprojekt quantifizieren» werden die stückabhängigen DB I für jedes Jahr in die Investitionsrechnung übernommen. Sie repräsentieren die jährlich erwarteten Geldzuflüsse vom Markt (Zeilen 1 – 8).

Davon sind die erwarteten Geldabflüsse für zusätzliche Fixkosten gemäss den Angaben im Beitrag «Umsetzungsprojekt quantifizieren» abzuziehen (Zeilen 10 bis 12). Es verbleibt für jedes Planjahr der Cash Flow before Interest and Taxes (CFBIT, Zeile 13). Dieser Geldrückfluss dient zuerst der Bezahlung der Nettoinvestitionen in die Bilanz des Unternehmens. Der verbleibende Rest gehört zum Gewinn vor Abzug von Steuern und Zinsen (EBIT).

Dynamische Investitionsrechnung Buchstützen

Veränderung der Bilanzpositionen

Eine Strategie wirkt sich auf das investierte Vermögen und damit auch auf die Bilanzpositionen aus:

    • Umsatzwachstum führt automatisch zur Zunahme der Forderungsbestände (Debitoren). Bezahlen die Kunden ihre Rechnungen durchschnittlich nach 30 Tagen, ist 1/12 des Umsatzes noch nicht auf dem Bankkonto und steht noch nicht für die Bezahlung von Löhnen und Einkäufen zur Verfügung (Berechnung in Zeile 14).
    • Zur termingerechten Kundenbelieferung ist immer ein genügender Lagerbestand an fertigen Buchstützen BS erforderlich. Im Unternehmen soll jederzeit der geschätzte Buchstützenbedarf für 30 Tage am Lager verfügbar sein. Steigt der Absatz, muss deshalb auch das im Fertigwarenlager gebundene Vermögen zunehmen (Zeilen 15 und 16). Die Frontlaschen-Buchstützen  werden erst nach Bestellung hergestellt. Sie haben folglich keinen Lagerbestand.
    • Die Halb- und Fertigfabrikatebestände werden nur zu proportionalen Herstellkosten bewertet. Denn die Kostenstellen-Fixkosten sind in den Zeilen 10 + 11 enthalten, vgl. den Beitrag „Kostenspaltung„.
    • Um termingerecht produzieren zu können, steigen auch die notwendigen Rohmaterial- und Halbfabrikatebestände. Auch diese binden Vermögen, werden jedoch in diesem Beispiel vernachlässigt.
    • Sinngemäss führen zunehmende Einkäufe zu höheren Kreditorenbeständen. Werden die Lieferanten jeweils innert 30 Tagen bezahlt, belastet ein Einkauf das Bankkonto ebenfalls erst 30 Tage später (Zeile 17, im Beispiel jedoch nicht ausgefüllt).
    • Erfordert eine Strategie Investitionen ins Anlagevermögen, vermindert deren Bezahlung den Bankkontobestand oder erhöht die Bankschulden. Die für die Strategierealisierung notwendigen Investitionen wurden im Beitrag «Umsetzungsprojekt quantifizieren» gelistet und werden in Zeile 18 im Planjahr der Investition ausgewiesen.

In Zeile 21 werden alle Geldflüsse aus der Operation (Zeilen 1 – 13) sowie aus Investitionen und Devestitionen (Zeilen 14 – 20) zusammengefasst. So wird ersichtlich, welche absoluten Geldzu- und -abflüsse die Strategie während ihrer Lebenszeit hervorbringen sollte. In den Jahren 0 (Beginn der Strategieumsetzung), 6 und 7 sind Geldabflüsse zu erwarten. In den anderen Jahren sollten positive Geldrückflüsse entstehen.

Ist die Rendite marktgerecht?

Leihen Privatpersonen oder Unternehmen Anderen einen Geldbetrag, erwarten sie üblicherweise, dass sie diesen Betrag wieder zurückerhalten werden und dass sie für das ausgeliehene Geld zusätzlich einen Zins erhalten. Damit stellt sich automatisch die Frage, welcher Zinssatz das Risiko der Ausleihung richtig abdeckt.

Weil die Quantifizierung der Risiken der Geldausleihe die ganze Welt beschäftigt, werden jährlich statistische Analysen zur Bestimmung des risikogewichteten Kapitalkostensatzes (Weighted Average Cost of Capital WACC) für verschiedene Branchen in vielen Ländern durchgeführt. Diese Analysen mit Daten aus dem Jahr 2013 haben wir im Buch 360°-Management ab Seite 243 zusammengefasst und sowohl länder- als auch branchenspezifisch ausgewertet. Für ein «Durchschnittsunternehmen» in Deutschland ergab sich ein Ziel-ROCE (Return on Capital Employed) von 10%, für Österreich von 9.5% und für die Schweiz ein Ziel-ROCE von 6.5%. Im Jahr 2023 ergaben sich in etwa die gleichen Prozentsätze. Die Differenz zwischen Deutschland/Österreich und der Schweiz ist zur Hauptsache darauf zurückzuführen, dass in der Schweiz die Marktrisikoprämie und der aktuelle Gewinnsteuersatz markant tiefer sind.

Wird für die Hingucker-Buchstützen GmbH ein WACC von 10% angenommen, bedeutet das, dass die erwarteten Geldrückflüsse aus dem Strategieprojekt auf den Entscheidungszeitpunkt (Ende Jahr 0) abzuzinsen sind:

Barwert der Strategie

Anmerkungen:

    • Der Geldabfluss für die Investitionen des Jahres 0 ist schon barwertig, weil er zu Beginn der Strategieumsetzung zu bezahlen ist (Barwertfaktor = 1).
    • Der Geldrückfluss von 81’120 am Ende des Jahres 1 hat zum Entscheidungszeitpunkt einen Barwert von 73’827 (Barwertfaktor = 0.909), weil das Geld erst ein Jahr später eintrifft. Wird dieser Barwert von den 150’000 Initialinvestition subtrahiert, resultiert der Barwertsaldo der Strategie am Ende des Jahres 1 von -76’173.
    • Die Geldflüsse der folgenden Jahre werden ebenso mit dem Zinssatz von 10% abgezinst und in Zeile 23 kumuliert.
    • Zu Beginn des Jahres 4 wird der kumulierte Barwertsaldo > 0 (Zeile 22). Das bedeutet, dass die bisherigen Investitionsbeträge zurückbezahlt und verzinst sind.
    • Die Nettoerlöse und die Deckungsbeiträge werden ab Jahr 5 geringer. Die Lebenskurve der Frontlaschen-Buchstützen kommt langsam an ihr Ende. Trotzdem werden bis Jahr 5 noch positive Geldrückflüsse realisiert. Das stimmt mit der Erfahrung vieler Unternehmen überein, dass mit den Geldrückflüssen der Produkte in der Cash Cow- und in der Poor-Dog-Phase das Geld zur Finanzierung der Question-Marks verdient wird (Vgl. den Beitrag «Produkt-Lebenszyklus bewerten»).
    • In den Jahren 6 und 7 nimmt der kumulierte Barwert wieder ab und entwickelt sich negativ. Wie Zeile 9 in der kompletten Investitionsrechnung zeigt, können zwar noch erkleckliche DB I generiert werden. Es wird folglich im Jahr 5 zu überlegen sein, wie die Fixkosten der Strategie (Zeilen 10 und 11) rechtzeitig abgebaut werden können, z.B. durch Beschäftigung  des Buchstützen-Personals in Kostenstellen, welche dannzumal ungedeckten Personalbedarf haben werden.

Mit der Excel-Funktion «IKV» kann der Interne Zinsfuss der Jahresgeldflüsse der Strategie berechnet werden (17.7%). Dieser ist zu beachten, wenn mehrere strategische Ideen um verfügbare Investitionsmittel kämpfen.

Fazit zur Strategiequantifzierung:

Es lohnt sich, strategische Projekte schon im Planungsstadium und damit vor der definitiven Entscheidungsfindung zu quantifizieren. Dazu sind erzielbare zusätzliche Nettoerlöse, zu erwartende proportionale Herstellkosten und Veränderungen im Fixkostenbereich zu berücksichtigen.  Die stufenweise Deckungsbeitragsrechnung in Kombination mit der dynamischen Investitionsrechnung ermöglicht diese Erkenntnisse, bevor die Budgets freigegeben werden.

Laden Sie das komplette Investitionsrechenmodell als Excel-Modell hier herunter und passen Sie es Ihren eigenen Bedürfnissen an.

Strategieumsetzungsprojekt kalkulieren

Ein Strategieumsetzungsprojekt kalkulieren bedeutet, Mengen, Leistungen, Werte und Geldflüsse zu schätzen, um den erwarteten Gewinn einer mehrjährigen Strategie zu berechnen.

Strategieumsetzungsprojekt kalkulieren

Eine Produkt-Markt-Strategie soll helfen, den Unternehmenswert zu steigern. Die Berechnungen im Beitrag «Strategieentwurf quantifizieren» sind für den Strategieentscheid nicht ausreichend, weil

    • die Mengen- und Nettoerlösschätzung pro Verkaufsgebiet und Artikel für den beabsichtigten Strategiezeitraum noch fehlt,
    • Angaben zu proportionalen Material- und Fremdleistungskosten der neu anzubietenden Produkte oder Dienstleistungen fehlen (Stücklisten der zu beurteilenden Artikel),
    • für die neuen Produkte noch nicht festgelegt ist, in welchen Kostenstellen welche stückbezogenen Bearbeitungsschritte auszuführen sein werden (Arbeitsplan pro neue Dienstleistung oder neues Produkt),
    • noch offen ist, welche zusätzlichen fixen Kosten für die Leistungsbereitschaft der Verkaufs-, Fertigungs- und Supportbereiche erforderlich sein werden (Kostenstellenpläne),
    • welche Investitionen in Gebäude, Anlagen, Fuhrpark oder Rechte und Lizenzen notwendig sein werden.

Die dazu notwendigen Datengrundlagen werden vorzugsweise im ERP-System und in der Kosten-, Leistungs-, Erlös- und Ergebnisrechnung (KLEER) erstellt, weil die Datenstrukturen und die Vergangenheitswerte dort schon vorhanden sind:

    • Sind Kunden, Artikel, Absatzmengen, Preise und Erlösschmälerungen sowie Stücklisten und Arbeitspläne im ERP-System hinterlegt, können in diesen Datenstrukturen auch die neuen Produkte angelegt werden.
    • Die KLEER führt die Kostenstellenpläne mit den personellen und maschinellen Kapazitäten, den proportionalen Kostensätzen und den Fixkostenblöcken. Damit können die proportionalen Fertigungskosten der neuen Produkte oder Dienstleistungen kalkuliert werden.

Die entscheidenden Führungskräfte müssen auf diese Datenbasis bauen können, weil sie für den Strategieerfolg die Verantwortung tragen werden.

Die Vorgehensschritte zur Quantifizierung des Umsetzungsprojekts einer Strategie werden im nachstehenden Beispiel erarbeitet. Es ist zu zeigen, ob die Herstellung und der Verkauf individualisierter Buchstützen für private oder öffentliche Bibliotheken den Unternehmenswert steigern kann.

Buchstützen mit individualisierter Frontlasche

Frontlaschen-Buchstütze
Frontlaschen-Buchstütze
Vorgesehener Herstellungsprozess

Ausgangsmaterial für die Standard-Buchstützen sind 1mm-dicke und 12 cm breite Stahlrollen (Coils). Aus den Rollen werden 24 cm lange Bleche gewalzt und gestanzt und zu einer 12 cm breiten und 12 cm hohen Buchstütze gebogen.  Die Buchstützen werden anschliessend schwarz, weiss oder rot lackiert und einzeln in eine durchsichtige Schutzfolie verpackt.

Für die vorgesehene Frontlaschen-Buchstütze sind 18 cm breite Stahlcoils erforderlich, weil die Frontlasche 6 cm hoch und 12 cm breit sein soll. Beim Stanzen einer Frontlaschen-Buchstütze wird pro Stück Blechabfall von 6 mal 12 cm entstehen. Der Coil-Lieferant kann diese recyclen.

Die zu lackierende Fläche steigt gegenüber der Standardversion pro Stück um 12 x 6 cm, also um 25%. Die Frontlaschen-Buchstütze kann auf den bestehenden Anlagen gestanzt, lackiert und verpackt werden.

Die Frontlasche wird mittels einer vom Kunden elektronisch eingereichten Bildvorlage seiner Wahl individualisiert. Zu diesem Zweck ist die Kostenstelle «Bildbearbeitung» einzurichten. Sie soll folgende Aufgaben übernehmen:

    • Prüfung der per Mail eingereichten Bilder für die Frontlasche und Übermittlung der Bestellung an den externen Drucker der Selbstklebebilder
    • Kleben der zurückgelieferten Folien auf die Buchstützen.

Es empfiehlt sich, die Stückliste und den Arbeitsplan für die vorgesehene Frontlaschen-Buchstütze gleich im ERP-System anzulegen, weil fast alle zu verwendenden Materialien und die bearbeitenden Kostenstellen dort schon vorhanden sind. Auf diesen Daten basierend, kann folgende Plankalkulation erstellt werden:Strategisches Umsetzungsprojekt quantifizierenPlankalkulation

Werden die proportionalen Plankosten pro Einheit kalkuliert, erkennen die Strategie-Entscheider, welche Kosten direkt durch die Herstellung der Buchstützen verursacht werden. Die Kenntnis der proportionalen Plan-Herstellkosten ist eine zentrale Voraussetzung für die Beurteilung, ob die Einführung des Neuprodukts zu höheren Unternehmensgewinnen führen wird.

Die jährlichen fixen Leistungsbereitschaftskosten der Produktions- und der Bildbearbeitungskostenstelle wurden (ohne Abschreibungen und Zinsen) geschätzt und als Planungsgrundlagen in der Kosten-/Leistungsrechnung erfasst:

BuchstützenFixkosten

Diese Fixkosten sind in der Strategiebeurteilung ebenfalls zu berücksichtigen.

Nettoerlösplanung

Die Verkaufsorganisation überlegte zusammen mit dem Produktmanagement, wie viele Einheiten pro Produkt in den Absatzkanälen (Direktverkauf, Verkauf via Händler im Inland und im Export) jährlich verkauft werden könnten. Dabei orientierten sie sich nicht an den Herstellkosten, sondern versuchten, mittels Konkurrenzvergleichen zu schätzen, welche Verkaufspreise die potenziellen Abnehmer für die individualisierte Frontlaschen-Buchstütze zu zahlen bereit sein werden.

Weiter wurde geschätzt, wie die Lebenskurve der Produkte verlaufen könnte. Die Erfahrungskurve zeigt, dass sowohl die Absatzmengen als auch die Nettoerlöse pro Stück wegen Marktsättigung und Markteintritt von Nachahmern gegen Ende der Lebenskurve abnehmen.

Die erwarteten Absatzmengen pro Absatzkanal (Spalten a-c, gelbe Felder) und die erwarteten Nettoerlöse (Spalten e-g) wurden für eine erwartete Lebensdauer der Produkte von 7 Jahren geschätzt und in die Tabelle eingetragen. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Händler im Inland und im Export einen Margenanteil der Bruttoumsätze zur Deckung ihrer eigenen Anstrengungen verlangen werden (Spalten f und g). Rechts in der Tabelle ergaben sich die erwarteten Nettoerlöse der Buchstützen-GmbH.

Planabsatz und Nettoerlös
Planabsatz und Nettoerlöse

Deckungsbeitragsentwicklung

Von den geplanten Nettoerlösen (Spalte k oben) wurden die proportionalen Herstellkosten der beiden Buchstützentypen abgezogen (sh. Plankalkulation). Vereinfachend wurde angenommen, dass sich die proportionalen Herstellkosten pro Stück im Strategiehorizont nicht verändern werden. Es ergaben sich die jährlich zu erwartenden absoluten Deckungsbeiträge I pro Artikel.

Buchstützen-Deckungsbeiträge
Buchstützen-Deckungsbeiträge

Die jährlich erwarteten absoluten DB I aus Buchstützen BS und Frontlaschen-Buchstützen BSF sind in der grafischen Darstellung gelb markiert. Diese müssen die zusätzlichen Fixkosten, die Investitionen und den Zielgewinn der Strategie decken.

Buchstützen-Deckungsbeiträge
Buchstützen-Deckungsbeiträge

Folgende zusätzlichen Fixkosten und Investitionen sind vorgesehen:

    • Ab Jahr 3 sind jährlich zusätzliche fixe Personalkosten von EUR 100’000 in der Buchstützenfertigung zu erwarten, weil mehr Produktionsaufträge abzuwickeln sein werden und mehr operatives Personal zu betreuen sein wird.

Die zunehmenden Herstellmengen werden Investitionen in die Fertigungsanlagen erfordern:

    • Jahr 0 (vor dem Produktionsstart der Frontlaschen-Buchstützen): Anpassung der Stanz- und Biegeanlage, ca. EUR 90’000.
    • Jahr 0: Beschaffung der Anlage für die Positionierung und das Aufkleben der Frontlaschenbilder, ca. EUR 60’000.
    • Jahr 2: Ergänzung der Lackieranlage um einen Heiztunnel für ca. EUR 80’000. Der Heiztunnel reduziert die Trocknungszeit und erhöht dadurch die Kapazität der Lackieranlage um 40%. Die Bearbeitungszeiten pro Stück werden gleichbleiben wie bisher.

Weil die Zusatzausgaben für Fixkosten und Investitionen in verschiedenen Planjahren anfallen werden, werden sie erst im Beitrag «Der Barwert der Strategie» abgebildet.

Lohnt sich der Planungsaufwand?

Definitiv! Würde die geschilderte Konkretisierung des strategischen Projekts 100’000 EUR Personalkosten (3-6 Arbeitsmonate) kosten, aber zu einer Ablehnungsempfehlung führen, wäre dieser Betrag viel kleiner als die Geldabflüsse, welche durch eine nicht erfolgreiche Strategieumsetzung erfolgen würden.

Strategieentwurf quantifizieren

Lohnt es sich, den Strategieentwurf in ein Umsetzungsprojekt zu überführen?

Strategieentwurf quantifizieren

Einen strategischen Plan zur Entscheidungsreife zu bringen, erfordert die Mitarbeit vieler Personen, die oft schon mit der Ausführung ihrer üblichen Aufgaben stark belastet sind.  Es empfiehlt sich deshalb, die erwarteten finanziellen Auswirkungen des Strategieentwurfs grob zu schätzen. Erst wenn diese Grobbeurteilung positiv ausfällt, lohnt es sich, ein Umsetzungsprojekt zu starten.

Dafür ist eine Schätzrechnung zu folgenden Positionen zu erstellen:

    • Welche zusätzlichen Nettoerlöse (Menge x erwarteter Netto-Verkaufspreis) könnte die vorgesehene Strategie jährlich generieren?
    • Wie hoch sind die zu erwartenden stückbezogenen Material- und Fremdleistungskosten pro zu verkaufende Einheit?
    • Wie viele Fertigungsstunden werden zur Herstellung der vorgesehenen Produkte oder Dienstleistungen in etwa erforderlich sein? Wird diese Stundenschätzung mit dem Personalkostensatz der jeweiligen Leistungskostenstelle multipliziert, resultieren die proportionalen Personalkosten pro Einheit.
    • Mit diesen Angaben kann der erwartete Deckungsbeitrag I pro Stück berechnet werden.
    • Neue Produkt-/Marktkombinationen führen meistens zu zusätzlichen (Personal-) Fixkosten in Vertrieb, Produktion, Einkauf und Administration. Diese sind ebenfalls einzubeziehen.
    • Schliesslich führen strategische Pläne oft zu Investitionen ins Anlagevermögen (Kapazitätserweiterungen) sowie zu Fremdleistungsausgaben, welche für die Verwirklichung der Strategie erforderlich sind und folglich durch die Erlöse der Strategie zu decken sind.
Strategieentwurf quantifizieren
Strategieentwurf quantifizieren

In den Zeilen 1 – 3 wird der Netto-Geldrückfluss vom Markt geschätzt. Die Absatzmenge ist für ein Durchschnittsprodukt der strategischen Idee anzunehmen. Sie bildet auch die Voraussetzung für die Kalkulation der mengen- und stundenabhängigen Kosten. Nur die netto zu fakturierenden Beträge werden zu Geldrückfluss führen. Deshalb sind zu erwartende Rabatte und erwartete Margen für Zwischenhändler abzuziehen.

Lagerbestandsänderungen werden in dieser Schätzung nicht berücksichtigt. Deshalb können in den Zeilen 4-6 die Material- und die Fremdleistungskosten pro Einheit mit der Absatzmenge multipliziert werden.

Die Schätzung der proportionalen Fertigungskosten erfolgt in den Zeilen 7 – 11. Die angenommene Stückbearbeitungszeit umfasst alle direkt an der Herstellung beteiligten Kostenstellen. Die Personalkosten pro Stunde und die Sachkosten pro Stunde werden mit der Bearbeitungszeit multipliziert. Das ergibt die geschätzten proportionalen Fertigungskosten pro Stück (Zeile 10) und für die Plan-Absatzmenge (Zeile 11).

Damit lässt sich in Zeile 14 der durch das Projekt zu erwartende Deckungsbeitrag I berechnen.

Insoweit durch die Strategie ein Ausbau der Managementkapazitäten für Fertigung, Beschaffung und Vertrieb notwendig sein wird, sind dafür geschätzte zusätzliche fixe Personal- und Sachkosten in Zeile 15 einzusetzen.

Wird die beabsichtigte Strategie zu Investitionsausgaben für neue Anlagen (Maschinen, Gebäude, Fuhrpark, Informatik) sowie für extern vergebene Machbarkeitsstudien führen, sind die entsprechenden geschätzten Beträge in Zeile 17 einzutragen.

Diese grobe Schätzung der durchschnittlich erwarteten jährlichen Absatzmengen, der Nettoerlöse und der proportionalen Herstellkosten pro Einheit genügt, um den Beitrag zur Fixkostendeckung und zur Gewinnerzielung zu berechnen (DB I = 330’000 pro Jahr). Nach Abzug der durch die Strategie jährlich dazu kommenden Fixkosten ergibt sich der zu erwartende jährliche Geldrückfluss.

In Zeile 18 wird die Paybackdauer dieses Strategieentwurfs berechnet. Im Beispiel wird es rund 4.5 Jahre dauern, bis die Investitionen durch die jährlichen Geldrückflüsse bezahlt sein werden.

Diese grobe Quantifizierung des Strategieentwurfs lohnt sich, da nur wenige Mengen, Verbräuche und Werte zu schätzen sind. Mit wenig Zahlen lässt sich beurteilen, ob eine weitere Ausarbeitung des Projekts erfolgversprechend ist. Ergibt sich eine höhere Paybackdauer als 4 Jahre, ist die Chance gering, mit dem Projekt einen höheren Unternehmensgewinn zu erzielen. Denn die Investitionen sind zu verzinsen und die Netto-Geldrückflüsse werden zusätzliche Gewinnsteuern zur Folge haben.

Schafft der Strategieentwurf die Payback-Hürde, kann ein Umsetzungsprojekt beantragt werden.

Strategieentwicklung

Vom Strategieentwurf zum Umsetzungsprojekt

Strategieentwicklung

In der Unternehmensführung wird der Begriff Strategie für Vieles verwendet. Als Folge werden auch unterschiedliche Vorgehensweisen zur Entwicklung einer Strategie empfohlen.

Hier geht es darum, den Prozess der Strategieentwicklung so zu gliedern und auszuführen, dass Pläne für die mittelfristige Entwicklung einer Produkt-/Marktkombination entstehen und die erzielten Umsetzungsresultate qualitativ und quantitativ beurteilbar werden. Dazu wird von den Definitionen im Beitrag «Strategie und Funktionale Konzepte» ausgegangen, insbesondere der dort zitierten Definition eines Alleinstellungsmerkmals (USP) nach M. Porter.

Diskussionen mit unseren Kunden zeigen regelmässig, dass sie mit einer Strategie Marktanteile vergrössern wollen, um für das Unternehmen höhere Gewinne vor Steuern und Zinsen (EBIT) zu erzielen.

Dieser Such- und Festlegungsprozess kann nicht gradlinig von der Zielfindung bis zur Resultatbeurteilung ablaufen, weil zu Beginn die zu erreichenden Resultate noch nicht fixiert sind, externe und interne Informationen zuerst beschafft werden müssen, oft nur eine ungenügende Datenbasis abrufbar ist und verschiedene interne Prozessbeteiligte mit unterschiedlichen Kenntnisständen und Absichten mitreden. Das erfordert einen mehrphasigen Durchlauf der Fragebearbeitung und viele Rückkopplungsschleifen. Oft ändert sich auch die Zusammensetzung des Bearbeitungsteams während des Findungsprozesses

Im Prozess der Entwicklung und Anpassung von Strategien sind meistens folgende Fragen zu beantworten:

    1. Welche Produkt-/Marktkombination wollen wir stärken? (Strategische Idee)
    2. Wie heben wir uns (aus Kundensicht) von der Konkurrenz ab (USP)?
    3. Wer sind unsere Konkurrenten, welche Umsätze/Marktanteile erzielen sie?
    4. Welche Dienstleistungen / Produkte fehlen uns zur Zielerreichung?
    5. Welche internen Entwicklungen bilden die Voraussetzung für den Erfolg, bzw. welche Kenntnisse und Fertigkeiten sind zu erarbeiten?
    6. Welche Investitionen werden erforderlich sein?
    7. Welche Mitarbeitenden fehlen uns dazu?
    8. Welche kritischen Prämissen sind in obigen Punkten enthalten, die eine erfolgreiche Strategierealisierung in den Zielmärkten verhindern könnten? Beispiele: Neue gesetzliche Vorschriften, politische Verschiebungen, Änderungen im Konsumverhalten, Erfolge von Konkurrenten.

Die Punkte 1 -3 sind extern orientiert, d.h. es sind Änderungen in den Unternehmensumwelten zu beobachten und einzuschätzen. Sie können zur Anpassung strategischer Ziele und Pläne führen

Der Stand der Punkte 4 – 7 ist unternehmensintern festzustellen. Daraus sind die notwendigen Entwicklungen abzuleiten.

Treten im Umsetzungsprozess Ereignisse ein, welche die kritischen Prämissen betreffen (Punkt 8), ist zu analysieren, ob der geltende strategische Plan (Punkte 1 – 3) anzupassen ist oder ob in den Punkten 4 – 7 Anpassungen erforderlich werden.

Im gesamten Strategieentwicklungsprozess sowie nach der Feststellung erreichter Zwischenresultate sind deshalb regelmässig Rückkopplungen erforderlich. Sie müssen zur Entscheidung führen, ob die Strategieumsetzung weiterverfolgt (go) oder abgebrochen (no go) wird.

Vom Strategieentwurf zum Umsetzungsprojekt

Das Ablaufschema unten zeigt den Weg vom Strategieentwurf (kreativer Akt) bis zur Freigabe eines strategischen Plans.

Am Anfang steht eine Idee, mit welchen Produkten das Unternehmen in welchen (Teil-)märkten Marktanteile gewinnen soll, um dadurch die eigene Marktposition und die Gewinnsituation zu verbessern. Der Zeithorizont ist meistens mehrjährig und das Verhalten der Konkurrenz kann den Erfolg verhindern. Es gilt, möglichst verlässlich die finanziellen Auswirkungen der strategischen Idee zu schätzen, bevor Arbeitszeit und Geld in die weitere Bearbeitung der Idee investiert werden.

Um überhaupt ein chancenreiches Umsetzungsprojekt für eine Strategie anzugehen, empfiehlt es sich, für den angedachten Strategiehorizont eine Schätzung der erzielbaren Nettoerlöse und der Folgekosten der strategischen Idee zu erstellen. Diese Annahmen sollte der Strategieentwurf enthalten, weil sie die Grundlage für den ersten go/no go-Entscheid bilden, nämlich ob das strategische Projekt überhaupt zur Entwicklung freigegeben werden soll. Nur bei einem «go» macht es Sinn, die Projektarbeit fortzusetzen. Dafür ist auch die Beschreibung des Alleinstellungsmerkmals wesentlich. Denn die die Entscheider wollen erkennen können, ob durch die Strategie eine Unique Selling Proposition entstehen kann, bevor sie den Auftrag für die Erstellung des eigentlichen Umsetzungsprojekts erteilen.

Strategieentwicklung
Vom Strategieentwurf zum Umsetzugsprojekt

Im Umsetzungsprojekt ist zu planen, welche Personal- und Sachkosten sowie welche Investitionen für die Strategierealisierung anfallen werden und ob die aus der Strategie erwarteten Nettoerlöse diese Kosten werden decken können. Dazu bedarf es auch der Schätzung der zur Strategieumsetzung erforderlichen Arbeiten in den verschiedenen Bereichen des Unternehmens sowie der Kapazitäten der Anlagen (Gebäude, Maschinen, Hard- und Software).

Die dynamische Investitionsrechnung ist das geeignete Instrument, ein Umsetzungsprojekt finanziell zu bewerten. Denn sie kann die mit den vorgesehenen Produkten oder Dienstleistungen zu erzielenden Deckungsbeiträge den Fixkosten der Strategie und den Nettoinvestitionen gegenüberstellen und so den Barwert der Strategie zum Entscheidungszeitpunkt berechnen.

Der nächste Beitrag zeigt an einem Beispiel die Quantifizierung eines Strategieentwurfs

BCG-Matrix im Lebenszyklus

Rentabilitäten und Geldflüsse entstehen im Lebenszyklus zu verschiedenen Zeiten. Die Verbindung der Investitionsrechnung mit der BCG-Matrix schafft Übersicht.

BCG-Matrix im Lebenszyklus

Die vier Phasen eines Produkts oder Markts laut BCG-Matrix sind meistens auch im Lebenszyklus eines Produkts zu erkennen:

    • Schafft ein Unternehmen mit einem neuen Produkt oder einer neuen Produktgruppe erste Absatz- und Umsatzerfolge, ist noch nicht klar, ob daraus ein Erfolg werden wird. Es handelt sich noch um ein Fragezeichen.
    • Steigen die Absatzmengen und die Umsätze jeweils stärker als im Vorjahr (die Kurve verläuft immer steiler), handelt es sich um einen Rising Star. Eventuell sind am Anfang dieser Phase noch nicht alle Kosten gedeckt, doch die Deckungsbeiträge wachsen schneller als die Fixkosten. Das Produkt kommt in die Gewinnphase.
    • Die Cash Cow-Phase beginnt, wenn die jährlichen Umsatz-Zuwachsraten gegenüber Vorjahr abnehmen. Die Gewinne erreichen die höchsten absoluten Werte, wodurch auch die Liquidität steigt. Den Eigentümern können höhere Dividenden ausgeschüttet werden oder neue Fragezeichen und Stars finanziert werden.
    • Der Beginn der Abschwungphase (Poor dog) kann nicht genau definiert werden. Wenn auch die Konkurrenz niedrigere Absatzmengen verzeichnet, ist der Abschwung wahrscheinlich schon im Gange. In einer solchen Situation ist es wichtig zu wissen, ob noch Deckungsbeiträge zur Deckung der Fixkosten des Produkts oder Absatzbereichs erzielt werden. Tendieren die Deckungsbeiträge gegen null, muss das Produkt aus dem Sortiment genommen werden, da es finanziell nichts mehr zum Unternehmenserfolg beiträgt.
BCG-Matrix im Lebenszyklus
BCG-Matrix im Lebenszyklus

Auswirkungen für die Zahlungsfähigkeit

Auch bezüglich Liquidität eines Unternehmens vermittelt die BCG-Matrix eine wichtige Erkenntnis:

Fragezeichen und Stars binden Liquidität (verfügbare Zahlungsmittel), weil

    • mehr Umsatz zu höheren Debitorenbeständen führt,
    • höhere Lagerbestände zur termingerechten Lieferung erforderlich sind,
    • die Investitionen ins Anlagevermögen zu bezahlen sind.

Cash Cows und Poor Dogs legen Liquidität frei, weil

    • kaum mehr neue Investitionen für das Geschäftsfeld zu bezahlen sind,
    • wegen sinkender Umsätze auch die Debitorenbestände sinken,
    • zur termingerechten Ausführung der Bestellungen weniger Lagerbestände zu finanzieren sind.
Geldbringer und Geldbinder
Geldbringer und Geldbinder

Der kombinierte Einsatz der BCG-Matrix und der dynamischen Investitionsrechnung empfiehlt sich vor allem in der strategischen und in der mittelfristigen operativen Planung. Die Rentabilität der angepeilten Produkt-/Markt-Positionen steht im Vordergrund. Ob die Projekte aus eigenen Mitteln finanziert werden können oder ob extern liquide Mittel zu beschaffen sein werden, muss jedoch ebenfalls geklärt werden.

BCG-Matrix

Datenbedarf zur Erstellung eines BCG-Portfolios und seine Aufbereitung

BCG-Matrix

Bruce Henderson und die Boston Consulting Group haben 1970 die BCG-Matrix entwickelt. Sie soll die strategische Planung und Steuerung von Unternehmen mit verschiedenen Produkten oder Geschäftsbereichen so wie unterschiedlichen Marktgebieten unterstützen. In den weitherum bekannten vier Feldern

    • Question Marks (Fragezeichen ?)
    • Stars (Produkte mit hohem Marktanteil in wachsenden Märkten)
    • Cash Cows (Melkkühe)
    • Poor Dogs (Auslaufprodukte)

werden alle Produkt- oder Servicebereiche eines Unternehmens eingetragen, sodass das Produkt-/Markt-Portfolio erkennbar wird.

Zur Feststellung des zutreffenden Feldes im Portfolio sind Informationen über den bisherigen Verlauf des Produktlebenszyklus (Umsatz, Cashflow, Gewinn und Wachstumsraten) der eigenen Produkt- oder Marktbereiche erforderlich, sowie die Wachstumsraten des beobachteten Marktes. Durch Gegenüberstellung des eigenen Umsatzes zu den gesamten Verkäufen im beobachteten Markt kann der eigene relative Marktanteil geschätzt werden.

In nachstehender Tabelle sind die absoluten und relativen Umsatzanteile der Marktteilnehmer in einem Produktbereich aufgeführt. Die Daten aus der Spalte „Wir“ stammen aus der eigenen Fakturierung, diejenigen der Hauptkonkurrenten A und B sowie der übrigen Anbieter (Rest) aus öffentlich zugänglichen Informationen oder Schätzungen.

Relative und absolute Marktanteile
Relative und absolute Marktanteile

Im Vergleich zum grössten Anbieter hat „Wir“ einen relativen Marktanteil (Durchschnitt von 3 Jahren) von 80% (14‘800 /18‘400) und im Vergleich zum Gesamtmarkt einen absoluten Marktanteil von 29% (14‘800 / 50‘600).

Der Gesamtmarkt wächst sehr stark. In 3 Jahren sind die Umsätze von 12‘400 auf 50‘600 gestiegen, also um 308%. Die eigene Wachstumsrate ist mit rund 640% noch höher.

In der BCG-Matrix werden die relativen Marktanteile auf der X-Achse abgebildet und das Wachstum des Gesamtmarktes auf der Y-Achse. Die Grösse der Bubbles repräsentiert das Umsatzvolumen der einzelnen Anbieter. Dadurch können die Positionen der einzelnen Anbieter zum Umsatzleader und zu den Konkurrenten in Relation gesetzt werden. Die X- und die Y-Achse wurden aus Darstellungsgründen an die Minimal- und Maximalwerte angepasst. Konkurrent A ist (noch) der Umsatzleader. Die Umsätze der anderen Anbieter werden auf der X-Achse in Relation zum Marktleader positioniert:

    • Konkurrent A erhält die Cash-Cow-Position, weil sein Umsatzwachstum niedriger ausfällt (247%) als dasjenige des Gesamtmarkts (308%), er aber immer noch den grössten Marktanteil hat.
    • „Wir“ hat in der Umsatzentwicklung massiv aufgeholt, ist jedoch noch in der „Rising Star“-Position. Die Umsätze sind nahezu so gross wie diejenigen von Konkurrent A. Grund dafür ist das starke Umsatzwachstum der letzten drei Jahre.
    • Bei Konkurrent B wächst in der Drei-Jahresbetrachtung der Umsatz langsamer als bei den anderen Marktteilnehmern. Deshalb rutscht seine Marktposition in den „Arme Hunde-Bereich“ ab.
    • Die in der Gruppe „Rest“ zusammengefassten Anbieter wuchsen bisher langsamer als Konkurrent A und „Wir“. Sie scheinen es nicht zu schaffen, den potenziellen Kunden ein bedürfnisgerechtes Angebot zu unterbreiten. Ihre Position hat sich im Vergleich zu Konkurrent A und „Wir“ nicht verbessert. Weil die Gruppe Rest in der Umsatzentwicklung hinten nachhinkt, rutscht sie in den Bereich „Poor dogs“.
BCG-Matrix
BCG-Matrix

Da sich Konkurrent A schon in der Cash-Cow-Position befindet, muss er versuchen, die Umsätze möglichst lange zu erhalten, die Fixkosten des eigenen Bereichs zu senken oder mindestens zu halten und die proportionalen Stückkosten zu senken. So entstehen für das Unternehmen höhere Geldrückflüsse, die zum Aufbau neuer Erfolgspotenziale eingesetzt werden können.

Solange die Umsätze von „Wir“ schneller wachsen als diejenigen der Konkurrenten, bleibt das Geschäftsfeld ein Rising Star und sollte dafür sorgen, dass die absoluten Deckungsbeiträge wachsen. Diese können für den Ausbau der eigenen Marktposition oder zur Finanzierung neuer „Question Marks“ eingesetzt werden.

Die durch diese Entwicklung freiwerdenden Barmittel können bei „Wir“ für Investitionen in Fragezeichen und für die Finanzierung des Wachstums der Stars verwendet werden.

Produkt-Lebenszyklus bewerten

Gewinn- und Liquiditätswirkungen im Produkt-Lebenszyklus

Produkt-Lebenszyklus bewerten

In einem Industriebetrieb hat sich in der Nachbetrachtung folgende Entwicklung von Umsatz, Kosten und Ergebnis im Verlauf eines Produkt-Lebenszyklus ergeben:

    • Zeile 6 der Tabelle enthält die verkauften jährlichen Absatzmengen. Die erzielten Netto- Verkaufspreise finden sich in Zeile 8. In Zeile 7 wurde der jährlich erzielte Nettoumsatz (nach Abzug aller Erlösschmälerungen) berechnet. Die proportionalen Herstellkosten der verkauften Einheiten finden sich in Zeile 4. Die Nachkalkulationen der verschiedenen Jahre zeigten, dass Prozessverbesserungen zur Senkung der proportionalen Herstellkosten pro Stück von jährlich rund 3% gegenüber Vorjahr führten.
    • Die direkt zu Geldabfluss führenden jährlichen Projektfixkosten (Kostenstellen) wurden in Zeile 3 zusammengefasst. Die Investition von 10‘000 für die notwendigen neuen Anlagen (Zeile 11) wurde über die 10 Betriebsjahre gleichmässig abgeschrieben (1‘000 p.a, Zeile 2. Die Unternehmensleitung verlangte, dass das Produkt jährlich 2‘500 zur Deckung von Unternehmensfixkosten und zum EBIT beitrage (Zeile 1).
    • Mit diesen Angaben ergibt sich in Zeile 5 der jährliche EBIT des Produkts. Die Reihenfolge der Zeilen 1 – 5 ist so gewählt, dass in der nachfolgenden Grafik die Fixkosten unten sind und der Nettoerlös oben.
Umsatz Kosten Erlös Lebenzyklus
Umsatz, Kosten und Erlöse im Lebenzyklus

Die Entwicklung über die einzelnen Jahre ist in der Grafik visualisiert. Es ist zu erkennen, dass dieses Produkt in den Jahren 1 bis 3 und 10 Verluste generierte.  Die Gewinne der Jahre 4 bis 9 sind jedoch höher als die erwähnten Verluste. Ab dem Jahr 6 nahmen die Absatzmengen und die realisierten Netto- Verkaufspreise stark ab. Trotz niedrigerer Verkaufspreise konnten in den Jahren 7 bis 9 noch Gewinne erzielt werden (vgl. Zeile 5), weil auch darauf geachtet wurde, die projektbezogenen Fixkosten zurückzufahren.

Produkt-Lebenszyklus bewerten
Produkt-Lebenszyklus bewerten

Wird diese Betrachtung auch als Geldflussrechnung für die verschiedenen Jahre erstellt, ist zu erkennen, dass der kumulierte Barwert des Produkt-Lebenszyklus erst gegen Ende Jahr 7 positiv wird (Zeile 4). Die Geldrückflüsse aus den Verkäufen am Ende der Lebenskurve erhöhten den Barwert der Strategie. Diese Erhöhung ergab sich trotz niedrigerer Netto-Verkaufspreise, weil die Investitionen schon bezahlt waren und die Fixkosten und die proportionalen Herstellkosten ebenfalls abnahmen.

Wegen Umsatzrückgang ab Ende Jahr 7 nahmen auch die Debitoren- und die Lagerbestände ab, was trotz Umsatzeinbruch zu hohen Geldrückflüssen in den Jahren 7-9 führte (Zeile 2).

Geldflüsse Lebenszyklus
Geldflüsse im Lebenszyklus

Für die Barwertberechnung wurde die dynamische Investitionsrechnung eingesetzt. Sie ist vor allem bei der Quantifizierung strategischer und mittelfristiger operativer Pläne hilfreich (Vgl. den Beitrag „Investitionsrechnung dynamisch“).

Schnelle Angebotserstellung bei Auftragsfertigung

Aktuelles ERP-System ermöglicht schnelle Angebotserstellung.

Schnelle Angebotserstellung bei Auftragsfertigung

Verschiedene Aufgabenträger eines Unternehmens müssen zusammenarbeiten, soll ein Angebot für ein genau nach Kundenspezifikation gefertigtes Produkt (oder Dienstleistung) aufbereitet werden:

    • Verkauf (direkter Kundenbetreuer)
    • Entwicklung, ev. Forschung (Machbarkeit)
    • Herausgeforderte Fertigungs- (kosten-)stellen (Kapazitäten personell und maschinell), verfügbare Kapazitätsreserven
    • Einkauf (Beschaffung erfolgskritischen Materials, Transportkosten zum Kunden)
    • Controller (Plankalkulation des Produkts oder der Dienstleistung, Deckungsbeitragsziele)

Die Herausforderung besteht für das anbietende Unternehmen einerseits darin, alle internen Daten für das potenzielle Geschäft verfügbar zu haben und andererseits termingerecht die Kundenanfrage beantworten zu können.

Das erfordert, den potenziellen Auftrag plankalkulieren zu können und dabei auch die Verfügbarkeit der personellen und maschinellen Kapazitäten zu prüfen. Zudem ist zu erheben, ob das Rohmaterial termingerecht beschaffbar sein wird und eventuell benötigte Halbfabrikate am Lager verfügbar sein werden.

Schon bei Auftragsgewinnung einen Planungslauf durchrechnen.

Das Produktionsplanungssystem PPS und die (proportionale) Kosten-Leistungsplanung der Produkte und Kostenstellen (Management Accounting) bilden eine zentrale Voraussetzung für die schnelle Beantwortung von Kundenanfragen. Denn die Angebotsersteller sind auf die Verfügbarkeit der Daten aus den genannten Informationssystemen angewiesen. Mit Hilfe des ERP- und des Kostenrechnungssystems muss es möglich sein, alle wesentlichen Einflussfaktoren aus dem bestehenden Informationssystem sofort abzurufen oder aufzubereiten:

    • Kundendaten (Adresse, Ansprechpartner, Bestellmengen, Wunschtermine, ev. qualitative Vorgaben
    • Marktdaten (konkurrierende Anbieter und deren Stärken)
    • Technische Herstellbarkeit klären (Entwicklung, ev. F&E)
    • Artikeldaten (Artikel mit ähnlicher Stückliste suchen und anpassen)
    • Arbeitsplan (Bearbeitungsschritte und -zeiten pro Kostenstelle/Fertigungsstelle, Rüsten und Einrichten, Ausschussrate, ev. spezielle Werkzeuge)
    • Materialverfügbarkeit Rohstoffe und Halbfabrikate (nicht verplanter Bestand, Wiederbeschaffungszeit)
    • Lieferzeiten von Zulieferanten
    • Planauslastung der Fertigungsstellen, nächste freie Verfügbarkeiten (kann sich auch auf die Entwicklung beziehen), vor allem wichtig, wenn auf den gleichen Produktionsanlagen kurze und lang dauernde Fertigungsaufträge laufen
    • Proportionale Plankosten pro Stück für das angefragte Produkt
    • Deckungsbeitragsziele für das Produkt, resp. den potenziellen Auftrag
    • Sperren wegen unbezahlter Rechnungen (Debitorenbuchhaltung)
    • neu herzustellende Werkzeuge und deren Liefertermin und Kosten.

Da es sich um ein Angebot für eine in dieser Form noch nicht erbrachte Dienstleistung oder ein kundenspezifisches Produkt handelt, sind die erwähnten Daten für die Erstellung einer Vorkalkulation und die Bestimmung des möglichen Lieferzeitpunkts erforderlich. Im ERP ist ein grosser Teil der Daten und der Bearbeitungsstrukturen schon angelegt. Deshalb empfiehlt es sich, auch ein anzubietendes Produkt direkt im ERP-System anzulegen und einen Offertauftrag (erwartete Mengen und Terminwünsche des Kunden) zu erfassen.  Der Zugriff auf die aktuellen ERP-Daten ist auch deshalb wichtig, weil während der Bearbeitungszeit des Angebots andere Aufträge umgesetzt werden und sich dadurch die freien Fertigungskapazitäten ändern.

Quick Response Teams

Um den Kunden, resp. den Auftrag zu gewinnen, ist das Angebot schnell zu unterbreiten. Der Kunde wartet ja auf den Vorschlag, damit er seine eigenen Kunden ebenfalls bedarfs- und termingerecht beliefern kann.

Zur Verkürzung der Durchlaufzeit bei der Angebotserstellung wird vorgeschlagen, «Quick Response Teams» einzurichten (Daniel Moser, Wertfabrik). Die Teammitglieder sollen direkt dem Teamleiter unterstellt werden und kompletten Lese- und Auswertungszugriff auf die oben aufgeführten Datenbestände haben. Sie arbeiten funktionsübergreifend und können, wenn das ERP-System und die Kosten-/ Leistungsrechnung auf aktuellem Stand sind, Abstimmprozesse vermeiden oder mindestens beschleunigen, Angebotskalkulationen erstellen und terminliche Verfügbarkeiten ermitteln. Sollen Quick Response Teams in Unternehmen gebildet werden, die Anfragen aus unterschiedlichen Kundengruppen oder Anwendungsgebieten erhalten, kann es sich empfehlen, mehrere QRM-Teams aufzubauen.

Weil oft die Kapazität für die Kernprodukte von mehreren Bereichen genutzt wird, ist der der lesende Zugriff der QR-Teams auf die gesamte Kapazitätsbedarfsplanung des Unternehmens von besonderer Bedeutung.

Durchlaufzeitverkürzung wirkt sich auch auf das finanzielle Ergebnis aus:

    • In den Lagern und vor allem im durchschnittlichen Bestand «Ware in Arbeit» ist weniger Geld investiert. Das verringert die Zinskosten und den Bedarf an Eigenkapital. Es sollten möglichst wenig angefangene Aufträge auf den nächsten Bearbeitungsschritt warten müssen.
    • Die schnellere Fakturierung führt ebenfalls dazu, dass weniger Kreditbedarf und dadurch weniger Zinskosten entstehen.

Der wichtigste Faktor ist jedoch, dass der Kunde früher ein Angebot ohne falsche Versprechungen erhält.